Wohl, nun kann der Guss beginnen!

24. Mai 2023
Quelle: Distrikt Österreich

Wohl, nun kann der Guss beginnen! (Aus: „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller)

Seit vielen Jahrhunderten ist es selbstverständlich, dass zu einer Kirche auch das Geläut ihrer Glocken gehört, die mit ihren weithin hörbaren Stimmen die Gläubigen zum Gebet zusammenrufen. Ursprünglich stammen Glocken aus heidnischer Zeit, im 4. bzw. 5. Jahrhundert finden wir sie erstmals im Christentum. Vermutlich wurden sie von den Bischöfen Severus von Neapel, Paulinus von Nola und dem Kirchenvater Hieronymus in den liturgischen Dienst eingeführt. Seither stellen die Glocken das weithin hörbare, akustische Symbol für die christliche Botschaft dar.

Die Glocken sind also die Stimme einer Kirche, aber diese Stimme fehlte der Wiener Minoritenkirche nun schon seit über hundert Jahren. Im Jahr 1907 erhielt der Hauptturm der Kirche vier neue Glocken, welche in Trient, Italien, gegossen wurden. Jedoch, nur wenige Jahre später, bei Kriegsausbruch im Jahr 1914, wurden drei der vier Glocken für Kriegszwecke beschlagnahmt. Eine einzige Glocke, die nach dem hl. Antonius benannt ist, verblieb verwaist an ihrem Platz hoch oben im Turm und niemand weiß, wann sie zuletzt geläutet werden konnte.

 

Ein Glockenspiel für die Minoritenkirche

Es war in der Fastenzeit 2022, als einer der Gläubigen die Idee hatte, ein Glockenspiel für die Minoritenkirche errichten zu lassen, er erklärte sich spontan bereit, selbst eine Glocke zu spenden und auch andere Spender für diese Idee zu begeistern. Glockenspiele haben eine alte Tradition, besonders im nordeuropäischen Raum, wo es sie schon seit mehr als 500 Jahren gibt. Jede der einzelnen Glocken steht für einen Hauptton, dieser Ton wird durch einen Hammer erzeugt, der von außen an die Glocke schlägt.

Nach monatelangen Vorbereitungsarbeiten war es dann soweit: am 17. Mai 2023 sollten elf Glocken in der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck gegossen werden. Die größte Glocke sollte einen Durchmesser von 42 cm haben,  50 kg wiegen und im Ton C3 gestimmt sein, die kleinste misst 20 cm und ist 10 kg schwer. Für die Aufhängung ist eine Erweiterung des Glockenstuhles mit Eichenholzbalken erforderlich, in der Zukunft wäre das Glockenspiel sogar auf insgesamt 24 Glocken erweiterbar.

Das traditionsreiche Familienunternehmen Grassmayr in Innsbruck wurde im Jahr 1599 gegründet und nun werden bereits in der 16. Generation Glocken gegossen, was der Firmeninhaber, Johannes Grassmayr, auf einen besonderen himmlischen Segen zurückführt, der auf seinem Unternehmen ruht. Er und seine Schwester erklärten uns eindrucksvoll die Technik des Glockengießens und führten uns durch die Firmenräume.

 

Wie entsteht eine Glocke?

Glocken bestehen zu 80 % aus Kupfer und zu 20 % aus Zinn, die beim Schmelzvorgang mit einem Fichtenstab verrührt werden. Aber bevor es so weit ist, sind noch viele einzelne Schritte nötig. Wir erfahren, dass es nur in Europa Glockengießer gibt und dass selbst Bestellungen aus China bei diesem österreichischen Unternehmen eintreffen. Das Geheimnis der Glockenberechnungen ist ein sorgfältig gehütetes Familiengeheimnis, das durch Forschungen laufend erweitert und an die nächste Generation übertragen wird.

Die Form einer Glocke bestimmt ihren Ton und daher muss diese Form millimetergenau berechnet werden, wobei auch die Verzierungen und der Name der Glocke mit einkalkuliert werden müssen. Jede Glocke ist also ein Einzelstück. Beim Anschlagen einer Glocke nimmt man den sog. Schlagton wahr, der eigentlich aus über 50 Einzeltönen besteht, die sich aus der Relation der Wandstärke zum Durchmesser ergibt. Die Kunst besteht nun, diese Teiltöne sowohl innerhalb einer Glocke als auch im Geläute mehrerer Glocken zueinander in eine klangliche Harmonie zu bringen.

Zunächst wird die Form der Glocke berechnet, auf eine Schablone übertragen, was eine Arbeit darstellt, bei der Bruchteile von Millimeter entscheiden. Nun wird eine Glocke aus Lehm hergestellt, die der Form der zukünftigen Glocke entspricht, man nennt diese auch „Stellvertreterglocke“. Diese wird auf einen gemauerten Ziegelkern gestellt und wenn sie geformt ist, mit einer Trennschichte aus Wachs und Asche übergossen. Nun kommen die Verzierungen auf diese Glocke, die zuvor aus Wachs hauchdünn geformt wurden. Danach wird die „falsche“ Glocke in einen Lehmmantel gepackt und mit Eisenringen umhüllt, der Lehmmantel wird schließlich hochgehoben und die falsche Glocke entfernt. Der Mantel hat nun den Abdruck der Glocke samt Verzierungen angenommen, er muss einem großen Druck standhalten, der während des Gießens auf ihn einwirkt. Große Glocken müssen daher in die Erde eingegraben werden, bei kleinen Glocken genügt ein Eisenmantel, der die Form zusammenhält, sodass kein Metall austreten kann. Nun wird das Metall geschmolzen, bei großen Glocken wird auf 1100 Grad, bei kleinen auf 1200 Grad erhitzt und jetzt erfolgt der Guss in den Hohlraum zwischen Kern und Mantel. Danach muss die Glocke - je nach Größe – über Tage oder sogar Monate abkühlen.

 

Der Glockenguss – ein liturgischer Akt

Bei diesem Schritt, dem Guss der Glocken, durften wir – ca. 40 Personen – anwesend sein. Der Glockenguss ist im Grunde genommen ein liturgischer Akt, bei dem immer vorher ein Gebet und eine Segnung aus dem Rituale vorgesehen ist. Nach dem gelungenen Guss folgt noch ein Gebet zur Danksagung. Der Distriktobere des österreichischen Distriktes, P. Johannes Regele, sprach das folgende Gebet in Latein und segnete die Formen und das flüssige Metall mit Weihwasser:

„Allmächtiger ewiger Gott, der Du selbst unbelebten Geschöpfen die Ehre verleihst, damit sie für deine Anbetung bestimmt sind: Wir flehen zu Dir, gieße Deinen Segen auf dieses Metall und gewähre, dass, wenn die Bäche des Feuers strömen, durch deine rechte Hand und deine schützende Gnade das Metall eine geeignete Form annimmt, um eine Glocke zu bilden, bei deren Geläut sich die Gläubigen in der Kirche zu Deinem Lob und Ruhme versammeln können. Durch Christus, unseren Herrn, Amen.“

Es folgte nun der Guss „unserer“ Glocken in zwei Schritten, beim ersten wurden 220 kg Metall gegossen, beim zweiten, eine Stunde später, nochmals 180 kg. Es war für alle Anwesenden äußerst eindrucksvoll, den hoch professionell agierenden Glockengießern bei ihrer äußerst gefährlichen Arbeit mit dem flüssigen Metall, das eine Temperatur von 1200 Grad hatte, zuzusehen. Schlagartig stieg die Temperatur im Raum, als sie mit den Gefäßen, die auf einem Gestell transportiert wurden, erschienen. Zuvor hatte uns der Firmenchef zu absoluter Ruhe aufgefordert, damit man sich auf die Arbeit konzentrieren konnte.

Der Guss aller Glocken ist gelungen und alle, auch der Firmenchef und seine Angestellten beteten gemeinsam mit uns ein Vaterunser sowie ein Ave Maria zur Danksagung und alle sangen zum Abschluss „Großer Gott, wir loben Dich“. Die Glocken werden nun über einige Tage auskühlen, bis sie dann aus ihrer Form geschlagen werden, diesen Arbeitsschritt nennt man die Geburt der Glocke. Anschließend werden die Glocken noch gereinigt und poliert.

 

„Soll eine Stimme sein von oben, wie der Gestirne helle Schar, die wandelnd ihren Schöpfer loben….“ (Friedrich Schiller)

Den Spendern der Glocken sei an dieser Stelle ein besonderes Vergelt’s Gott ausgesprochen! Auch der Firma Grassmayr sei hier für ihren außergewöhnlichen Einsatz gedankt, sowie für die Glocke, welche die Firma gespendet hat. Am 10. September werden unsere Glocken in der Wiener Minoritenkirche geweiht werden und ihren Platz hoch über den Dächern der umliegenden Regierungsgebäude finden. Glocken können die Herzen der Menschen bewegen, dafür gibt es unzählige Beispiele in der Geschichte. Der Klang ein- und derselben Glocke kann als fröhlich oder traurig empfunden werden. Je nach Gemütslage nehmen wir bei traurigen Ereignissen die Moll-Akkorde, bei fröhlichen Anlässen die Dur-Akkorde der Glocke subjektiv wahr.

Unser Glockenspiel wird u.a. die Loblieder „Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat“ und „Großer Gott, wir loben Dich“ spielen und so Gottes Lob über unserer Stadt Wien verkünden. Mögen unsere Glocken mit ihrem Klang die Herzen der Menschen erreichen und diese zu Gott wenden und mögen sie so dazu beitragen, dass Wien mit Gottes Hilfe und Seinem Segen wieder zu einer wahrhaft katholischen Stadt wird!

 

Die feierliche Glockenweihe findet am Sonntag, 10. September 2023 in der Wiener Minoritenkirche statt.

Das genaue Programm der Feierlichkeiten anläßlich der äußeren Feier des Hochfestes Mariä Namen mit Glockenweihe und Marienprozession wird in den nächsten Wochen mitgeteilt.