Ihr werdet Wasser schöpfen!

Quelle: Distrikt Österreich

Aus der Enzyklika "Haurietis aquas" = Ihr werdet Wasser schöpfen!

Am 15. Mai 1956 veröffentlichte Papst Pius XII. anlässlich der 100-Jahr-Feier der Einführung des Herz-Jesu-Festes die Enzyklika „Haurietis aquas“ über die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Aus dem fünften und letzten Kapitel lesen Sie hier einen Auszug, der gerade auch in unserer Zeit brandaktuell ist.

 

Es besteht kein Zweifel, daß, wenn die Christgläubigen dem heiligsten Erlöserherzen huldigen, sie einer schweren Verpflichtung nachkommen, durch die sie Gott zu dienen gehalten sind, und zugleich dem Schöpfer und Erlöser sich und alles Ihrige weihen: was sie innerlich denken oder was sie nach außen hin tun, und so jenem göttlichen Gebot gehorchen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Gemüte und mit allen deinen Kräften.“ [113]  Sie haben außerdem noch die sichere Gewißheit, daß der beherrschende Grund ihrer Gottesverehrung nicht ihr persönlicher Vorteil ist, der Leib oder Seele, gegenwärtiges oder ewiges Leben angeht, sondern die Gutheit Gottes selbst, dem sie huldigen wollen, indem sie Ihn wiederlieben, Ihn anbeten und Ihm den schuldigen Dank leisten. Wenn es nicht so wäre, entspräche die Herz-Jesu-Verehrung nicht dem wahren Wesen der christlichen Religion, weil der Mensch in seiner Hingabe nicht vorzüglich die göttliche Liebe verehrte; ja nicht mit Unrecht werden manchmal die einer zu großen Eigenliebe und Sorge für sich selbst beschuldigt, die diese edle und würdige Andachtsform falsch verstehen oder nicht richtig üben.

Darum sollen alle fest überzeugt sein, daß in der Verehrung des heiligsten Herzens Jesu nicht die äußeren Werke der Frömmigkeit den ersten und wichtigsten Platz einnehmen, noch daß sie ihren Hauptgrund in den Wohltaten habe, für die sich Christus der Herr darum in privaten Versprechen verbürgte, damit die Menschen die beherrschenden religiösen Pflichten ihres katholischen Glaubens, nämlich die der Liebe und Sühne, mit glühenderem Eifer erfüllten und so dann auch am besten für ihr seelisches Wohl sorgten.

Wir spornen daher zur eifrigen Übung dieser Andacht alle Unsere geliebten Söhne in Christus an, die, welche bereits daran gewöhnt sind, die heilenden Wasser zu schöpfen, die dem Heilandsherzen entströmen, wie besonders die, welche nach Art von Zuschauern neugierig und zweifelnden Sinnes von weitem zusehen. Diese mögen bedenken, daß es sich, wie Wir bereits sagten, um eine Andacht handelt, die in der Kirche schon lange in Geltung ist und ihre gediegene Begründung in der Heiligen Schrift selbst hat; zu deren Gunsten die Tradition und die Heilige Liturgie sich offen aussprechen, und welcher die Päpste selbst unzählige Male höchstes Lob gespendet haben. Und sie begnügten sich nicht damit, ein Fest zu Ehren des heiligsten Herzens des Erlösers einzusetzen und es auf die ganze Kirche auszudehnen, sie haben auch die feierliche Weihe des ganzen Menschengeschlechts an das heiligste Herz veranlaßt.  Es kommen endlich dazu die reichen und herrlichen Früchte, die sich aus ihr für die Kirche ergaben: Die Rückkehr Ungezählter zur christlichen Religion, der in vielen zu lebendigerem Eifer entfachte Glaube, die engere Verbindung der Christgläubigen mit unserem liebenden Erlöser: dies alles trat vor allem während der letzten Jahrzehnte in häufigeren und deutlicheren Kundgebungen vor Augen…

Wenn auch, Ehrwürdige Brüder, die Andacht zum heiligsten Herzen Jesu überall für das christliche Leben heilsame Früchte gebracht hat, so weiß doch jeder, daß die streitende Kirche auf Erden, besonders aber die bürgerliche Gemeinschaft noch nicht zu jener höchsten Form der Vollkommenheit gelangt ist, die dem Wunsch und Verlangen Jesu Christi, des mystischen Bräutigams der Kirche und des Erlösers des Menschengeschlechtes, entspräche. Denn nicht wenige Söhne der Kirche entstellen das Antlitz ihrer Mutter, das sie auf ihre Weise wiedergeben, durch allzuviel Flecken und Runzeln; nicht alle Christen erglänzen in der sittlichen Heiligkeit, zu der sie von Gott berufen sind; nicht alle Sünder sind in das treulos verlassene Vaterhaus zurückgekehrt, um dort wieder das „beste Gewand“anzulegen und den Ring, das Zeichen der Treue gegen den Bräutigam der Seele, an den Finger gesteckt zu erhalten; noch sind nicht alle Heiden unter die Glieder des Geheimnisvollen Leibes Christi aufgenommen. Nicht genug! Denn wenn Uns der erschlaffende Glaube der Guten bitter schmerzt, in deren von trügerischer Begierde nach Irdischem verführten Herzen die Glut der Gottesliebe erkaltet und Schritt für Schritt erlischt, so quälen Uns noch viel mehr die Machenschaften ruchloser Menschen, die, wie aufgehetzt vom höllischen Feind, jetzt besonders von unversöhnlichem und offenem Haß glühen gegen Gott, gegen die Kirche, und besonders noch gegen Ihn, der auf Erden der Vertreter des göttlichen Erlösers ist und dessen Liebe zu den Menschen vergegenwärtigt, nach dem bekannten Wort des Mailänder Kirchenlehrers: „Er (Petrus) wird ja nach dem gefragt, woran man zweifelt, an dem aber der Herr nicht zweifelt; dieser fragt, nicht um zu lernen, sondern um den zu belehren, den er, da er zum Himmel auffahren sollte, uns als Stellvertreter seiner Liebe hinterließ.“

In Wahrheit ist ja der Haß gegen Gott und die rechtmäßigen Stellvertreter Gottes das größte Verbrechen, das der Mensch je begehen kann, er, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen und bestimmt ist zum Genuß seiner vollkommenen und ewig im Himmel dauernden Freundschaft; wenn der Mensch durch den Haß gegen Gott so weit wie möglich vom Höchsten Gut getrennt wird, so treibt es ihn auch, von sich und seinen Mitmenschen alles zurückzuweisen, was von Gott ausgeht, was mit Gott verbindet, was zum Besitz und Genuß Gottes führt: Wahrheit, Tugend, Frieden, Gerechtigkeit. 

Da man nun leider beobachten kann, wie die Zahl derer, die sich stolz Feinde des ewigen Gottes nennen, da und dort zunimmt, wie ebenso die lügnerischen Lehren des Materialismus in Theorie und Praxis Verbreitung finden, wie die zügellose Freiheit des Trieblebens weithin angepriesen wird, was nimmt es da wunder, wenn in den Herzen vieler die Liebe erkaltet, die oberstes Gesetz der christlichen Religion, das feste Fundament wahrer und vollkommener Gerechtigkeit und der Hauptquell des Friedens und reiner Freuden ist? Wie unser Heiland mahnte: „Weil die Gottlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten.“ Wo nun ist gegen das viele Böse, das, wenn überhaupt je, so besonders heute die Einzelmenschen, die Familien, die Nationen und den ganzen Erdkreis in bedrückende Unordnung versetzt, Hilfe zu suchen? Gibt es eine Andacht, die hochwertiger wäre als die Herz-Jesu-Verehrung, die genauer der Eigenart des katholischen Glaubens entspräche, die angepaßter den heutigen Nöten der Kirche und der Menschheit entgegenkäme? Welche Gottesverehrung wäre würdiger, ansprechender und heilsamer als sie, da der Kult, um den es geht, ganz auf die Liebe Gottes ausgerichtet ist? Was endlich kann wirksamer als die Christusliebe – und die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu entzündet sie täglich mehr – die Gläubigen bestimmen, das Gesetz des Evangeliums in ihrer Lebensführung zu verwirklichen, ohne das, wie das Wort des Heiligen Geistes, „Das Werk der Gerechtigkeit ist der Friede“, überzeugend mahnt, keineswegs ein Friede unter den Menschen herrschen kann, der diesen Namen verdient? Darum drängt es Uns, nach dem Beispiel Unseres unmittelbaren Vorgängers an alle Unsere Söhne in Christus wieder jene Mahnworte zu richten, mit denen Leo XIII. unvergeßlichen Andenkens zum Abschluß des vorigen Jahrhunderts an alle Christgläubigen und auch alle, die um ihr eigenes Heil wie das der bürgerlichen Gemeinschaft ehrlichen Sinnes besorgt sind, richtete: „Seht, ein anderes, Segen verkündendes und göttliches Zeichen bietet sich heute den Blicken dar: das heiligste Herz Jesu ..., das in hellem Glanz unter den Flammen aufleuchtet. Auf dieses Zeichen ist alle Hoffnung zu setzen: von ihm das Heil der Menschen zu erflehen und zu erwarten.“

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