400 Jahre italienische Kongregation Maria Schnee in Wien

Quelle: Distrikt Österreich

Aus dem Archiv der Kongregation an der Wiener Minoritenkirche

400 Jahre italienische Kongregation Maria Schnee (1625-2025)

Ein erster Beitrag zum Jubiläum der an der Wiener Minoritenkirche ansässigen marianischen Kongregation der Italiener in Wien. Allein sechs Päpste (z.B. Pius VI., Gregor XVI., Pius IX.) dürfen wir als Mitglieder unserer Kongregation an der Minoritenkirche zählen. Pius VI. hatte sich eigenhändig ins Goldene Buch der marianischen Kongregation bei seinem Besuch in Wien 1782 eingetragen.

Die Marianischen Kongregationen entstanden im Jahre 1563 unter den Studenten Roms. Damals versammelte ein junger Jesuit, P. Johannes Leunis, im Jesuitenkolleg zu Rom seine Lateinschüler an den Samstagen um einen schlichten Marienaltar. Eine Ansprache des Priesters, ein Gebet und ein Lied galten der Ehre Mariens. Diese ersten Kongreganten (Sodalen) zeichneten sich durch ein gutes Tugendstreben und einen geläuterten echten Eifer aus. Die Zahl der Mitglieder wuchs bald an. 1577 belobigte der Papst diese segensreiche Einrichtung und am 5. Dezember 1584 gab Papst Gregor XIII. die feierliche Bestätigung. Zu dieser Zeit waren bereits 30.000 Sodalen eingetragen. Die römische Kongregation wurde zur Mutterkongregation aller künftigen Kongregationen (auch der 1625 gegründeten Marianischen Kongregation der Italiener in Wien).

Der einstige Rektor der Wiener Minoritenkirche Don Giovanni Battista Salvadori (1836-1900) berichtet in seinem großen Werk aus dem Jahr 1894 über die Italienischen Kongregation und die Wiener Minoritenkirche, dass ab Mitte des 16. Jh. ein reger Handelsverkehr zwischen Italien und Wien bestand, Wein, Seiden- und Wolltücher, Südfrüchte und Delikatessen wurden gegen Harze, Bernstein, Gold und Silber gehandelt. Italiener begannen damals auch das Wiener Bürgerrecht zu erwerben. Don Salvadori gibt hierzu eine ausführliche Namensliste an, darin vertreten sind Goldarbeiter, Ballmeister, Maler, Maurermeister, Stuckaturarbeiter, Kaufleute und Vertreter anderer Berufe. 

Diese große italienische Präsenz ermöglichte, vergleichbar einem Ferment, die Formung einer eigenen italienischsprachigen Kongregation im Schoß der Societas Jesu. Salvadori nennt den 5. August 1625 als Gründungsdatum der Italienischen Kongregation, als Begründer führt er P. Guglielmo Lamormaini SJ an, den Präpositus des Professhauses Am Hof, Beichtvater von Kaiser Ferdinand II. und Professor an der Universität Wien. Dieses Gründungsdatum wird in einem losen Dokument im Faszikel 71 im Archiv der Italienischen Kongregation überliefert. Im Protokoll-Buch der Versammlungen von 1774-1791 findet sich hingegen das Jahr 1626 als Gründungsjahr. Es ist zu bemerken, dass auf den 5. August das Fest „Maria Schnee“ (Ikone Salus Populi Romani in der römischen Basilika S. Maria Maggiore) fällt und die Bezeichnung der Italienischen Kongregation mit diesem marianischen Titel - gemäß der uns vorliegenden Quellen - jedoch erst geraume Zeit später erfolgte, was eine erstaunliche Koinzidenz darstellt. Für die Wahl dieses Datums könnte jedenfalls die Verehrung einer Ikone der Maria Schnee in der Kirche Am Hof, bzw. im Professhaus, die sich dort befunden haben soll, sprechen. 

Als ersten Titel der Italienischen Kongregation nennt Salvadori „della Presentazione e di San Rocco“ bzw. „Maria Opferung und des heiligen Rochus“ und erwähnt, dass Versammlungen und Andachtsübungen anfangs in einem Oratorium der Jesuitenresidenz Am Hof (des Professhauses) abgehalten wurden. Als ersten Präfekten nennt er den Hofarchitekten Giovanni Battista Carlone, ab 1640 Wiener Bürger, als Assistenten Herrn Antonio Canavale und Simeone Zettacco und als ersten Padre Predicatore P. Marcantonio Mambelli SJ aus Forlì, gefolgt von P. Giovanni Battista Faber SJ. Letzterem schreibt er die Überlieferung dieser Daten im Jahre 1645 zu mit Verweis auf Faszikel 71 im Archiv der Italienischen Kongregation. 

Die Vereinigung unterstand laut Don Giovanni B. Salvadori direkt einem jesuitischen Pater, der vom Orden zum Praeses (Padre Preside) der Kongregation bestimmt wurde. Dieser ernannte bzw. bestätigte jährlich die Mitglieder des Vorstands (Ufficiali della Congregazione), bestehend aus einem Präfekten (Prefetto), zwei Assistenten (Assistenti), vier Räten (Consultori) und einem Sekretär (Segretario) und verwaltete die Güter der Vereinigung, wobei er hierbei einzig dem Pater Provinzial zur Rechenschaft verpflichtet war. Es ist überliefert, dass damals im jesuitischen Professhaus insgesamt sechs marianische Kongregationen ihren Sitz hatten. 

Der Gründer: P. Wilhelm Lamormaini SJ , Beichtvater des Kaisers

Der jesuitische Geistliche Wilhelm Lamormaini gilt als Gründer der Italienischen Kongregation. Zum besseren Verständnis der Gründungszeit der Vereinigung ist es sinnvoll zumindest die wesentlichen Eckdaten seiner Biographie darzulegen. Er wurde am 29. Dezember 1570 am Bauernhof La Moire Mannie bei Dochamps (im belgischen Luxemburg) als Sohn von Eberhard Germain und seiner Frau Anna geboren. Bekannt ist auch ein Bruder namens Heinrich (1575-1647). Der Name Lamormaini leitet sich wahrscheinlich von der Bezeichnung seines Geburtsortes her. Pater Lamormaini studierte 1584-1585 zunächst am Jesuitenkolleg zu Trier Humanität und Rhetorik, anschließend 1586-1590 Philosophie am Prager Jesuitenkolleg wo er das Doktorat in Philosophie erwarb. 1590 trat er in Brünn als Novize dem Jesuitenorden bei und absolvierte 1592-1596 ein Theologiestudium in Wien. 1596 wurde er zum Priester geweiht und feierte im Mai seine Primiz. 

Er verbrachte zwei Jahre als Lehrer im Gymnasium zu Sellein (Ungarn), war Theologieprofessor in Prag und anschließend an der Jesuitenuniversität in Graz 1598-1604 als Professor für Philosophie und 1606-1612 als Professor für Theologie und 1613-1621 als Rektor tätig. Hier lernte er die erzherzogliche Familie gut kennen und schloss mit Erzherzog Ferdinand, der dort seit 1596 die Regierung übernommen hatte, eine echte Freundschaft. Diese bestand auch nach seiner Kaiserkrönung 1619 fort und so fungierte Lamormaini 1624-1637 auch als sein Beichtvater, hierbei löste er nach dessen Tod seinen Vorgänger Martin Becan SJ ab. In dieser Funktion hatte er eine wichtige Rolle als Ratgeber Ferdinands II. bei der Gestaltung seiner Politik und der Restauration des Katholizismus. Hierbei sah er die Einheit der katholischen Herrscher im Reich und in Europa als Grundlage seines Programms an, weswegen er sich für gute Beziehungen zu Bayern und für eine Versöhnung mit Frankreich einsetzte. Nach dem Tod des kaiserlichen Freundes am 15. Februar 1637 veröffentlichte Lamormaini das Werk Virtutes Ferdinandi II., Imperatoris Romanorum, das als Klassiker des Barock gilt. 

Lamormaini war 1622-25 und 1639-1643 Rektor des Kollegs in Wien, ab 1633 Praepositus des Wiener Professhauses und 1643- 1645 Provinzial der Österreichischen Ordensprovinz der Jesuiten. In den letzten Jahren seines Lebens war er vor allem schriftstellerisch tätig und verstarb am 22. Februar 1648. Betrachtet man die Gründung der Italienischen Kongregation in Kontext der wichtigen Stellung Lamormainis als Universitätsprofessor, Rektor des Wiener Jesuitenkollegs und als persönlicher Freund und Seelenführer des Kaisers und Akteur der Gegenreformation kann der Geist der jungen Herren-Kongregation der Italiener in Wien einigermaßen erahnt werden. 

Einen Eindruck des Geistes der Italienischen Kongregation jener frühen Zeit geben auch einige der farbigen Blätter des so genannten „Libro d’Oro“ (Goldenes Buch) dieser Vereinigung, also des historischen Prachtbandes mit dem Verzeichnis der Mitglieder. Blatt sieben und Blatt acht zeigen allegorische Darstellungen, welche das Haus Habsburg und seine Politik feiern. Ersteres zeigt Krieg spielende Putti, die mit Wappenschildern damaliger europäischer Großmächte versehen sind, etwa einen mit österreichischem Bindeschild versehenen Putto der mit einer Lanze gegen einen Putto mit schwedischem Drei-Kronen-Wappen vorgeht, mittig eine strahlende rot weiß rote Sonne, um diese das Spruchband "Occumbere nescit / Hac praeside et his custodibus" und darüber die Gottesmutter im Himmelsglanz. Letzteres beschwört bzw. feiert Kindersegen für das Haus Habsburg. 

So erahnen wir die Wichtigkeit dieser marianischen Kongregation, die sechs Päpste (z.B. Pius VI., Gregor XVI., Pius IX.) als Mitglieder zählen darf, ebenso Kaiser, Fürsten, Künstler wie Antonio Salieri, aber auch unzählige großartige Menschen aus dem einfachen Volk, fest im Glauben mit einer großen Liebe zur Gottesmutter.

Die marianischen Kongregationen waren und sind ein großes Apostolatswerk der katholischen Kirche, segensreich durch die Jahrhunderte wirkend. Denken wir etwa auch an seligen Priester und Bekenner Rupert Mayer mit seiner marianischen Männerkongregation in München. Echtes katholisches Apostolat, gerade auch das Jugendapostolat, ist immer ein marianisches Apostolat. 

Heuer begehen wir auch den 200. Todestag des Komponisten Antonio Salieri, der 50 Jahre lang, seit 1775, Mitglied unserer Wiener Kongregation war. Am Palmsonntag wird beim Hochamt um 11 Uhr die Hofkapellmeistermesse von Salieri erklingen und zum Proprium Passionsmotetten von Michael Haydn,  am Todestag (7. Mai) feiern wir ein Requiem für Antonio Salieri um 18 Uhr, ebenso wird bei anderen Gelegenheiten seine herrliche Musik erklingen.

Quellen:

Giacomo Christopher Borioni, Die Wiener Minoritenkirche und die Italienische Kongregation – Eckpunkte einer gemeinsamen Geschichte, Wien 2016

Giovanni Battista Salvadori, Die Minoritenkirche und ihre älteste Umgebung. Ein Beitrag zur Geschichte Wiens, Wien 1894

Don Elias Stolz, Rektor der Minoritenkirche mit großer Assistenz beim Hauptfest der Kongregation Maria Schnee am 5. August.