Gebet und Gottes Vorherwissen

Quelle: Distrikt Österreich

Eine Betrachtung zur Fastenzeit

Die Geschichte von König Hiskia (Ezechias) offenbart uns auf wunderbare Weise, wie unser Gebet und Gottes Vorherwissen in einer dynamischen Beziehung zueinander stehen. Diese Verbindung verdient unsere tiefere Betrachtung.

König Hiskias Erfahrung

Unter den Königen Judas zeichnete sich Hiskia als einer der wenigen gerechten Herrscher aus. In einer Stunde schwerster Prüfung erhielt er vom Propheten Isaias eine niederschmetternde Botschaft: "Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht leben!" Diese Ankündigung trug den Anschein eines unabänderlichen göttlichen Beschlusses.

Doch Hiskia gab sich nicht der Resignation hin. Er wandte sich zur Wand, um in ungestörter Zwiesprache mit Gott zu sein, und betete mit tiefem Vertrauen. In seinem Gebet erinnerte er den Herrn an seinen treuen Wandel und seine aufrichtige Hingabe. Seine Tränen bezeugten die Tiefe seiner Empfindung und seines Gottvertrauens.

Die göttliche Antwort ließ nicht auf sich warten. Noch bevor Jesaja den königlichen Palast verlassen hatte, empfing er eine neue Botschaft: Der Herr hatte Hiskias Flehen vernommen und seine Tränen gesehen. In seiner Barmherzigkeit gewährte Gott dem König weitere fünfzehn Lebensjahre und versprach, Jerusalem vor der assyrischen Bedrohung zu bewahren.

Das Mysterium von Vorherwissen und freiem Willen

In dieser biblischen Erzählung enthüllt sich ein tiefes Geheimnis unseres Glaubens: Gott kennt alles im Voraus, aber er determiniert nicht jeden Schritt unseres Weges. Er wusste um Hiskias Gebet, bevor dieser es aussprach, und doch blieb Hiskia völlig frei in seiner Entscheidung, sich im Gebet an Gott zu wenden.

Diese Erkenntnis hat weitreichende Bedeutung für unser eigenes Gebetsleben. Sie fordert uns auf, das Gebet nicht zu vernachlässigen, sondern es zu intensivieren! Denn obwohl Gott in seinem allumfassenden Wissen unsere Gebete bereits kennt, werden sie nicht automatisch Teil unserer gelebten Wirklichkeit. Wir stehen immer neu vor der Entscheidung: Nutzen wir die kostbare Gabe des Gebets oder lassen wir diese Möglichkeit ungenutzt?

Die Relevanz für unseren Glaubensweg heute

Was bedeutet diese Einsicht für unser tägliches Leben? Sie ruft uns zu einem reicheren Gebetsleben auf – einem Leben in bewusster Einheit mit Gott und in der Freiheit, die nur in ihm gefunden werden kann. Diese Freiheit in Gott durch Gebet und Hingabe zu leben, führt uns zu wahrer Erfüllung.

Wenn wir zu wenig beten, bleibt vieles unverwirklicht, was in Gottes Vorherwissen für uns möglich wäre. Gott kennt alle denkbaren Wege unseres Lebens, doch wir müssen durch unsere freien Entscheidungen jenen Weg wählen, der uns näher zu ihm führt.

Die Geschichte Hiskias lehrt uns eine wichtige Lektion: Er hätte das vermeintliche Todesurteil annehmen können. Stattdessen entschied er sich für das Gebet – und veränderte dadurch den Verlauf seines Lebens, ohne dabei Gottes Vorherwissen zu widersprechen.

Folgen wir Hiskias Beispiel im Bewusstsein, dass unser freies Gebet in Gottes ewigem Plan einen Platz hat, dass es aber unsere Entscheidung ist, diesen Platz einzunehmen. Nicht Gottes Allwissenheit bestimmt unser Schicksal, sondern unsere freie Entscheidung, in eine lebendige Beziehung mit ihm zu treten.

Denn wahre Freiheit finden wir nicht in der Abkehr von Gott, sondern in der liebenden Hingabe an ihn – im Gebet.

Aus einer Fastenpredigt von P. Markus Buchmaier in Salzburg am 23. März 2025