Das Gebet

Arme-Seelen-Altar in der Stiftskirche Mondsee, Oberösterreich
Das Gebet ist das erste und einfachste Mittel, um den Seelen im Fegefeuer Erleichterung zu verschaffen. Es ist das einfachste Mittel, denn jedermann kann es anwenden, es steht den Reichen wie den Armen, den Starken wie den Schwachen, kleinen Kindern wie alten Leuten gleichermaßen zur Verfügung. Man kann für sie beten, gleichgültig zu welcher Tages- oder Nachtzeit und gleichgültig wo.
Das Gebet ist der aufrichtige Aufschwung des Herzens zu Gott. Dafür gibt es kein Hindernis weder der Entfernung noch der Dauer; es erhält alles und siegt über alles. Der heilige Thomas versichert, dass Gott die Gebete für die Toten mit größerer Gunst annimmt, als die für die Lebenden.
« Wenn also ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wieviel mehr wird dann euer Vater, der im Himmel ist, denen Gutes geben, die ihn darum bitten» (Mt 7,11).
Wer unter uns, der den Tod eines Angehörigen beweint und weiß, dass ein Gebet mit Liebe verrichtet, ihnen Erleichterung bringt, wer würde sich nicht ins Gebet begeben? Unser Gebet wird diesen lieben Seelen, die Opfer ihrer Unvollkommenheiten und Fehler sind, mehr nützen als unsere Tränen und unsere Blumen.
Die Seelen im Fegefeuer sind trotz ihrer Läuterung Gott näher als wir, weil sie endgültig ja zu Ihm gesagt haben. Alles, was wir für sie tun, jedes Gebet ist eine wirkliche Wohltat für sie; Gott hört die Gebete, die Ihm zu ihrer Erleichterung dargebracht werden, weil sie uneigennützig sind. Er hat es gerne, wenn wir an andere denken, die in Not sind, weil wir dann die Nächstenliebe leben, und Gott dort gegenwärtig ist, wo es Liebe gibt. «Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht» (1 Job 2,10). «Alles, was wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebete hatten und tun, was ihm gefällt» (1 Job 3,22).
Die Kirche hat uns ganz einfache Gebete für die Verstorbenen gelehrt: «O Herr, gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen...!»
«Herr, mögen die Seelen der verstorbenen Gläubigen durch Deine Barmherzigkeit ruhen in Frieden.» Die Kirche lädt uns auch ein, den Psalm 130, das De profundis für die Verstorbenen zu beten. Dieser Psalm drückt die Gefühle der Seele im Leiden aus: Bitten, Qual, Hoffnung; er drückt das Gebet der Seele im Fegefeuer aus:
«Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir: Herr, höre meine Stimme! Wende Dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen!
Würdest Du, Herr, unsere Sünden beachten
Herr, wer könnte bestehen?
Doch bei Dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht Dir dient.Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen auf Sein Wort.
Meine Seele wartet auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen. Mehr als die Wächter auf den Morgen soll Israel harren auf den Herrn.
Denn beim Herrn ist die Huld, bei ihm ist Erlösung in Fülle.
Ja, er wird Israel erlösen, von all seinen Sünden!
Gebet
Unser Vater, von Dir haben wir alles, und zu Dir gehen wir.
Du bist im Himmel, jenseits dieser sichtbaren Welt und gegenwärtig im Geheimnis.
Dein Name werde einmütig geheiligt und angebetet von Deinen Kindern im Himmel, im Fegefeuer und auf der Erde, denn du bist heilig, heilig, heilig, Gott des Alls, und Himmel und Erde sind erfüllt von deiner Herrlichkeit.
Dein Reich komme und Deine Liebe möge in alle Herzen dringen und in deiner ganzen Schöpfung aufstrahlen; mögen die Wahrheit und das Leben, die Heiligkeit und die Gnade, die Gerechtigkeit, die Liebe und der Friede ewig währen und allumfassend sein.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden, dass wir eins seien i Deinem Sohn und erfüllt von Deinem Geist der Liebe, zu Deinem Ruhm und zu unserem Heil, schon jetzt auf Erden wie einst im Himmel.
Gib uns heute unser tägliches Brot, das
Brot Deines Wortes, die Nahrung des durch Maria fleischgewordenen Wortes, damit wir das Leben in Fülle haben, und die Nahrung des Geistes, des Herzens und des Leibes.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, weil Du gut und barmherzig bist und uns Dir gleich machst, zu Deinem Spiegelbild für unsere Brüder in unserer verzeihenden Liebe für sie.
Führe uns nicht in die Versuchung, ohne Dich leben zu wollen, an uns selbst und an die irdischen Dinge verhaftet;
sondern erlöse uns von dem Bösen, dem Fürsten dieser Welt, um nur noch Dir zu gehören. Amen.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Parvis-Verlages aus dem Buch "Arme-Seelenmonat" von J.-M. Girardin