„Ich stehe für Gott, für die Kirche, für das Vaterland“ – Das Zeugnis von József Kardinal Mindszenty

Zum 50. Todestag des großen Kardinals der Heiligen Römischen Kirche von unserem ungarischen Mitbruder Hw. P. Daniel Östör
„Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Mt 5,10) – dieser Satz fasst das Schicksal zusammen, das Kardinal József Mindszenty, Erzbischof von Gran und Fürstprimas von Ungarn, auf sich nahm, durchlebte und verherrlichte. Zum 50. Jahrestag seines Todes am 6. Mai 2025 gedenken wir nicht nur seiner, sondern rufen uns jenes geistige Vermächtnis ins Gedächtnis, das auch heute noch als Wegweiser in einer sich verdunkelnden Welt dienen kann – für Europa, für die Kirche und für jeden treuen Katholiken.
In einer Zeit, in der die christliche Lehre zunehmend aus dem öffentlichen Leben verdrängt wird, in der Verteidiger der natürlichen Moral und des katholischen Glaubens gebrandmarkt oder zum Schweigen gebracht werden, ist es umso notwendiger, Vorbilder wie Mindszenty in den Mittelpunkt zu rücken. Wer sich heute für den Schutz des Lebens, die Heiligkeit der Familie, die christliche Erziehung oder die Wahrheit des Evangeliums einsetzt, wird nicht selten verspottet – und doch bleibt die Wahrheit immer Wahrheit, selbst wenn sie leidet. Deshalb lohnt es sich, immer wieder zu jenem Oberhirten zurückzukehren, der seine Sendung in einem einzigen Satz zusammenfasste: „Ich stehe für Gott, für die Kirche, für das Vaterland.“
Mindszentys Vaterlandsliebe war keine abstrakte Idee, sondern Wurzel und Altar zugleich. Der Weinberg in seinem Heimatdorf Csehimindszent, das Obstgehölz am Hang, zu dem er selbst als Bischof zurückkehrte, um zu graben, zu schneiden, zu beten – das alles war für ihn heiliger Boden. „Die Erde ist nicht nur Brot, sondern auch Gedächtnis. Und wer keine Erde hat, dem bleibt früher oder später auch kein Vaterland“, sagte er einmal. Diese Liebe zum Land war kein politisches Schlagwort, sondern ein inniges, betendes Verhältnis zur Nation und ihrer göttlichen Sendung. Als die Kommunisten das elterliche Grundstück enteignen wollten, klagte er nicht, protestierte nicht, sondern klammerte sich umso stärker an das, was ihm niemand nehmen konnte: die Treue.
Im Jahr 1921, nach dem Trianon-Vertrag, als es offiziell verboten war, zur Verteidigung Westungarns die Waffen zu erheben, taten es dennoch die Freiwilligen der „Rongyos Gárda“ – der „Zerlumpten Garde“. Mindszenty stand ihnen damals nicht auf dem Schlachtfeld bei, sondern auf den Knien: im Gebet, in der Ermutigung, in der moralischen Unterstützung. In einem seiner Briefe schrieb er: „Viel Lumpen außen – doch innen Rüstung. Die Rüstung der Ehre.“ Für ihn war die Treue zum Vaterland keine Option, sondern ein Gebot – im traditionell erweiterten Sinn des vierten Gebots: „Ehre deinen Vater und deine Mutter – und dein Vaterland.“
Der hl. Pius X. lehrt uns: „Wäre der Katholizismus vaterlandsfeindlich, so wäre er keine göttliche Religion mehr. Vaterland ist ein heiliger Name, der unsere teuersten Erinnerungen wachruft und unser Herz höher schlagen lässt. Da sind wir ja geboren und daran binden uns Bande des Blutes und edle Gesinnung und Überlieferung. Darum verdient es nicht nur unsere Liebe, sondern unsere Vorliebe.” (Ansprache 1909, vgl. Rafael Merry de Val, Erinnerungen, Bobingen 2013, S.48)
Ebenso unerschütterlich trat der Kardinal für die katholischen Schulen und die christliche Erziehung ein. Er wusste: „Wer die Schule nimmt, raubt dem Volk seine Seele.“ Für ihn war die Schule eine Werkstatt der Seele, in der der Mensch nicht nur Wissen, sondern auch Gewissen, Glauben und Identität empfängt. Der Entzug der christlichen Pädagogik bedeutete die Entleerung der Zukunft der Nation – und das konnte er nicht unkommentiert hinnehmen. Deshalb protestierte er gegen die Verstaatlichung der Schulen – und trug das Gefängnis mit Fassung.
Als er am Weihnachtsabend 1948 verhaftet wurde, wusste er bereits, was ihn erwartete. Zuvor hatte er auf einem Zettel erklärt: „Wenn man später hören sollte, ich hätte ein Geständnis abgelegt, so wisse man, dass es nicht aus der Seele kam, sondern aus der Schwäche des Leibes.“ In den Zellen des Gefängnisses, in den Mauern der berüchtigten Andrássy-Straße 60, litt er nicht nur – dort zelebrierte er heimlich die Messe, tat Buße, hielt Exerzitien für sich selbst und trug in seinen Gebeten die Kirche und die Nation. Einer seiner Wärter – einst ein feindseliger Hasser – flüsterte ihm eines Nachts zu: „Eure Eminenz, bitte verzeihen Sie… Ich bin auch katholisch.“ Das Leiden wurde zum Zeugnis – und entzündete den Glauben in den Herzen anderer.
Am 30. Oktober 1956 wurde er durch die Revolution befreit. Als er nach Budapest zurückgebracht wurde, empfing ihn das Volk in einem Triumphzug. In ihm sah man keinen bloßen Kirchenfürsten, kein politisches Symbol, sondern die Rückkehr der Wahrheit. Es war der reinste Moment der Revolution: Gott, Kirche und Vaterland fanden erneut zueinander. Seine Rückkehr war kein Akt der Machtergreifung, sondern ein sakrales Ereignis, in dem das Volk vor seinem eigenen Glauben und seiner Geschichte niederkniete – und auferstehen wollte.
In seinen letzten Lebensjahren, im Exil, stand Mindszenty vor einem schmerzlichen Gewissenskonflikt: Der Vatikan bat ihn um seinen Rücktritt, um die diplomatische Öffnung gegenüber dem kommunistischen Regime zu ermöglichen. Er verweigerte. Nicht dem Papst, nicht der Kirche – sondern jener politischen Taktik, die seiner Überzeugung nach auf Kosten der Wahrheit ging. Er rebellierte nicht – er blieb nur treu. „Meine Treue ist ewig, unbedingt und unwiderruflich“, sagte er. Diese „Ungehorsamkeit“ war vielleicht der tiefste Ausdruck von Gehorsam: die Treue zum reinen Gewissen, zum Glauben, zur verfolgten Kirche.
Kardinal Mindszentys Lehre lebt nicht in gedruckten Leitsätzen fort, sondern im Schicksal, das mit Blut getränkt ist. Seine Aussagen über die christliche Familie, das Erziehungsrecht der Eltern, die Würde des Menschen – sie sind heute aktueller denn je. Sein Lebensweg zeigt: Die Wahrheit ist nicht deshalb wahr, weil sie angenommen wird, sondern weil sie aus Gott stammt. Und wer sich ihr verschreibt, dem wird das Schicksal Christi zuteil.
In seinem Testament bat er: „Wenn möglich, möge ich nicht in fremder Erde ruhen, sondern in ungarischem Boden.“ Dieser Wunsch war keine Nostalgie, sondern ein Glaubensbekenntnis. Sein in die Fremde verbanntes irdisches Gefäß kehrte 1991 heim. Die Krypta der Basilika von Esztergom nahm ihn auf: den Verstoßenen, Enteigneten, aber niemals Gebrochenen. So erfüllte sich sein irdischer Wille und mit ihm wurde eine geistige Wahrheit einer Nation wiederhergestellt.
Mindszentys Vermächtnis ist nicht veraltet. Treue Katholiken, die sich oft einsam fühlen, unverstanden inmitten der Herausforderungen der modernen Kirche oder der Welt dürfen wissen: Sie gehen diesen Weg nicht allein. Der Kardinal ist mit ihnen. Und seine Stimme erklingt bis heute:
„Die Wahrheit kann man nicht abstimmen – man muss sie bezeugen.”
„Die Zeit ist die Verbündete der Wahrheit.”
Vertrauen wir auch heute darauf!
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