Zweck der Herz-Jesu-Verehrung

08. Juni 2023
Quelle: Distrikt Österreich

„Bleibet in meiner Liebe!“ (Joh 15, 9.) Diese rührende Bitte stellte der Heiland als letzten Wunsch am Vorabend Seines Todestages an Seine Jünger. Sie ist auch an einen jeden von uns gerichtet und spricht unsere höchste Lebensaufgabe aus: Wachstum in der Liebe zu Jesus Christus. Diese Liebe soll uns ganz erfüllen und so stark werden, dass sie alle widerstreitenden Neigungen besiegt. Jesu Liebe soll in uns herrschen und regieren, bis sie uns triumphieren macht in der Seligkeit des Himmels.

Das ist nun das erste und Hauptziel der Herz-Jesu-Verehrung: die Liebe zu Jesus zu mehren und zu entflammen. Wiederum ist es der göttliche Erlöser selbst, Der uns hierüber Gewissheit gegeben hat. Seine treue Jüngerin Margareta Maria Alacoque berichtet: „Der liebe Heiland hat mir geoffenbart, dass Sein sehnlichster Wunsch, von den Menschen geliebt zu werden, Ihn angetrieben habe, ihnen Sein Herz zu erschließen.“… Denn die Menschen zu Seiner Liebe zu führen ist das Hauptziel, das Er durch diese Andacht anstrebt“.

Es gibt nun in der Tat keine andere Andacht, die so für diesen Zweck geeignet wäre, weil keine uns den Heiland so kennen und verstehen lehrt wie die Verehrung Seines Herzens.

Die Erkenntnis geht der Liebe notwendig voraus: um Jesus recht zu lieben, muss man Ihn zuerst recht erkennen. Nun führt uns gerade die Herz-Jesu-Verehrung in diese tiefere Erkenntnis ein; sie offenbart uns das innere Leben des Heilands. Die Schönheit seines Charakters, die Vorzüge Seiner heiligsten Seele, Sein edles, tiefes Empfinden, Seine barmherzigen Absichten; vor allem Seine treue, todesstarke Liebe treten uns in Seinem Herzen am strahlendsten entgegen. Den eifrigen Verehrern des göttlichen Herzens wird das Allerheiligste an unserem liebenswürdigen Erlöser geöffnet, und sie schauen eine neue Welt voll ungeahnter Herrlichkeiten. Die rechte Herz-Jesu-Verehrung ist eine wahre Hochschule der Erkenntnis und damit der Liebe Jesu Christi.

Wenn der Heiland so wenig wahre, treue Liebe findet, so hat dies seine Ursache größtenteils darin, dass Er so wenig ganz verstanden wird. Wir nennen oft Seinen Namen, sprechen viel von Seinem Leben, Leiden und Sterben; aber unser Geistesauge haftet nur an der Oberfläche. In die Tiefen Seiner Seele steigen wir nicht hinab, und die schönsten und weihevollsten Seiten Seines Lebens bleiben uns verborgen. Diese nun will die Herz-Jesu-Verehrung uns enthüllen. Kennen wir den Heiland zuerst nur von Ferne, vom Hörensagen, so kommen wir Ihm durch diese Andacht näher. Das Halbdunkel, das Ihn für uns umgab, hellt sich immer mehr auf. Ein heiliges, freudiges Ahnen durchzieht unsere Seele, wie das Morgendämmern, das dem Sonnenaufgang vorausgeht. Wie wohl tut dieses Licht, das Jesu Herz uns zustrahlt, und das sanft zunehmend die Geheimnisse seiner Innenwelt uns erkennen lässt. Und wir schauen und schauen und werden trunken und warm von den Herrlichkeiten, die wir am Heiland entdecken. Die Liebe regt sich und zieht uns machtvoll hin zu dieser Fülle von Schönheit und Güte. Nun verstehen wir es, warum der Apostel ausrufen konnte: „Ich erachte alles für Schaden um der alles übertreffenden Erkenntnis Jesu Christi willen!“ (Phil 3, 8.). Ja, diese Erkenntnis macht, dass Jesus schließlich allein noch Wert für uns hat, allein aller Liebe würdig scheint. Jesus gut kennen, heißt Ihn vollkommen lieben.

Der zweite Zweck dieser Andacht ist die Sühne. Er folgt notwendig aus dem ersten. Wenn wir Jesus wahrhaft lieben, dann wird uns erfreuen, was Ihn erfreut, und wir werden trauern über das, was Ihn schmerzt. Die Liebe wird uns naturgemäß dazu drängen, alles Unangenehme von Ihm fernzuhalten und für Seine Ehre und Verherrlichung zu eifern.

Nun sehen wir aber allenthalben, dass Jesu Liebe außerordentlich viel verkannt und mit großem Undank, ja oft mit Beleidigung vergolten wird. Das gilt von der Geringschätzung Seines bitteren Leidens und Sterbens und der dadurch erlösten Menschenseelen; es gilt am meisten aber von den schweren Kränkungen und absichtlichen Verunehrungen, die ihm im Allerheiligsten Altarssakramente zugefügt werden.

Für diesen Abbruch an Anbetung und Dank, für diese Missachtung und gleichgültige Behandlung, für die Geringschätzung und Verachtung Seiner Liebe und gnadenvolle Herablassung wollen die Herz-Jesu-Verehrer dem Heiland Ersatz, Sühne und Abbitte leisten. Was die Undankbaren und Gleichgültigen Ihm vorenthalten und verweigern, was die Sünder und Gottlosen Ihm rauben, wollen sie durch vermehrten Eifer an Anbetung, Dank und Liebe ihm ersetzen. Er soll durch die gesteigerte, heiße Liebe seiner getreuen und dankbaren Kinder die Unbill gleichsam vergessen und nicht mehr empfinden, die ihm die missratenen und herzlosen Kinder zufügen.

Dieses Sühneverlangen wächst aus der wahren Liebe zu Jesus notwendig heraus. Die Liebe offenbart sich als echt und stark gerade in den Leidensstunden. Dann bewährt sich der wahre Freund; er sucht den leidenden Freund zu trösten; ihm zu helfen, sein Leid zu vergessen; entstandene Verluste und Schädigungen auszugleichen; dem Schmerz und Kummer die Schärfe zu nehmen; die eigene Treue und Anhänglichkeit umso lebhafter zu offenbaren, damit der trauernde Freund darin Ersatz findet für die Enttäuschungen, die andere ihm bereiten. – So wird auch der wahre Herz-Jesu-Verehrer an seinem göttlichen Freund handeln. Nicht nur Worte der Liebe wird er sprechen, sondern mit treuem Eifer Werke der Genugtuung und Sühne vollbringen und wo immer er kann, für vermehrte Anbetung und Verherrlichung, Verehrung und Liebe des göttlichen Herzens sorgen.