Die Saat ging auf

22. März 2023
Quelle: Distrikt Österreich

Im ersten Abschnitt dieser dreiteiligen Serie haben wir einen Einblick in das Leben des hl. Klemens Maria Hofbauer gewonnen. Heute lesen wir, was der Schriftsteller Hermann Bahr in seinem Buch über den ehrwürdigen Diener Gottes Franz Joseph Rudigier schrieb, welch ungewöhnliche Ausstrahlung der hl. Klemens Maria Hofbauer hatte und wie diese noch lange nach seinem Tod weiterwirkte:

Die Saat ging auf 

Um 1800 schien der katholische Glaube in Österreich ausgetilgt. Es war nach menschlicher Berechnung undenkbar, dass er noch einmal wiederkommen könnte. Woher auch?

Dass er wider alle menschliche Voraussicht dennoch auferstand, ist in der Tat unbegreiflich. Geheimnisvoll bleibt die Erscheinung des einen Mannes, an dem die österreichische Kirche aus der Asche stieg. Es war ein Priester aus Mähren, ehemals Bäcker, der heilige Klemens Maria Hofbauer. Der kam, von den Franzosen aus Polen vertrieben, 1808, sechsundfünfzig Jahre alt, nach Wien, und da hatte, wie Anton von Klinckowström in seiner Biographie Friedrichs sagt, das neue Ninive, seinen Jonas gefunden. Den Behörden verdächtig, arm und bloß, unbekannt in der heiteren Stadt, fing er sein Werk still zu bereiten an, dem mächtigen Sedlnitzky (Anm: Graf Joseph Sedlnitzky war ein Hofbeamter und Leiter der Polizei- und Zensurhofstelle) noch sehr zum Verdrusse, dem bald der Eifer einen geheimen Gesellschaft von Studenten und jungen Beamten gemeldet wurde, mit dem Ziele, „die katholische Religion wieder so in Ausübung zu bringen, wie sie in den ersten Zeiten des Christentums in Ausübung war“.

Der Heilige wird als ein ungezierter, schlichter, ja derber Mann geschildert, kindlich heiter, eher wortkarg, einfach fast bis zur Einfalt, in Demut ergeben, aber glühend und von einer bezwingenden Gewalt des die Herzen aufschlagenden Blicks. Wodurch er eigentlich so tief und weit gewirkt, weiß uns kein Zeitgenosse recht zu sagen, und wenn Zacharias Werner (Anm.: deutscher Dichter, katholischer Priester und Prediger) ihn mit Napoleon und Goethe verglich, so wird damit doch auch wieder nur die Macht, die von ihm ausging, ersichtlich, nicht aber, wie sie gewirkt hat. Ein großer Redner war er nicht, noch durch irdische Weisheit ausgezeichnet. Wir hören eigentlich nur immer, dass er mit den jungen Leuten gern spazieren ging, in den Prater oder auch über Land, und davon kamen sie dann wie „ganz umgewandelt“ heim.

Wer aber gar bei ihm beichtete, verfiel ihm. Da war ein Student, eines Beamten Sohn, weltlich erzogen, zum Juristen bestimmt, der sich zunächst vielleicht mehr aus bloßer Neugierde, von einem Kameraden beim Hofbauer einführen ließ, womit „das Unglück“ begann, heißt es in einem Brief seiner Tante. Er ging in sich, war wie verwandelt und gestand den Eltern den Wunsch Priester zu werden, worüber seine gute Mutter so erschrak, dass sie in ihrer Verzweiflung zum Kaiser lief. Der Kaiser, ihrem Gatten für seine und der Seinen Verdienste, so zugetan, dass er ihm vor Jahren schon den erbländischen Adel verliehen hatte, hörte sie gütig an und versprach, es durch die Polizei untersuchen zu lassen. Doch half auch das nichts, der Sohn blieb fest und ist dann der Kardinal Rauscher geworden, Fürsterzbischof von Wien, der Mittler des Konkordats. Da war ferner ein Professor, vordem an der Salzburger, damals an der Wiener Universität, ein typischer Josephiner recht nach dem Sinne der Zeit, bis er, schon an die fünfzig, mit Hofbauer bekannt wurde; der wendete sein Herz um, nun meinte dieser Roman Zängerle nicht mehr „mit den Wölfen heulen zu müssen“ und hat dann als Fürstbischof von Seckau die Steiermark den Josephinern entrungen, wie Gregorius Thomas Ziegler, auch ein Jünger Hofbauers, Oberösterreich; er starb als Bischof von Linz, ihm folgte Rudigier.

Hofbauer hat auch Klickowström und Friedrich Schlosser bekehrt, Grillparzers Base, Maria Rizzy, war sein Beichtkind, Clemens Brentano, Friedrich Schlegel und Dorothea, Emanuel Veith, Adam Müller und Eichendorff ließen sich von ihm führen, auch der seltsame Philosoph Anton Günther taucht bei ihm auf und Karoline Pichler geht ihm nach wie Gewey, der Eipeldauer. Er muss die Menschen ganz unmittelbar ergriffen haben, bloß durch die gewaltige Wahrheit seines Wesens: er sah sie an und sie glaubten. Kein äußerer Glanz war an ihm, keine Kunst der Überredung besaß er, aber der inneren Macht seiner Gegenwart widerstand niemand. Man begreift, dass er der Polizei höchst unheimlich war. Sie wusste sich gar nicht zu helfen. Mit ihm war in der ahnungslosen Stadt der Geist erschienen. Darauf konnten die Behörden nicht gefasst sein, er ließ sich nichts verbieten, man kommt mit allen Paragraphen einem Manne nicht bei, der durch die Wahrheit seines bloßen Daseins wirkt. Sie atmeten auf, als er starb. Dass er nun erst überall im Lande zu Leben begann, konnten sie nicht wissen. Von diesem Toten aus ist Österreich wieder katholisch geworden.

In jener Audienz der Mutter Rauscher fällt auf, wie der Kaiser dabei fast verlegen scheint. Die Mutter klagt, dass ihr Sohn in die Gesellschaft des Paters Hofbauer geraten. „Lassen Sie ihn dabei“, antwortete der Kaiser. Er will offenbar keine Klagen über Hofbauer hören. Und da sie dennoch nicht ablässt, fragt er: „Wie waren denn die Sitten Ihres Sohnes vorher?“ Und schließlich weiß er sich und ihr keinen Rat, als dass er verspricht, „es durch die Polizei untersuchen zu lassen“. Man hat den Eindruck, dass er dem Heiligen geneigt ist, doch ohne Mut, für ihn einzustehen. Wie man überhaupt den Eindruck hat, dass er, josephinisch aufgewachsen, um 1809 herum selbst innerlich ein anderer wird, aber nach außen hin, durch Furcht oder Scham geschwächt, nichts davon merken lassen will. Die Not der Zeit mag ihn ins Herz getroffen haben, aber der Stimme seines Herzens zu folgen, hat ihm die Kanzlei nicht erlaubt. Er tastet nirgends den Josephinismus an, wenn er ihn auch in der Ausführung sachte zu lindern zuweilen schüchtern versucht. Das Österreich der Restauration, das Österreich der heiligen Allianz bleibt josephinisch. Immer wieder sucht der Kaiser einen Weg nach Rom, doch scheint er zu meinen, auch der josephinische führe dahin. Vielleicht hat Görres an Franz und Metternich gedacht, als er in seinem Athanasius schrieb, dass „zwischen Christus und Belial eine rechte Mitte nicht wohl zu finden ist, obgleich die meisten unserer Staatsmänner unausgesetzt nach ihr suchen“. Franz hat seit 1810 immer wieder mit dem Papst unterhandelt, zuletzt noch in den dreißiger Jahren durch den mächtigen Aristaces Azaria, den Erzbischof von Cäsarea und Generalabt der Mechitaristen in Wien. Es blieb vergeblich, die Kanzlei war stärker als der Kaiser. Sterbend bat er Metternich noch: „Ich lege meine Ruhe im Grabe in Ihre Hände.“ Aber der Kanzler war ohnmächtig wie der Kaiser. Auch Metternich, selbst dem romantischen Kreis geistig nahe, konnte den Kanzleisinn nicht brechen.

Indessen nahmen die Jünger Hofbauers still die Herzen ein, und seine Saat ging auf.