Predigt des Distriktoberen in Brünn

Jesuitenkirche Wien
Predigt des Distriktoberen P. Johannes Regele anlässlich seiner Visitation in Brünn am 2. Juni 2024
P. Regele besuchte anlässlich des 6. Jahrestages der Registrierung der Priesterbruderschaft St. Pius X. als römisch-katholische Institution durch den tschechischen Staat und der Erhebung des Priorates Brünn zum Dekanat (31. Mai 2018) von 31.5. bis 5.6. 2024 zur kanonischen Visitation das Dekanat Brünn und zelebrierte am Sonntag, 2. Juni in Brünn und Ungarisch Brod die Hl. Messen für die Gläubigen.
Hochwürdiger Herr Dekan, liebe Gläubige hier in Brünn,
es ist eine Freude für mich, am heutigen Sonntag hier zu sein, das Dekanat zu visitieren, und Ihnen bei dieser Gelegenheit zwei Botschaften mitzugeben. Am heutigen Sonntag haben wir in der Epistel aus dem Johannesbrief die beste Definition gehört, was die wahre Liebe ist. Wir lieben nicht in irgendwelchen schönen, salbungsvollen Worten, mit irgendeinem Gerede, sondern wir lieben, wir sollen lieben, in der Tat und in der Wahrheit. Wir üben die Gottesliebe und auch die Nächstenliebe dadurch aus, dass wir in besonderer Weise Liebhaber der Wahrheit sind. Die Wahrheit besteht nicht aus irgendwelchen Kompromissen oder vagen Definitionen, die Wahrheit ist dort, wo sie ist, wo sie mit Gott übereinstimmt. Indem der Mensch nach Wahrheit strebt, liebt er, übt er die Liebe aus und wir sehen hier, dass es eine Tugend gibt, die überaus wichtig ist, und zwar ist das die Tugend des Studiums.
Alle Menschen, ohne Ausnahme, die sehr gebildeten und die weniger gebildeten, müssen studieren, wenn es darum geht, in der Wahrheit Fortschritte zu machen. Und es geht hier vor allem - das möchte ich unterstreichen - um die Kenntnis Gottes. Je mehr wir Gott kennen, je besser wir Gott kennen, desto mehr werden wir Ihn lieben. Das bedeutet, dass wir durch das Studium, durch das Lernen des Katechismus, Gott lieben. Die Kinder, wenn sie eifrig zum Religionsunterricht kommen, wenn sie zum Katechismus kommen, lieben dadurch Gott. Die Erwachsenen, wenn sie an der Erwachsenenbildung teilnehmen, an den Vorträgen, an der Predigt usw. teilnehmen, an den Exerzitien, lieben dadurch Gott. Wenn wir gute katholische Bücher lesen, indem wir uns mit der Lehre der Kirche befassen, die Enzykliken studieren, üben wir die Gottesliebe im Sinne des heiligen Apostels Johannes.
Vor einem knappen Jahr haben sich alle Oberen der Bruderschaft in Ecône am Grabe des Gründers getroffen, die Distriktoberen, die Seminaroberen, der Generalrat mit dem Generaloberen, und sie haben die pastoralen Probleme, die es in unserem apostolischen Wirken in der Bruderschaft gibt, diskutiert. Und ein wesentliches Problem, gerade in der Jugendarbeit ist es, dass die intellektuelle Kapazität der Jugendlichen nicht genug gefördert wird, was zum guten Teil auch daran liegt, dass die jungen Leute zu wenig lesen, zu wenig studieren, wenig Eifer da ist und dass die Erwachsenen in diesem Punkt bis zu einem gewissen Grad gleichgültig sind; das ist ein ganz, ganz schweres Problem, das wir lösen müssen.
Der gute Katholik hat immer Hunger und Durst nach Wissen, nach gutem Wissen, geführt von der Kirche, nach Gott. Wir zeigen, wir üben unsere Liebe zu Gott, unsere Liebe zum Nächsten und vor allem unsere Liebe zur ganzen heiligen Kirche vor allem dadurch, dass wir eifrig sind im Studium der katholischen Wahrheiten, der katholischen Lehre. Daher mein Aufruf an Sie: versuchen Sie hier wirklich, geführt durch die Priester, durch die Priester hier im Dekanat, sich in guter Weise die katholische Lehre anzueignen, an der ersten Stelle im Katechismus, um so Gott wirklich zu lieben. Die Eltern möchte ich hier besonders an ihre schwere Verantwortung erinnern, die Kinder zum Katechismusunterricht zu den Priestern zu schicken, nachdem sie die ersten Schritte selbst gesetzt haben und die ersten Unterweisungen selbst erteilt haben und vor allem zu Hause mit den Kindern gebetet haben. Ich bitte Sie, die Kinder wirklich regelmäßig zum Katechismusunterricht zu schicken und dies mit allen Kräften zu fördern, bitte unterschätzen sie das nicht: Es ist notwendig, dass die Jugend vom Priester unterwiesen wird in den Lehren der katholischen Religion.
Sodann haben wir gehört: wir sollen Gott lieben in der Tat. Und das bedeutet, dass wir Dienstgesinnung haben müssen als Katholiken. Die Kirche wird dadurch aufgebaut, dass die Glieder der Kirche - der Klerus und die Gläubigen - Diener sind. Sie müssen arbeiten für das Gemeinwohl in der Kirche und darüberhinaus letztlich in der ganzen Gesellschaft, in den Familien, in den Schulen, im Staat usw. Durch diesen Dienst, der eine echte Hingabe ist und natürlich Opfer bedeutet, wachsen wir innerlich mehr und mehr in der Tugend der Liebe und können die Tugend der Liebe immer besser auch ausüben, natürlich mit der Gnade Gottes. Was die Oberen während der Tagung festgestellt haben, ist, dass es in unseren Tagen eine besonders gefährliche Krankheit gibt, die sich immer mehr und mehr entwickelt hat, das ist ein gewisser schlechter Individualismus. Und damit verbunden: immer weniger Menschen sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung zu tragen in der Kirche und auch in der Gesellschaft. Und dieser Individualismus, dieser Mangel, dieser schwere Mangel an Hingabe, dieser schwere Mangel an der Liebe, ist eine Pest und wirkt zerstörerisch in der Gesellschaft und vor allem auch in der Kirche.
Wir sehen diesen Individualismus vor allem auch bei den Jugendlichen, gefördert durch die neuen Medien, durch das Internet, durch das Alleinsein, auch durch eine falsche Erziehung von Seiten der Eltern, durch eine zu große Gelassenheit, durch einen zu großen Liberalismus und natürlich auch durch falsche Ideen in den Schulen. Das heutige Sonntagsevangelium vom 2. Sonntag nach Pfingsten (Lk 14,16-24) zeigt uns sehr dramatisch den Individualismus, die Ausreden, die der Individualist ständig bringt: „Da fingen alle an, sich zu entschuldigen. Der Erste sprach zu ihm: «Ich habe ein Landgut gekauft und muß hingehen, es anzusehen; ich bitte dich, halte mich für entschuldigt.» Ein anderer sagte: «Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und gehe gerade hin, sie erzuproben; ich bitte, entschuldige mich.» Ein dritter sprach: «Ich habe mir eine Frau genommen und kann darum nicht kommen.»“ Niemand von den Geladenen kommt zum großen, so bedeutungsvollen Gastmahl. Wie unendlich viele Gnaden entgehen uns im Leben durch den Individualismus, durch dieses „immer nur an seine eigenen Dinge denken“.
Und wie dramatisch ist das bei der Jugend, durch den Individualismus können keine reifen Persönlichkeiten heranwachsen, die wirklich auch echte Diener Gottes sind. Darum meine große Bitte an Sie, an alle Gläubige, auch hier und weltweit in der gesamten Bruderschaft: kämpfen wir mit allen Kräften gegen den Individualismus! Wir haben hier, Gott sei Dank, in der Kirche seit Jahrhunderten bewährte Mittel und eines möchte ich nennen, was sehr konkret und sehr wichtig ist für die Jugendlichen: das sind die Lager, die Jugendveranstaltungen im Sommer. Das Beste, was Sie für Ihre Kinder tun können, ist sie zu einem Lager zu schicken. Hier erleben die Kinder Gemeinschaft, sie lernen die Unterordnung, eine echte Dienstgesinnung, eine liebende Dienstgesinnung für Gott, für den Nächsten, für die Kirche. Die Kinder können bei den Lagern in einer durchaus auch spielerischen Weise lernen, wie man dient für die Kirche, für höhere Güter und Gutes in Kirche und Gesellschaft aufbaut, sich für das Gemeinwohl einsetzt. Die Kinder lernen, sich zu überwinden, lernen, wegzukommen von ihrem Egoismus, von ihrem Individualismus.
Der Individualismus steckt immer mehr auch in den Erwachsenen, in den älteren Leuten drinnen, dieses ständige Kreisen um sich selbst, dieser Rückzug, dieser Mangel auch an Dienstgesinnung für das Gemeinwohl; hier muss man aufpassen, hier muss man eine gute Gewissenserforschung machen und sich überlegen: Wie kann ich wieder mehr beitragen für das Gemeinwohl in der Kirche oder auch hier im Dekanat? Wenn wir gemeinsam wirken, gemeinsam an einem Strang ziehen, dann wird es sehr fruchtbringend werden für die Kirche und für das Apostolat.
Heute ist der Sonntag in der Oktav von Fronleichnam, eine ganze Woche klingt dieses große Fest nach. Die Heilige Eucharistie, die Heilige Kommunion, die Frucht des Opfers, ist das große Heilmittel für unsere Seele, gerade auch hier, in diesem Bereich, brauchen wir diese Medizin, wir brauchen die Kommunion, um in unserer Seele geheilt zu werden. So auch der Rat für unser eigenes geistliches Leben, für unsere Innerlichkeit: seien wir wirklich liebende Anbeter Gottes, pflegen wir die eucharistische Frömmigkeit, die sehr reich ist in unserer katholischen Kultur, in unseren katholischen Ländern, und vor allem: bereiten wir uns immer gut auf den Empfang der Heiligen Kommunion vor. Hier haben wir die Medizin, das Heilmittel, das uns vom lieben Gott gegeben ist, um unsere Seele rein zu erhalten, gerade auch in dem Sinne, wie der heilige Apostel Johannes sagt, wirklich in der echten Liebe Fortschritte machen zu können, die eben eine Liebe in Tat und Wahrheit ist. Der Individualismus führt letztlich auch immer zur Gottvergessenheit, dass Gott aus dem Leben immer mehr wegrückt, und das wird geheilt durch die Eucharistie, das wird geheilt durch das Messopfer, durch den gesamten eucharistischen Kult der katholischen Kirche, wir verehren Gott, wir beten Gott an, das ist der Mittelpunkt der Kirche. Blicken wir auch auf den Gründer unserer Priesterbruderschaft, der wirklich durch und durch ein Mann der Liebe war, der Gottesliebe, der Nächstenliebe, der sein ganzes Leben in den hingebungsvollen Dienst für die Kirche gestellt hat und gelebt hat aus dem Messopfer, aus der Eucharistie.
Gelobt sei Jesus Christus! In Ewigkeit, Amen!
(Nachschrift der frei gehaltenen Predigt am 2. Juni 2024 in Brünn)