Die belohnte und gekrönte Demut Mariens (Teil 3)
Der Heimgang Mariens (Kirche Santa Maria dell'Anima in Rom)
Teil 3:
Dass diese vollkommene Entäußerung, diese von keinem anderen Geschöpf erreichte tiefe Demut den dreieinigen Gott, ich möchte sagen, mit Gewalt zu ihr herabzog, begreifen wir alle. Daher schreibt der heilige Bernhard: „Wenn sie durch ihre Jungfräulichkeit dem Allerhöchsten gefallen, so hat sie durch ihre Demut ihn empfangen!“ Ja, keine stand hienieden dem dreieinigen Gott so nahe, als sie, welche sich selbst vollständig vergaß, um Gott die Ehre zu geben. Der himmlische Vater liebte sie mehr, als die ganze übrige Schöpfung und verlieh ihr das einzig dastehende Vorrecht, denjenigen in aller Wahrheit ihren Sohn nennen zu dürfen, den er von Ewigkeit her gezeugt hat. Der Sohn erwählte sie zu Seiner Mutter, von welcher Er die menschliche Natur annehmen wollte und erhob sie hierdurch gleichsam in die Nähe der Gottheit. Der Heilige Geist endlich umfasste sie mit einer unbegreiflichen Liebe und wirkte in ihr ein Wunder, welches den ganzen Himmel mit Bewunderung erfüllte. Ja, „Gott erhöht die Demütigen.“ (Lk. 1, 52) „Die Niedrigen stellt der Herr hoch oben.“ (Job 5, 11) „Der Ehre geht die Demut voraus.“ (Sprichw. 15, 33.)“ „Gott richtet den Guten auf aus seiner Niedrigkeit und erhebt sein Haupt; und viele staunen über ihn und preisen Gott.“ (Jes Sirach 11, 13). So stand Maria hienieden dem erhabenen Gott so nahe, war Ihm so nahe, war mit Ihm so eng verbunden, wie kein Cherub, kein Seraph im Himmel es ist. Daher das tiefbedeutsame Wort des Engels: „Der Herr ist mit dir.“ (Lk 1, 28)
Die Königin des Himmels
Alsdann endlich die Stunde kam, in welcher sie ihr irdisches Leben beschloss, da wurde sie, welche hienieden die Demütigste gewesen, über alle anderen erhöht. Sie wurde die Königin des Himmels, die Nächste am Throne Gottes. Jetzt strahlt sie in wunderbarer Schönheit. Alle Bewohner des Himmels huldigen ihr als die gekrönte Lieblingstochter des himmlischen Vaters, als die glorwürdige Mutter Desjenigen, welchem alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden, als die makellos reine, einzig geschmückte Braut des Heiligen Geistes. Der heilige Bernhard sagt von ihr: „Maria demütigte sich, um wie vieles sie auch größer, als die übrigen war, nicht nur in allem, sondern auch vor allen. Mit Recht ist sie, die Letzte, jetzt die Erste von allen geworden, sie, welche, obwohl sie die Erste von allen war, sich zur letzten von allen gemacht hat. Mit Recht ist sie die Herrin aller geworden, welche sich als die Dienerin aller erwies. Mit Recht ist sie über alle Engel erhöht worden, welche in unerschütterlicher Sanftmut sich sogar unter die Büßer, unter diejenigen beugte, von welcher sieben Teufel waren ausgetrieben worden.“ (hl. Bernard). Und weil sie hienieden in ihrer Demut auf alle Ehre, alle Anerkennung von Seiten der Menschen hochherzig verzichtet, darum ist ihr jetzt zum Lohn auch die Erde geschenkt, die ihr huldigend zu Füßen liegt. Denn so, wie sie, die einst so demütige Jungfrau, wird keine Königin, keine Kaiserin hienieden gefeiert und gepriesen. Ihr Lob hallt wider von dem einen Ende der Welt bis zum anderen, wo immer gläubige Christen wohnen. Millionen- und millionenmal wird sie tagtäglich mit den Worten des Engels begrüßt und die gesegnetste, die gebenedeiteste unter den Frauen genannt.
Gott in allem die Ehre geben
Seht, das ist die gekrönte Demut! Wollen wir, meine Teuren, bei Gott etwas gelten, so können wir nur auf dem Weg der Demut dahingelangen. Soll der Herr hienieden uns nahe sein und einst uns mit Herrlichkeit krönen, dann müssen wir den Stolz, den Hochmut fliehen. Wir dürfen nicht uns selbst suchen, sondern müssen in allem Gott die Ehre geben nach den Worten des Psalmisten: „Nicht uns, o Herr! Nicht uns, sondern deinem Namen gib die Ehre!“ (Ps 113, 9) Ein rührendes Beispiel dieser Art hat einst der fromme Held Johannes Corvinus Hunyad, Fürst von Siebenbürgen, gegeben, der in der berühmten Schlacht bei Belgrad am 22. Juli 1456 die Türken besiegte. Derselbe war ein gläubiger Sohn der Kirche und ein besonderer Verehrer der hochgebenedeiten Jungfrau. Mit seinem kleinen Christenheere stand er der ungezählten Heeresmasse der Türken gegenüber. Der heilige Johannes Capistran (Franziskaner, geb. 24. Juni 1386, starb bei Illok am 23. Okt. 1456) war sein Freund und weilte bei ihm; dieser ermunterte mit gottbegeisterten Worten ihn und seine Soldaten zum mutigen Kampf, indem er die sichere Hilfe Gottes in Aussicht stellte. Der Fürst errang einen glänzenden Sieg; aber gab in seiner Demut Gott dem Herrn die ganze Ehre. Kurze Zeit darauf erkrankte Corvinus zu Semlin, und es kam mit ihm zum Sterben. Sein heiliger Freund leistete ihm Beistand. Als der Held von den Seinigen Abschied genommen und seine zeitlichen Angelegenheiten in Ordnung gebracht hatte, bat er, man möge ihn in die Kirche Unserer Lieben Frau tragen, welche in der Nähe des Hauses lag. Er sagte nämlich, es gezieme sich, dass der Knecht zu seinem Herrn, nicht aber der Herr zu seinem Knecht käme. Er ließ sich vor dem Hochaltar der auserwählten Mutter des Herrn auf den Boden niederlegen, empfing mit rührender Andacht die heiligen Sakramente und starb so als demütiger Sohn gleichsam in den Armen seiner himmlischen Mutter, die er so treu verehrt hatte (11. August 1456). Nach ihrem Beispiel wollte er sterbend Gott dem Herrn die ganze Ehre geben. Darum stand auch sie, einst die Demütigste von allen, ihrem Diener im Sterben treu zur Seite und verschaffte ihm im Jenseits eine herrliche Krone.
Durch wahre Demut gewinnt ihr Gott
Meine Teuersten! Am heutigen Tag feiern wir das Fest der gekrönten Demut. Von ihren lichten Höhen ruft die Königin des Himmels uns zu: „Wenn ihr in euren Augen nichts seid und für euch selbst nichts sucht, dann seid ihr groß in den Augen des Allerhöchsten. Durch wahre Demut gewinnt ihr Gott; durch Demut gewinnt ihr auch mich, eure himmlische Mutter.“ „Wer sich erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden! (Lk 14, 11) Nehmen wir diese Mahnung der gefeierten Königin des Himmels uns tief zu Herzen! Wandern wir freudig die Wege der Demut und der Niedrigkeit! Den Demütigen ist Maria immer nahe und erwirkt ihnen Gottes Schutz und Gottes Segen im Leben und im Sterben. Amen.
Quelle: Maria, der Christen Hort, Predigten zu den Muttergottesfesten von G. Diessel