Aus dem Pilgerbericht der Nonne Aetheria

23. September 2022
Quelle: Distrikt Österreich

Fortsetzung Nr. 5 (Ende):

Aetheria berichtet über die Feier des Karfreitags (Auszug)

"Und nun wird für den Bischof der Stuhl in Golgatha hinter das Kreuz gestellt, das jetzt da steht. Der Bischof setzt sich auf den Stuhl, vor ihn wird ein mit Linnen bedeckter Tisch gestellt, im Kreis um den Tisch stehen die Diakone. Jetzt wird ein silbernes, vergoldetes Kästchen gebracht, worin das heilige Kreuzesholz sich befindet. Es wird geöffnet, das Kreuzholz herausgenommen und nebst der Aufschrift(titulus) auf den Tisch gelegt.

Wenn es nun auf den Tisch gelegt ist, hält der Bischof sitzend die Enden des heiligen Holzes mit den Händen fest, und die Diakone, die rings um den Tisch stehen, bewachen es. Dies wird aber deshalb so bewacht, weil die Gewohnheit besteht, daß das ganze Volk, einer nach dem andern, herantritt, sowohl die Gläubigen wie die Katechumenen, sich zum Tisch herabneigen, das heilige Holz küssen und weitergehen. Und weil einst, ich weiß nicht wann, jemand einen Splitter vom Heiligen Holz abgebissen und gestohlen haben soll, deshalb wird von den Diakonen, die im Kreis stehen, gewacht, daß keiner, der herantritt, das noch einmal zu tun wage.

So geht also das ganze Volk vorüber, einer nach dem andern; alle verneigen sich, berühren mit der Stirn und dann mit den Augen das Kreuz und die Inschrift, küssen das Kreuz und gehen weiter; mit der Hand aber berührt es niemand."

Und weiters berichtet sie detailliert über die Feierlichkeiten am 14. September, an dem das Fest der Auffindung des Kreuzes und die Einweihung der Grabeskirche begangen wurde und das acht Tage dauerte. "Mit aller Freude" strömten die Scharen nach Jerusalem aus Mesopotamien, Syrien, Ägypten und von "vielen anderen Provinzen". Vierzig oder fünfzig Bischöfe kamen mit ihren Klerikern. "Es glaubt eine große Schuld sich zugezogen zu haben, wer in diesen Tagen nicht so großer Feierlichkeit beigewohnt hat... Während dieser Tage ist der Schmuck aller Kirchen wie zu Ostern oder Epiphanie."

Bischof Ambrosius von Mailand erklärt in seiner Grabrede für Kaiser Theodosius: "Sie - die Kaiserinmutter Helena - fand also die Aufschrift und betete den König, nicht fürwahr das Holz an, denn das wäre heidnischer Wahn und gottloser Aberglaube. Den vielmehr betete sie an, Der am Kreuz gehangen, dessen Name auf der Überschrift gestanden."

Aus dem Pilgerbericht der Nonne Aetheria (Peregrinatio ad loca sancta):, Aetheria war Äbtissin in Aquitanien (im Südwesten Frankreichs) und hielt sich von 382 bis 384 in. Chr. m Heiligen Land auf. Ihr Pilgerbericht ist uns erhalten. 

 

Quellen dieser kleinen Serie: 

Die Jesus-Tafel von Michael Hesemann

Peregrinatio ad loca sancta (Pilgerbericht der Nonne Aetheria)