Der hl. Severin von Noricum

18. Januar 2023
Quelle: Distrikt Österreich

Äußerst spärlich sind die historischen Quellen aus der Zeit des 5. Jahrhunderts über die römische Provinz Noricum, die das Land zwischen Inn und Wienerwald, zwischen der Donau und der Drau, umfasste. Gerade deswegen ist die „Vita Sancti Severini“, die Biographie des Lebens und Wirkens des Mönches Severin, welche uns überliefert ist, von unschätzbarem Wert, wirft sie doch einen hellen Lichtstrahl in jene Zeiten, die sonst vom Dunkel der Geschichte völlig bedeckt sind. Die Biographie gilt als die verlässlichste historische Quelle aus dieser dunklen Epoche der Zeit der Völkerwanderung. Sie wurde im Jahr 511 von Eugippius, einem Schüler des hl. Severin, verfasst, also knapp drei Jahrzehnte nach dem Tod des Heiligen. 

Um die Mitte des 5. Jahrhunderts war Noricum eine entlegene Provinz des römischen Reiches und dem Ansturm der Germanen fast schutzlos ausgeliefert, denn das schwach gewordene Imperium Romanum war selbst handlungsunfähig geworden.  Die staatliche und gesellschaftliche Ordnung war praktisch im ganzen Reich aufgelöst, nur die Kirche wirkte noch zum Wohle der Menschen, ganz besonders durch ihre Mönche. Verschiedene rivalisierende germanische Stämme zogen eine Blutspur durch das ganze Land. Sie kamen, angezogen durch die höhere Zivilisation und dem Reichtum dieser Provinz und hinterließen Zerstörung, Chaos und Verzweiflung.

Nach Noricum von Gott gesandt

In dieser höchsten Not sandte Gott einen Mann, der den Menschen Trost und Seelenfrieden bringen sollte: den Mönch Severinus. Um das Jahr 453 (Todesjahr des Hunnenkönigs Attila) betrat er erstmals norischen Boden. Der verzweifelten Bevölkerung erschien dieser tapfere und asketische Mönch, der niemanden fürchtete, wie ein Himmelsbote. Niemand wusste, woher er kam, wann und wo er geboren wurde. Als er einmal diesbezüglich von einem Priester gefragt wurde, antwortete er: „Was soll ein Diener Gottes von seiner Heimat und Abkunft reden? Was kann ihm und seinen Mitbrüdern hieraus für ein Nutzen entstehen? Unser Vaterland ist der Himmel – nach dem Himmel wollen wir trachten!“ Seine Sprache ließ Italien oder auch die römische Provinz Afrika als Land seiner Herkunft vermuten, sein strenges Leben zeugte wohl von einem längeren Aufenthalt bei den Wüstenvätern. Nie hat er ein kirchliches Amt bekleidet, er war kein Priester, kein Bischof, sondern ein einfacher Mönch und auch als er einer klösterlichen Gemeinschaft vorstand, wurde er nie Abt genannt, sondern Meister oder geistlicher Lehrer.

Zumeist wanderte er predigend durch das Land zwischen der Mündung des Inn und dem Kahlenberg bei Wien und wurde so zum „Apostel Österreichs“. Der christliche Glaube hatte hier schon länger Fuß gefasst, ob der äußeren Not hatten aber viele vergessen, mit welchen Mitteln man einem Krieg begegnen sollte, nämlich nicht mit natürlichen, sondern mit übernatürlichen Mitteln. Er rief die Menschen zum Gebet auf, zum Fasten und zu Werken der Barmherzigkeit, kurz gesagt, er rief sie auf, in der Angst und der Gefahr, in der sie lebten, den Glauben zu vertiefen. Den Arianismus, der auch hier stark verbreitet war, bekämpfte er in seinen Reden, zeigte sich den Arianern gegenüber aber ebenso barmherzig wie allen anderen. Bald war er hochangesehen bei Römern und Germanen. Die Grundbesitzer brachte er dazu, einen jährlichen Zehnten als regelmäßige Spende für die Armen zu geben und die Städte, in denen er sich aufhielt, wetteiferten miteinander, ihn möglichst lange zu beherbergen, denn die Menschen waren überzeugt, dass sie während seiner Anwesenheit vor jeglichem Angriff geschützt wären. Oft ging er allein und völlig ungeschützt in das Lager der Feinde, um die Freilassung von Gefangenen zu erreichen, und doch tat ihm niemand Böses an. Das Charisma seiner Persönlichkeit und seine prophetische Gabe beeindruckten auch die schlimmsten Gegner, man begegnete ihm mit Ehrfurcht und Achtung. Er vermittelte Friedensbedingungen, setzte sich für die Freilassung von Gefangenen ein, verhütete Plünderungen und wachte über die Einhaltung von Verträgen.

Gründung eines Klosters inmitten der Weingärten

Außerhalb der Mauern von Favianis, dem heutigen Mautern bei Krems, gründete er inmitten der Weingärten, die es auch damals schon hier gab, ein Kloster. Hier führte er ein Leben der Einfachheit, des Gebetes, der Askese und der Abhärtung. Und hier empfing er täglich unzählige Menschen, die ihn mit ihren Sorgen aufsuchten und von ihm Rat und Hilfe erwarteten und auch erhielten. Als in Favianis einmal im Winter eine Hungersnot ausbrach, rief Severin eine reiche Witwe zu sich, von der er wusste, dass sie einen großen Getreidevorrat versteckt hatte. Er redete ihr scharf ins Gewissen: „Weshalb machst du dich als Tochter hochedler Eltern zur Dienerin niedriger Gier und gibst eine Sklavin der Habsucht ab, die nach des Apostels Lehre Götzendienst bedeutet? Du wirst mit dem ungebührlich erworbenen Besitz nichts anfangen können, es sei denn, du wirfst ihn in die Donaufluten und bekundest den Fischen gegenüber eine Menschlichkeit, die du den Menschen gegenüber nicht bewiesen hast!“ Von diesen Worten tief betroffen ließ die Witwe die Vorräte, die sie versteckt hatte, an die Notleidenden verteilen.

Als man ihn zum Bischof machen wollte, lehnte er diese Ehre in seiner Demut und Bescheidenheit ab. Er lehnte es sogar ab, Schuhe zu tragen, auch im Winter. In der „Vita Sancti Severini“ lesen wir: „Auch im Winter, der in jenen Gegenden von grimmigem Frost starrt, ging er bescheiden barfuß einher und lieferte so den Beweis einer einzigartigen Selbstzucht. Als Zeuge für die Ungeheuerlichkeit der dort herrschenden Winterkälte darf bekanntlich die Donau gelten, die häufig in solchem Ausmaß zufriert, dass sie selbst schweren Wagen eine gesicherte Überfahrt ermöglicht.“

Favianis wurde sein ständiger Wohnsitz, von hier brach er immer wieder zu seinen Missionsreisen auf. Er kam nach Juvavum, dem heutigen Salzburg, wo sich damals bereits ein Kloster mit einer Basilika befand. In Cucullis (das heutige Kuchl, südlich von Salzburg) verbrachte er einige Zeit. Auch hier gab es schon Kirche und Klerus, aber die Gläubigen hangen noch immer den heidnischen Gottheiten an, die sie in heimlichen Treffen verehrten. Ein Kerzenwunder Severins soll diesem Treiben ein Ende gemacht haben. Der westlichste Punkt, den Severin aufsuchte, war Quintanis, das ca. 35 km donauaufwärts von Passau lag.

Oftmals sagte er den Bewohnern von verschiedenen Orten einen feindlichen Einfall voraus, meist wurde sein Rat gehört und die Ortschaften geräumt. Auch nach Joviacum, zwischen Engelhartszell und Aschach an der Donau gelegen, sandte Severin die dringende Aufforderung zum Verlassen der Siedlung. Die Bewohner schenkten der Botschaft jedoch keinen Glauben und wurden in der weiteren Folge gemeinsam mit ihrem Priester ermordet. Die Alpen dürfte er selbst nicht überquert haben und somit nicht in das südliche Noricum gelangt sein, aber sein Ruhm drang auch dorthin. Er organisierte eine Hilfsaktion der Bevölkerung des südlichen Noricum für ihre notleidenden Landsleute an der Donau, und so zog mitten im Winter eine Transportkolonne mit Winterkleidung auf der Römerstraße der Radstädter Tauern gegen Norden.

Geistlicher und politischer Führer

Severin war nicht nur ein geistlicher Führer, sondern auch der politische Repräsentant des Römertums in Noricum gegenüber den hereinbrechenden germanischen Völkern. Aufgrund seiner Weitsicht erkannte er, dass dieses Grenzland für Rom verloren war, aber er half mit allen Kräften seiner sichtlich beeeindruckenden Persönlichkeit, diesen Vorposten des römischen Reiches so lange wie möglich zu halten. Deswegen stand er auch mit dem Königshaus der Rugier (ein ostgermanischer Stamm) in enger Verbindung, ja wirkte sogar als Ratgeber dieser unmittelbaren Nachbarn von Ufer-Noricum.

Eines Tages suchte ihn Odoaker, der Führer des ostgermanischen Stammes der Heruler, auf und bat ihn um den Segen für seinen Kriegszug nach Italien. Der Heilige sprach zu ihm weissagend: „Ziehe hin nach Italien, du trägst jetzt einen schlechten Pelzrock, aber bald wirst du vielen große Reichtümer verleihen können.“ Odoaker zog siegreich in Rom ein, stürzte den letzten Kaiser, schickte ihn in die Verbannung und wurde so selbst zum Herrscher. Da erinnerte er sich an die Weissagung des Severin und ließ ihm ausrichten, er möge verlangen, was immer er wolle, mit Freude werde er es gewähren. Aber Severin bat bloß um die Begnadigung eines Verbannten.

Er sorgte auch für den Umzug der Menschen aus jenen Gegenden, die sich gegen die einwandernden Germanen nicht mehr halten ließen und siedelte sie in Lauriacum (Lorch) und Favianis (Mautern) an, wo sich christliche Gemeinden während der gesamten Zeit der Völkerwanderung bis ins frühe Mittelalter halten konnten.

Nach dreißig Jahren seines so segensreichen Wirkens in der Provinz Noricum spürte er sein Ende nahen und im Kloster von Favianis nahm er Abschied von seinen Mönchen, stärkte sie durch seinen Zuspruch, sagte ihnen aber auch ihre Abwanderung nach Italien voraus. Das rugische Königspaar, das an sein Totenbett eilte, ermahnte er, die romanische Bevölkerung gerecht zu behandeln. Am 8. Januar des Jahres 482 starb er.

Das Ende des Römerreiches an der Donau 

Der hl. Severin war die letzte Stütze der religiösen und staatlichen Ordnung gewesen, denn kaum war er verschieden, brach das Römerreich an der Donau zusammen, die Germanen überschwemmten das Land. Noricum sank zurück in das Heidentum und auch die Klöster, die Severin gegründet hatte, verschwanden. Im Jahr 488, als die letzten Mönche aus Noricum fliehen mussten, nahm sein Schüler und Biograph Eugippius den Leichnam seines Meisters mit nach Neapel. Die Reliquien des Heiligen wurden seit dem Jahr 902 in der Kirche des Benediktinerklosters Santi Severino e Sossio in Neapel aufbewahrt, von wo sie 1807 in die Pfarrkirche von Frattamaggiore in Kampanien überführt wurden.

Durch die Lebensbeschreibung des hl. Severin, die auch von zahlreichen Wundern berichtet, die er gewirkt hat, erhalten wir auch einen klaren Einblick in das Glaubensleben des zu Ende gehenden fünften Jahrhunderts. Als Zentralgeheimnis des christlichen Glaubens werden festgehalten: die Dreieinigkeit, die Erlösung durch Jesus Christus von der Sündenschuld, die Gemeinschaft der Heiligen, die Heiligenverehrung, die Unsterblichkeit der Seele, die Läuterung nach dem Tod sowie die Engels- und Teufelswelt. Auch die priesterliche Hierarchie wird geschildert von den niederen Weihegraden zu den Diakonen und Priestern und Bischöfen. Taufe und Eucharistie werden unter den Sakramenten besonders hervorgehoben. Somit ist die Biographie des Schülers des hl. Severin auch eine wichtige Zeugin für die Echtheit und Unverfälschtheit der katholischen Lehre bis in unsere Zeit.

Ein Heiliger wirkt für die Ewigkeit

So wie der hl. Severin leben auch wir heute in einer Zeit großer Umbrüche, unsere Bevölkerung nimmt – aus eigener Schuld - drastisch ab, während Ströme von Migranten nach Europa drängen. Ein neues Heidentum breitet sich aus, Scharen von Menschen verlassen die katholische Kirche, immer mehr Menschen fallen vom Glauben ab. Kirchen werden geschlossen, werden zweckentfremdet, ja werden sogar im Internet versteigert. Die Gesellschaft entledigt sich ihrer Wurzeln zur Vergangenheit, Geschichte und Tradition sind vergessen, Sitten und Moral verkommen. Man darf das Gedankenexperiment wagen: Was hätte der hl. Severin in dieser Situation gemacht, wie würde er heute zu uns sprechen? Welchen Ratschlag würde er uns geben? Würde er tolerieren, dass so viele, auch gläubige Katholiken, in eine derart pessimistische Weltsicht versinken, dass sie fast handlungsunfähig sind? Dass sie so große Angst vor der Zukunft haben und dabei vergessen, im Jetzt zu leben und ein heiliges Leben anzustreben? Ganz gewiss nicht! Auch uns heute würde er aufrufen: „Greift zu den übernatürlichen Mitteln! Strebt danach, heilig zu werden! Ihr lebt in einer Zeit der Bewährung!“ Und so eindringlich und schonungslos, wie er mit der Witwe in Favianis gesprochen hat, würde er es wieder tun, denn nur so können die Menschen aufgerüttelt werden, können sie ihre falsche Handlungsweise erkennen.  

Dem hl. Severin gelang es mit vielen Anstrengungen, das Unheil für unsere Vorfahren während seiner Lebenszeit aufzuhalten, zu verzögern, und doch war er sich bewusst, dass es zum Zusammenbruch kommen werde. Nach seinem Tod legte sich mehr als 200 Jahre lang das Dunkel des Heidentums über unser Land, erst zu Anfang des 8. Jahrhunderts wurde die ehemalige Provinz Noricum wieder christianisiert, aber sofort erwachte das Andenken an den heiligen Mönch Severin, denn so schrieb es der Diakon Paschasius an den Schüler des hl. Severin, der seine Biographie verfasst hatte: „Was ein Heiliger getan, kann niemals untergehen im Strom der Zeiten!“

Festtag des hl. Severin: 8. Januar (in manchen Diözesen 19. Januar),

Hauptpatron der Diözese Linz (gemeinsam mit dem hl. Maximilian von Lauriacum)

 

Quellen:

Das Leben des Heiligen Severin von Eugippius

Bavaria Sancta von Georg Schwaiger

Helden und Heilige von Hans Hümmeler

Das große Buch der Heiligen von Erna und Hans Melchers

Das große Buch der Heiligen und Seligen Österreichs