Das Bozner Herz-Jesu-Bild

28. Mai 2016
Quelle: Distrikt Österreich

„Dein Herz, o milder Jesus, ist verwundet, damit wir darin verweilen können.“ (Hl. Bonaventura)

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter! Teuere Tiroler!

Am 1. Juni 1796 hat Tirol den feierlichen Bund mit dem göttlichen Herzen Jesu geschlossen. Zwei Tage später wurde das Gelübde erstmalig in der Bozner Pfarrkirche erfüllt.

Das dortige ehrwürdige Herz-Jesu-Bild wurde für diese Feier auf den Hochaltar übertragen und es wurde diesem Gnadenbild bei dieser und seit dieser Feierlichkeit besondere Verehrung zuteil.

Geistliche Ausstrahlung

Glaube und Frömmigkeit haben zu allen Zeiten auch einen sichtbaren Ausdruck in den Werken der sakralen Kunst gefunden. Auf diese Weise sind oft große Kunstwerke geschaffen worden. Das gilt im allgemeinen auch für die Herz-Jesu-Darstellungen.

Es gibt allerdings ein Herz-Jesu-Bildnis, das für Tirol eine ganz besondere Bedeutung hat. Es handelt sich um das sog. historische Herz-Jesu-Bild, das im Juni 1770 zum erstenmal am Dreikönigsaltar in der Pfarrkirche Bozen aufgestellt wurde. (Im Jahre 1777 wurde den Gläubigen, die vor diesem Herz-Jesu-Bild beten, ein Ablaß von 40 Tagen gewährt.)

Vor diesem Bild haben die Tiroler 1796 ihr von Franzosen bedrohtes Land in feierlicher Weise dem heiligsten Herzen Jesu geweiht und es unter Seinen besonderen Schutz gestellt.

Es bleibt eine historische Tatsache, daß auch dieses anmutige Bild die Tiroler zum Herz-Jesu-Bund innerlich bewegte. Dieses Bildnis hat tatsächlich eine intensive geistliche Ausstrahlung, die jede aufrichtige Seele auch wahrnehmen und spüren kann. 

In Gegenwart dieses historischen Bildes erfolgten auch manche bedeutende Herz Jesu-Bundeserneuerungen in den Jahren 1848, 1859, 1866, 1870 und 1876. Auch bei der 200-Jahr-Feier stand dieses Bild im Vordergrund: Während des ganzen Jubiläumsjahres hatte es seinen Ehrenplatz am Hochaltar.

Bei der alljährlichen Herz-Jesu-Prozession wird eine Kopie dieses Gnadenbildes durch die Stadt Bozen getragen. Und seit 2014 wird dieses Bild auch bei unserer Prozession durch Innsbruck–Hötting getragen. Unsere neue Prozessionsfahne dient wie ein Hintergrund oder Rahmen für das Herz-Jesu-Gnadenbild. Dieses Prozessionsbild ist unser Vexillum, das Banner unseres Bundesherrn Jesus Christus mit Seinem Erlöserherz.

Theologie des Bildes

Betrachten wir nun dieses Herz-Jesu-Bild etwas näher. Das hochovale Gnadenbild zeigt den Heiland in Halbfigur. Im Alter von 33 Jahren hält Er Sein hellrotes gegürtetes Gewand auseinander und zeigt so Sein vor einem Flammenkreuz liegendes Herz, aus dessen Wunden weitere Flammen schlagen. Um den Herzkörper ist die Dornenkrone gelegt; aus der Öffnung ragen wieder Flammen und ein kleines Kreuz. Das jugendliche Haupt ist leicht nach rechts geneigt, was der Kopfhaltung am Kreuz entspricht.

Christi Augen schauen jedem von uns in die Augen und sprechen zu uns: „Lernet von Mir, denn Ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“. Der Heiland zeigt uns mit beiden Händen (an denen die verherrlichten Wunden sichtbar sind) Sein heiligstes Herz, das als der brennende Feuerherd der göttlichen Liebe dargestellt ist. Sein Herz ist für uns die Pforte des Himmels und die Wohnstätte der Liebe, die sich bis zum letzten verzehrt.

Der Gesamteindruck, den dieses Herz Jesu-Bildnis in uns weckt, läßt sich mit zwei Anrufungen aus der Litanei zusammenfassen: „Herz Jesu, voll Güte und Liebe“ und „Herz Jesu, von unendlicher Majestät“. Gütige Majestät und liebevolle Erhabenheit strahlt das Bild vor allem aus.

Die Engel, die den Heiland umgeben, erinnern an das Wort der Apokalypse: „Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen, auch alle, die Ihn durchbohrt haben“ (Offb 1,7); und an das Prophetenwort: „Sie werden auf Den schauen, den sie durchbohrt haben“ (Zach 12,10).

Liebe Gläubige, sprechen wir beim Anblick dieses Bildes die Worte des heiligen Bonaventura: „Dein Herz, o milder Jesus, ist verwundet, damit wir darin verweilen können“ (Vitis mystica III). Verweilen wir mit Liebe im heiligsten Herzen Jesu, suchen wir in Ihm unseren Zufluchtsort.

Verbindung der beiden Bilder

Allerdings hing nicht nur eine neue Fahne im Altarraum unserer Kapelle. Das Herz Jesu-Bild wurde durch ein Bildnis der allerseligsten Jungfrau Maria begleitet.

Es handelt sich um eine herrliche Darstellung der Unbefleckten Empfängnis. Es zeigt die allerseligste Jungfrau Maria als die Immaculata (Unbefleckte) und gleichzeitig als die Assumpta (die in den Himmel Aufgenommene), denn sie ist von Engeln und der himmlischen Glorie umgeben.

Zwischen diesen zwei Bildern (dem des heiligsten Herzens und jenem Mariens) besteht ein tieferer Zusammenhang: Erstens befindet sich das historische Herz Jesu-Bild im Dom Maria Himmelfahrt zu Bozen; und zweitens ist das Fest Mariä Himmelfahrt nach dem Herz-Jesu-Sonntag das zweite Hochfest des Landes Tirol. Der Hohe Frauentag (15. August) wurde zum zweiten Landesfeiertag Tirols erklärt, und zwar am 13. September 1959 anläßlich der 150. Jahresfeier der Schlacht am Berg Isel. – Aus diesen Gründen gehören die Bildnisse des Herzens Jesu und der unbefleckten Himmelskönigin zusammen.

Es gibt noch einen weiteren Grund: „Wir vertrauen auf das heiligste Herz Jesu und auf den Schutz der Muttergottes!“ Das war der flehentliche Ruf der Tiroler in jeder Not und Gefahr. – Die geistliche Haltung Tirols verbindet in sich also beides: das feste Vertrauen sowohl auf Jesu Herz als auch auf Mariens Schutz, darum sind auch unsere zwei Fahnen wirklich sinnvoll und zueinander passend. 

Die Maler und ihre Schicksale

Diese theologisch sehr tiefen und künstlerisch meisterhaften Darstellungen des heiligsten Herzens Jesu und der unbefleckten Himmelskönigin verdanken ihre Echtheit auch dem felsenfesten Glauben ihrer Maler, denen auch sehr schwere Kreuze nicht erspart blieben. Hinter beiden Gemälden verbergen sich bewegte Schicksale ihrer Schöpfer. 

Karl Henrici

Der Maler des historischen Herz-Jesu Bildes im Dom von Bozen heißt Johann Josef Karl Henrici (oft einfach Karl Henrici). Er war ein österreichischer Barockmaler, geboren 1737 zu Schweidnitz in Schlesien.

Sein ursprünglicher Familienname war Heinrich, er hat ihn aber nach dem damals üblichen Brauch latinisiert, weil er ihm in solcher Form für einen Künstler angemessener erschien.

Als zwanzigjähriger kam er 1757 über Umwegen nach Bozen. Er erlebte eine lange, fruchtbare Periode selbstständigen Schaffens in Bozen und vielen anderen Orten Südtirols. Karl Henrici schuf zahlreiche Heiligenbilder, auch Gemälde in Kirchen und vornehmen Häusern.

Wie bewegt sein Schicksal war, läßt uns die folgende Tatsache erahnen: Mit seiner Frau Rosa hatte Karl Henrici dreizehn Kinder, aber nur drei wuchsen auf. Auch sie selbst starben jung. Der Lebensabend des Künstlers war unglücklich und traurig. Zum Verlust aller seiner Kinder kam noch, daß er 1798 (mit 61 Jahren) erblindete. Welch ein Schlag für einen Maler! Er erblindete nachdem ihm der Tod alle seine Kindlein entrissen hatte! Karl Henrici starb 25 Jahre später am 29. Oktober 1823. Das Herz-Jesu-Bild hat ihn aber unsterblich gemacht.

Liebe Gläubige, wer so viele Leiden im Glauben geduldig ertrug, der hat das durchbohrte Herz Jesu sicherlich auch gut verstanden und innig geliebt. Karl Henricis Lebenskreuz hat ohne Zweifel zur Echtheit und Tiefe der Darstellung des heiligsten Herzens entscheidend beigetragen.

Murillo

Der Schöpfer der Unbefleckten Himmelskönigin heißt mit ganzem Namen Bartolomé Esteban Murillo (1618–1682), ein spanischer Maler des Barock.

Er war keine zehn Jahre alt, als seine Eltern starben und so wuchs er im Haushalt seiner Schwester Ana auf. Als achtzehnjähriger malte er elf Gemälde franziskanischer Heiliger für den Kreuzgang des Klosters in Sevilla. Einige weitere Gemälde für die Kathedrale von Sevilla förderten seinen Ruf weiter, und er war von da an ein gefragter Maler, spezialisiert auf Marienbildnisse wie die „Unbefleckte Empfängnis“ und die „Jungfrau mit dem Kind“.

Murillo war Mitglied mehrerer religiöser Gesellschaften in Sevilla. Er gründete dort auch die Akademie der schönen Künste. In seiner Werkstatt hatte er viele Schüler. Aber sein Glück dauerte nicht lange. Der Tod seiner Frau, mit der er neun Kinder gehabt hatte, war für ihn ein schwerer Schlag, von dem er sich nie wieder ganz erholte. Das ganze Jahr über konnte er nicht malen und zog mit seinen überlebenden fünf Kindern in einen Kapuzinerkonvent. In der folgenden Zeit malte er viele seiner religiösen Hauptwerke. Murillo gab auch sehr viel Geld für karitative Zwecke; er selbst starb aber in Armut und sein Nachlaß war nur ganz bescheiden.

Murillo gehört zu den Malern der „Goldenen Zeit“ (Siglo de Oro) Spaniens. Sein Werk teilt sich in sakrale Kunst und Genremalerei. Er selbst sah seinen Schwerpunkt in den Madonnenbildnissen. – Liebe Gläubige, mögen auch wir in der Verherrlichung Gottes und der allerseligsten Jungfrau Maria das Wichtigste für uns sehen, den Schwerpunkt unseres irdischen Mühens.

Das Banner des Bundesherrn

Möge uns vor allem das Herz-Jesu Gnadenbild helfen, in der Liebe zum heiligsten aller Herzen zu wachsen. Möge der brennende Feuerherd der Liebe, wie Jesu Herz in der Litanei genannt wird, auch in unserem Inneren seine Flammen entfachen. 

Diese Prozessionsfahne ist wie das Banner unseres göttlichen Königs. Banner bedeutet in der Fahnenkunde (Vexillologie) eine spezielle Form der Flagge mit einem Hoheitszeichen; das Banner soll das Herrschaftsgebiet eines Herrn bzw. die Zugehörigkeit zu dessen Gefolge kennzeichnen.

Wenn wir uns also im Glauben unter dem Banner Jesu Christi, unter der Fahne des heiligsten Erlöserherzens scharen, dann ist es auch ein deutliches Bekenntnis, daß wir die Herrschaft des Christkönigs über uns anerkennen, daß wir unsere Zugehörigkeit zu den Herz-Jesu-Verehrern bekunden und unsere Treue zum Tiroler Herz-Jesu-Bund bewahren wollen.

Mit priesterlichem Segensgruß

Pater Jaromír Kučírek

Aus der Gottesdienstordnung für Tirol - Juni 2016