2025: 50. Todesjahr des großen Kardinals József Mindszenty

Es ist der 26. Dezember des Jahres 1948. Über dem Sitz des Primas von Ungarn in Esztergom (Gran) bricht die Nacht herein. Josef Kardinal Mindszenty betet. Da fliegt die Tür auf. Ein ungarischer Polizeioberst namens Gyula Decsi stürmt herein, hinter ihm drängen Schergen nach: "Du bist verhaftet". Der Kardinal fragt nach dem Haftbefehl. "So etwas brauchen wir nicht", antworten sie höhnisch lachend. Sie packen ihn, führen ihn ab und zerren ihn in ein Auto mit verhangenen Fenstern. Später schreibt er: "Ich versuchte, den Rosenkranz zu beten. Ich konnte nicht. Nur die Worte der Schrift kamen mir in den Sinn: ‘Dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis‘ (Lk 22,53)".
Sie schleppen ihr Opfer zur Andrassy Straße Nummer 60 in Budapest, ein Haus, das schon der Gestapo als Folterkammer diente. Oberster Folterknecht des kommunistischen Terrorsystems ist Generalleutnant Gábor Péter, ein sadistisches Ungeheuer, der den Torturen selbst beiwohnt, angefangen mit Keulenschlägen auf die Nieren bis hin zum Nadelstechen unter die Fingernägel. Die Bestie lebte noch in den 80er Jahren, irgendwo in Budapest, ohne Namensschild an der Haustür. In einem feuchtkalten Untergeschoß greifen sich ein Polizeimajor und ein dümmlicher Geheimpolizist vor einer kichernden Schar den Kardinal, ziehen ihn völlig aus und geben ihm die Kleider eines orientalischen Clowns. “Du Hund, wie lange haben wir auf diesen Moment gewartet“, keucht der Major. Dann führen sie ihn in eine Zelle hinauf, in der eine alte Couch steht. Aber keinen Moment lassen sie ihn schlafen. Grob, schmutzig und ungeschlacht reden sie auf ihn ein. Gegen 23 Uhr wird er zum ersten Verhör vor Decsi geschleppt. Erste Frage: “Warum bist Du ein Feind Deines Landes geworden?“ Seine Antwort wird sofort abgeschnitten. “Die Angeklagten haben hier das Geständnis abzulegen, das wir wollen und wie wir es wollen“, schreit Decsi, der später ein hoher Funktionär auf dem Bildungssektor war. Um drei Uhr nachts bringen sie den Kardinal in seine Zelle zurück und befehlen ihm, sich zu entkleiden. Er weigert sich. Gewaltsam ziehen sie ihn aus.
Ein riesiger Kerl in Leutnantsuniform tritt vor und schlägt mit einem Gummiknüppel wie wild auf den entblößten Körper des Primas ein. Dieser stöhnt unter den nicht enden wollen den Schlägen auf und verliert das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kommt, verlangen sie seine Unterschrift unter einem Geständnis. Er weigert sich. “Bringt ihn zu rück !“ Wieder Schläge. Wieder verlangen sie sein Geständnis. Und wieder weigert er sich. Und wieder ziehen sie ihn aus, schlagen auf ihn ein, während die anderen höhnen und spotten. Aber er verweigert immer noch seine Unterschrift. Sie bringen ihn in die Zelle zurück. Der Tag bricht an. Eine ganze Nacht lang konnte er ihnen widerstehen. Aber er weiß: Früher oder später bricht jeder Mensch unter dieser Folter zusammen. Allein die Androhungen haben schon manchen zum Spitzel oder Informanten gemacht. An diesem ersten Tag lehnt er Nahrung und “Medikamente“ ab. Er versucht zu beten. An seinem ganzen Körper und in seiner ganzen Seele spürt er die fürchterliche Gewalt des Bolschewismus, die auf seinem Land lastet. Tiefe Angst um Ungarns Jugend erfüllt ihn. Jedes Mal, wenn seine Peiniger glauben, daß er bete, brechen sie in wüste und obszöne Redensarten aus. Der Primas aber wendet sein Herz Maria, der Schutzpatronin Ungarns, zu. So begann ein langes Martyrium eines Kardinals der heiligen römischen Kirche, viele Jahre Gefangenschaft, Folter, Entbehrungen.
Es war dies zu einer Zeit, als in den westlichen Ländern manche Bischöfe und Kardinäle sich dem Liberalismus zuwandten, dem Neomodernismus, dem Geist der Welt, obwohl der 2. Weltkrieg kaum zu Ende war und doch alles plötzlich sehr schnell ging mit den stillen Vorbereitungen für die Revolution in der Kirche. In Ungarn hingegen sehen wir das heroische Verhalten des Primas, der für den Glauben, für die katholische Kirche, für das katholische Ungarn litt.
Schlimmer als all diese furchtbaren Jahre in den Gefängnissen war aber für Kardinal Mindszenty das Verhalten des Vatikans, die furchtbare und verräterische Ostpolitik des Staatssekretariats und auch das feige Verhalten des Papstes, der sein Versprechen von 1971 gebrochen hat, Mindszenty nicht seines Amtes als Erzbischof und Primas zu entheben. Mit tiefem Bedauern musste der greise Kardinal gegen Ende seines Lebens öffentlich klarstellen, daß er nicht abgedankt habe, sondern von Paul VI. 1974 abgesetzt worden sei. Er akzeptierte die Entscheidung. Seine Memoiren aber schließen mit den bitteren Worten: "So stand ich nun an der Pforte zum totalen Exil."
Vor 50 Jahren, am 6. Mai 1975, starb der Kardinal-Erzbischof von Gran und Fürstprimas von Ungarn József Mindszenty. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte er im Wiener Spital der Barmherzigen Brüder. Auf seine Bitte stellte man sein Bett so, dass er den Turm vom Stephansdom sehen konnte. Das Krankenhauspersonal berichtete, dass er am 6. Mai um 14.15 Uhr wie ein Heiliger starb. Er wurde im Stephansdom aufgebahrt und am 15. Mai wurde er – auf seine Bitte, übergangsweise – in der Basilika Maria Zell bestattet. In seinem Testament schrieb er: „Wenn der Stern des Unglaubens von Moskau über das Land der heiligen Maria und des heiligen Stephans niedersinkt, soll mein Leichnam in die Krypta der Kathedrale von Esztergom überführt werden.“
Kurze Zeit später besuchte Erzbischof Marcel Lefebvre, am 8. September 1975, den Wallfahrtsort im Herzen Österreichs, wo er in einer Predigt an den hochverehrten Kardinal erinnerte. „… Er, der für uns alle ein Vorbild des Glaubens war, ein Mann der sich allen Feinden der Kirche und allen jenen mutig entgegenstellte, die diesen Glauben, das Unterpfand des ewigen Lebens, ohne den ein katholischer Christ nicht leben kann, aus unseren Herzen reißen wollen. Wir bitten also auch durch die Fürsprache des Kardinals Mindszenty die Allerseligste Jungfrau Maria, heute den Glauben in unseren Herzen, in unseren Seelen zu vermehren, damit wir uns wahrhaft zu denen zählen dürfen, die unerschütterlich zum Credo der katholischen Kirche und zum katholischen Priestertum stehen.“ (aus: Damit die Kirche fortbestehe, S.133).
Kardinal Mindszenty fand also bei der Magna Mater Austriae, die ja immer auch von den Ungarn als die Magna Domina Hungarorum verehrt wurde, seine vorläufige letzte Ruhestätte, bis es schließlich zum Fall des Eisernen Vorhangs kam, wo nicht nur er nach Ungarn in seine Bischofskirche zur letzten Ruhe zurückkehrte, sondern auch die Priesterbruderschaft St. Pius X., vor genau 35 Jahren, ihr Apostolisches Wirken in diesem einst so katholischen Land beginnen konnte.
Nach seinem Testament sollten seine sterblichen Überreste erst dann nach Esztergom überführt werden, wenn der Stern der Moskauer Gottlosigkeit vom Himmel Mariens und des hl. Stephans fällt. Dies erfolgte nach dem Abzug der Sowjets am 4. Mai 1991. Auf seinem Grab wurde die lateinische Aufschrift angebracht: „vita humiliavit - mors exaltavit”, d.h. „Das Leben hat (ihn) erniedrigt, der Tod hat (ihn) erhöht”. Bei der Öffnung seines Grabes am 1. Mai 1991 war sein Leib, der einst von den Kommunisten so furchtbar gefoltert wurde, unverwest.
Wir werden in diesem Jahr 2025 besonders an diesen großen Kardinal, den ehrwürdigen Diener Gottes József Mindszenty, erinnern und empfehlen, die 1974 erschienenen beeindruckenden "Erinnerungen" des Kardinals zu lesen. Leider sind sie derzeit nur antiquarisch erhältlich.

Der Kardinal-Erzbischof von Gran und letzte Fürstprimas von Ungarn