Groß St. Marien - Santa Maria Maggiore

PILGERFAHRT NACH ROM - FÜR ALLE (Teil 10)
Das letzte Ziel unserer Sieben-Kirchen-Wallfahrt ist erreicht: Santa Maria Maggiore, die größte Marienkirche Roms, die vierte der päpstlichen Basiliken. Sie soll die einzige Kirche Roms sein, in der seit dem 5. Jahrhundert ohne Unterbrechung täglich die Heilige Messe gefeiert wurde!
Wer schon einmal im Hochsommer in Rom war, der weiß es: Brütende Hitze liegt über der Stadt Rom. Jedoch am Morgen des 5. August des Jahres 358 war es anders: frühmorgens lag Schnee auf dem Esquilin-Hügel! Jedoch, es war keine Wetterkapriole, die es mitten im Sommer schneien ließ, nein, dieser Schnee war angekündigt. Und warum sollte es Dem, Der der Natur ihre Gesetze gab, nicht möglich sein, sie zu durchbrechen, um uns Seinen Willen kundzutun? Im Buch Jesus Sirach lesen wir: "Auf Seinen Befehl muss Schnee eilends herabfallen..." und das auch entgegen der uns gewohnten Ordnung, in den heißesten Sommertagen. Dieses Wunder sollte den Ort benennen, wo für alle Zeiten das Hauptheiligtum Mariens auf dieser Erde stehen sollte: die Kirche Santa Maria Maggiore mit ihrem Patrozinium „Maria Schnee“.
Zuvor war die Muttergottes einem reichen römischen Patrizier namens Johannes im Traum erschienen, zeitgleich erschien sie auch seiner Gattin und kündigte beiden dieses Wunder an. Das Ehepaar war kinderlos, die beiden hatten ihren ganzen Besitz der Gottesmutter geweiht und sie gebeten, ihnen zu zeigen, zu welchem frommen Zweck sie ihr großes Vermögen verwenden sollten. Auch dem Papst Liberius erschien Maria in jener Nacht im Traum, frühmorgens eilte er zum Esquilin-Hügel und zeichnete sofort mit seinem Hirtenstab den Grundriss der künftigen Basilika in den frischgefallenen Schnee.

Das Relief in der Cappella Paolina in Santa Maria Maggiore zeigt diese Szene
Schon bald danach wurde der Bau der Basilika mit den Mitteln, die das Ehepaar gespendet hatte, begonnen. Etwa siebzig Jahre später wurde die Liberianische Basilika durch Papst Sixtus III. erneuert und erweitert. Der Anlass für diesen Neubau war das Konzil von Ephesus, auf dem im Jahr 431 die Irrlehren der Nestorianer verurteilt und der Titel „Theotokos“ (Gottesgebärerin) für die Jungfrau Maria bestätigt wurde. Am 5. August 434 wurde die Kirche feierlich eingeweiht.
Die Baugeschichte der heutigen Basilika erstreckt sich auf mehr als eineinhalb Jahrtausende, und während dieser langen Zeit hat sie stets ihre frühchristliche Form beibehalten, während dieser Zeit wuchs sie zu dieser überaus prächtigen Kirche, die wir heute besuchen dürfen. Gregor XI. ließ nach der Rückkehr vom Exil in Avignon im Jahr 1377 den romanischen Glockenturm erbauen, er ist mit 75 Meter der höchste Roms. Im 18. Jahrhundert erfolgte eine umfassende Restaurierung, bei der auch die heutige Fassade entstand. Vor ihr steht eine mächtige Säule, die aus der Gerichtshalle des Kaisers Maxentius stammt und sich zuvor in einer Basilika am Forum Romanum befand. Sie wurde im Jahr 1613 auf Wunsch von Papst Paul V. hierher gebracht und erhielt an ihrer Spitze eine Statue der Madonna. Auf dem Sockel steht geschrieben: „Einst trug ich auf Befehl des Kaisers voll Trauer die unreinen Tempel falscher Götter. Da ich nun glücklich die Mutter des wahren Gottes trage, will ich dich, Paul, den Zeiten nicht verschweigen.“ Wie die Feuersäule den Israeliten bei Nacht den Weg durch die Wüste zeigte, so weist uns die Jungfrau von ihrem erhabenen Thron den Weg aufwärts – zum Himmel. Die Behüterin des Menschengeschlechtes wacht über denen, die ihrem Heiligtum zueilen.

Der Kircheninnenraum ist 86 Meter lang und wird von drei Schiffen gebildet. 36 Säulen aus griechischem Marmor und vier aus Granit führen zum Hochaltar. Die Marmorsäulen stammen aus dem Tempel der Juno auf dem Aventin-Hügel. Die Holzdecke über dem Mittelschiff wurde von Alexander VI. im Jahr 1500 angefertigt, für die Vergoldung schenkte König Ferdinand von Spanien das Edelmetall, es stammt von dem Gold, das Christoph Kolumbus mit seinem ersten Schiff aus Amerika brachte und das ihm dort zum Geschenk gemacht worden war.

Der Fußboden stammt aus dem 13. Jahrhundert und gilt als der schönste der römischen Cosmatenarbeiten.

Diese wahrhaft wunderschöne Kirche birgt eine Unzahl von Kunstschätzen, die hier nicht alle aufgezählt werden können, einer der größten dieser Schätze aber sind die prächtigen und bestens erhaltenen Mosaiken an der Hochwand des Hauptschiffs, die aus dem frühen 5. Jahrhundert stammen und eine Bilderbibel darstellen, für die man 190 verschiedene Farben verwendet hat. Gezeigt werden Szenen aus dem Alten Testament, die dann überleiten zu den Mosaiken auf dem Triumphbogen, die Szenen aus der Kindheitsgeschichte Jesu darstellen, von der Verkündigung bis zum Kindermord in Bethlehem. Papst Sixtus III. ließ sie zur Erinnerung an das Konzil von Ephesus anfertigen.




In der Confessio, die erst im 19. Jahrhundert angelegt wurde, ist die Reliquie der Krippe Christi in einer kristallenen Urne zur Verehrung ausgestellt, sie soll nach der Eroberung Jerusalems durch muslimische Heerscharen im Jahr 638 nach Rom gebracht worden sein. Ein Stück dieses Holzes wurde in jüngster Zeit untersucht, man fand Pollen aus der Gegend von Bethlehem und eine C14-Untersuchung ergab, dass es aus der Zeit Jesu stammt. Das „römische Bethlehem“ – so wird die Kirche Santa Maria Maggiore auch bezeichnet.

In alten Zeiten gab es ein bedeutungsschweres Zeremoniell in der Weihnachtsnacht. Wenn der Papst die Kirche betrat, um die Weihnachtsmesse zu feiern, eilte ihm ein Kleriker mit einer Kupferpfanne in der Hand entgegen, durch den Deckel der Pfanne ragte ein wachsgetränktes Stück Werg wie ein Docht heraus. Dieser wurde entzündet, der Papst nahm die Pfanne und schritt durch die ganze Basilika, von Säule zu Säule und zündete an jeder Säule einen Ballen des Wergs an, welcher vom Kapitell der Säule an einem langen Faden herunterhing. Am Schluss loderte vor jeder der vierzig Säulen eine Flamme. Damit wollte man den Gläubigen die Wiederkunft Christi in den Flammen des Jüngsten Gerichtes eindrücklich vor Augen führen.
Auf dem Abgang zur Confessio, wacht Papst Pius IX. vor der Krippe. Direkt unter dem Hauptaltar sollen Johannes und seine Frau ruhen, jene römischen Patrizier die den Grund und die Mittel zum Bau dieses Marienheiligtums zur Verfügung gestellt hatten. Unter einer der Stufen, die in die Confessio führen, ist Giovanni Bernini, der große Bildhauer und Architekt des 17. Jahrhunderts, begraben.

Papst Pius IX. wacht vor der Krippenreliquie
Vier Porphyrsäulen, die aus der Villa des Kaisers Hadrian stammen, tragen den Baldachin über dem Hauptaltar, den Benedikt XIV. errichtet hatte. Im Altar befinden sich Gebeine des hl. Apostels Matthias, welche die hl. Helena nach Rom gebracht hatte.

Das prächtige Mosaik in der Apsis aus dem späten 13. Jahrhundert zeigt die Krönung Mariens. Christus teilt Seinen eigenen Thron mit Seiner Mutter und setzt ihr eine prächtige Krone aufs Haupt. In der Linken hält er eine Tafel mit der Inschrift: „Veni electa mea et ponam in te thronum meum. Komm, meine Auserwählte, in dir will ich meinen Thron errichten.“ Seitlich sind Engel dargestellt, zu Füßen Mariens liegen die Sonne und der Mond. Zu ihrer Rechten (links vom Betrachter aus) sind Petrus, Paulus und Franziskus abgebildet, zu ihrer Linken Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist und Antonius von Padua. Sehr klein im Gegensatz sind Papst Nikolaus VI. und Kardinal Jacopo Colonna kniend dargestellt.


Die Seitenkapellen gehören zu den schönsten Roms. Die Cappella Sistina ist benannt nach ihrem Stifter Papst Sixtus V., in ihrer Mitte steht ein Altar, auf welchem vier Engel eine vergoldete Kuppelkirche aus Bronze tragen, die als Tabernakel für das Allerheiligste verwendet wird.


Eine Treppe führt in die Krypta, wo die Reliquien des Kirchenvaters Hieronymus ruhen. Auf der linken Seite der Kapelle ist das Grab des hl. Papstes Pius V., der, als er sein Ende herannahen fühlte, noch einmal zu den sieben Hauptkirchen Roms pilgerte, wenige Tage später starb er.

Das Grabmal des Papstes Pius V.
Das große Grabmal gegenüber birgt die Überreste von Sixtus V. In Montalto hütete er als Kind das Vieh, als Greis gebot er über Fürsten und Völker und erneuerte in nur fünf Jahren ganz Rom.

Das Grabmal von Sixtus V.
In dieser Kapelle sehen wir auch die erste bekannte Weihnachtskrippe der Kunstgeschichte, sie wurde 1291 aus Carrara-Marmor hergestellt und greift den Gedanken des hl. Franziskus von Assisi auf, der 1223 das Weihnachtsgeschehen in Greccio realistisch nachspielen ließ.

Krippendarstellung aus dem Jahr 1291

Die Kuppel der Cappella Sistina
Eine weitere Kostbarkeit findet sich in der Cappella Paolina, auch Cappella Borghese genannt, die unter Papst Paul V. errichtet wurde und mit herrlichen Fresken an der Decke und in der Kuppel ausgestattet ist. Hier befindet sich über dem Hochaltar seit dem Jahr 1613 eine antike Marienikone, die den Namen „Salus Populi Romani – Heil des römischen Volkes trägt.“ Die Ikone wird von sieben vergoldeten Engeln getragen, der Legende nach wurde sie vom hl. Evangelisten Lukas angefertigt. Die Verehrung dieser Ikone lässt sich jedenfalls über 1200 Jahre nachweisen und auch heutzutage wird man, wann immer man die Basilika besucht, Beter vor diesem Bild finden, die die Gottesmutter um Hilfe in ihren Nöten anflehen. Zu ihnen wollen auch wir uns gesellen auf diesem unseren Pilgerweg.

Das Bild wurde auf Holz gemalt und stellte ursprünglich die ganze Gestalt Mariens dar, heute sieht man nur einen Teil davon. Die drei ausgestreckten Finger der Rechten zeigen auf die Dreifaltigkeit. Der hl. Papst Gregor der Große trug das Bild in großen Prozessionen durch die Straßen Roms zur Abwendung der Pest und unzählige Päpste haben dieses Bild seither verehrt. Im Mittelalter wurde das Bild in feierlichen Prozessionen regelmäßig durch die Stadt getragen und auch Pius XII. zog mit ihr im Marianischen Jahr 1954 in einer festlichen Prozession zum Petersdom.

Das Heil des römischen Volkes
Die Darstellung Mariens mit dem Kind auf einem Bild, das von sieben Engeln umrahmt ist, wird denjenigen, die in der Wiener Minoritenkirche ihre religiöse Heimat haben, bekannt vorkommen, ist es doch die Vorlage zum Gemälde über dem Hochaltar der Minoritenkirche, welches im 18. Jahrhundert vom Trientiner Maler Ignazio Unterberger angefertigt wurde. Auf ihm sieht man übrigens im unteren Teil auch die römische Mutterkirche!
Oberhalb des Altares der Cappella Paolino findet sich eine Darstellung des Schneewunders und darüber sieht man eine Darstellung, wie die Gottesmutter und der hl. Johannes der Täufer dem hl. Gregor (der Wundertäter, Bischof im 3. Jahrhundert in der heutigen Türkei) erscheinen. Zu diesem Bild gibt es folgende Geschichte: Der hl. Papst Gregor der Große habe einmal vor diesem Bild die Hl. Messe gefeiert. Als er sich mit den Worten „Der Friede sei allezeit mit euch!“ zum Volk umwandte, erschien zu beiden Seiten des Bildes ein himmlischer Chor und sang die Antwort: „Et cum spiritu tuo“. Diese Worte waren bis dahin nicht Bestandteil der heiligen Liturgie, ab diesem Zeitpunkt aber und bis heute beantworten die Ministranten bzw. alle Gläubigen den Gruß des Priesters immer mit diesen Worten.

Nur einige wenige der zahlreichen Kunstschätze dieser Kirche können hier noch erwähnt werden, dazu gehört auch die Taufkapelle mit ihrer prächtigen Decke.


Den Weihetag dieser Kirche, den 5. August, feiert die Kirche alljährlich mit dem Fest "Maria Schnee". Während des Pontifikalamtes in der Basilika Santa Maria Maggiore zur Feier des Patroziniums, fallen Tausende weiße Blumenblätter von der vergoldeten Kassettendecke auf die Gläubigen herab. Die Blumen werden traditionellerweise von holländischen Blumengärtnern gestiftet und von den Schwestern von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens für diese Feier vorbereitet. Weltweit gibt es viele Kirchen, die das Patrozinium „Maria Schnee“ tragen, einige auch in Österreich und zu ihnen zählt auch unsere Minoritenkirche, die seit dem 18. Jahrhundert dieses Patrozinium hat.

Nahe der heiligen Pforte befindet sich eine Marienstatue mit dem Kind in den Armen, diese wurde von Papst Benedikt XV. im Jahr 1917, also noch während des Ersten Weltkrieges, in Auftrag gegeben in Erinnerung daran, dass der Papst am 5. Mai 1917 den Titel „Königin des Friedens“ in die Lauretanische Litanei einfügte. Nur acht Tage später erschien die Gottesmutter in Fatima und kündigte ein baldiges Ende des furchtbaren Krieges an.

Nachdem wir die herrliche Basilika besichtigt haben, die zu Ehren der Gottesmutter erbaut wurde, Gott für die Gnaden der Sieben-Kirchen-Wallfahrt gedankt und den Glauben der Menschen, die diese Kirche erdachten und erbauten, dankbar bewundert haben, sollten wir vielleicht zum Abschluss unserer 7-Kirchen-Wallfahrt dieser Statue der Gottesmutter, der Königin des Friedens, noch einen Besuch abstatten. Heute, wo in Europa nach einer langen Friedensepoche wieder Kriegspropaganda ertönt, von Aufrüstung und von Bedrohungsszenarien geredet wird, ja, wo man den Eindruck gewinnen könnte, der Krieg würde förmlich herbeigesehnt - da sollten wir die Königin des Friedens um Frieden bitten, um den äußeren Frieden für unsere Heimat und die ganze Welt, aber auch um den Frieden in uns selbst, um in dieser unruhigen Welt bestehen zu können.

Die Entschlafung Mariens