Premiere - Der Alpenkönig und der Menschenfeind

PELAGIA-Theater gibt den „Alpenkönig und der Menschenfeind“ in Graz
Es ist der 31. Mai 2015. Seit Wochen laufen geschäftige Vorbereitungsarbeiten im und an der Kirche St. Thomas auf Hochtouren. Das Gemeindefest steht vor der Tür und damit auch das Sommertheater 2015. Diesmal hat sich die Theatergruppe PELAGIA für das Stück „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ entschieden. Aber halt? Wer ist Pelagia? Zunächst einmal ist sie die Heilige der Schauspielkunst, deren Fest wir am 8. Oktober feiern.
Sodann ist sie auch Namensgeberin des neuen Theater-Ensembles, das die Katholische Jugendbewegung (KJB) gegründet hat, und welches bereits im vergangenen Jahr mit dem Stück „Jedermann“ erfolgreich debütierte.
Dieses Ensemble steht also nun am Dreifaltigkeitssonntag hinter der Bühne des Gemeindesaals von Graz. Geschminkt, mit Requisiten versehen warten sie gespannt auf ihren Auftritt: Der Alpenkönig und die Alpengeister müssen zuerst hinaus auf die Bretter, die zwar bekanntlich die Welt bedeuten, aber einen selber sehr nervös machen können.
Vor allem weil der Saal mit 110 Besuchern bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Von ihnen ist sind ca. 50 heute zum ersten Mal zur Thomaskirche gekommen. Das Stück wurde gut beworben: Zwei Anzeigen in der Zeitung, 15 Plakatständer, 1000 Flyer wurden ausgeteilt. Das hat sich ausgezahlt!
Die Gläubigen der Thomaskirche hatten am Vormittag die heilige Messe mit Maiandacht und anschließend gab es im großen Garten der Kirche eine fürstliche Verpflegung: Gegrillte Karreestücke, Schopf vom Schwein und Grillwürstel brutzelten auf den drei heißen Platten, dazu Pommes in Hülle und Fülle und eine Menge von Salaten, welche die Gläubigen schon zu Hause vorbereitet hatten. Für die Kinder stand eine ganz besondere Attraktion bereit: Barbara Jeindl hatte zwei Lämmlein mitgebracht, die friedlich im Kirchengarten grasten und zu den Lieblingen der Kinder avancierten.
Um 14 Uhr rief eine Glocke alle Anwesenden, die Gläubigen der Kirche und die mittlerweile hinzugekommenen Theatergäste in den Saal. Eintrittskarten für 9.- Euro konnte man am Kircheneingang erwerben.
Dann stand er da in seinem schwarzen Umhang und der doppelläufigen Flinte: Der Alpenkönig, großartig gemimt von Matthias Rumpl, zusammen mit seinen Alpengeistern (Heribert Gerstner, Nikolaus Walus, Julia Weigerstorfer, Magdalena Kislinger und Maria Knap). Er ist nicht zufrieden, der Fürst der Berge und Beherrscher des Felsenlandes, denn in sein Revier dringen unerwartet Gäste ein: Ein Liebespärchen hat sich dort verabredet, Malchen (Eva-Maria Jeindl) und ihr geliebter Maler August (Klaus Rumpl). Drei lange Jahre hatte Malchen auf ihren Geliebten gewartet, nun endlich ist es soweit: Er kommt aus seiner Italienreise zurück. Doch das Glück des Wiedersehens ist nur von kurzer Dauer: Malchen muss dem hoffnungsfrohen August mitteilen, dass ihr Vater niemals die Zustimmung zur Hochzeit geben wird. Da erscheint der Alpenkönig und verheißt Hilfe: Malchen soll noch vor dem nächsten Vollmond den Brautkranz tragen.
Der nächste Akt spielt im Hause des Herrn von Rappelkopf. Diesen gibt Jakob Steinbauer, und er spielt ihn mit Fervé und souverän, hinreißend und erschütternd zugleich, vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Seiten Text diese Hauptrolle auswendig zu lernen hat. Mit all den Schattierungen eines gespaltenen Menschen, der in seiner Selbstsucht alle Angestellten tyrannisiert, allen voran seine Frau, herzzerreißend dargestellt von Theresia Mayr. Seine Bediensteten leiden sehr unter ihm. Da ist zum Einen das kecke Kammermädchen, Lieschen, bestens besetzt mit Alice Klatzer, die sich resolut zu wehren weiß, zum Anderen der Diener und Publikumsliebling Habakuk. In dieser Rolle brilliert Andreas Lambert. Ein steter Lacherfolg sind seine im perfekten Wiener Slang gesprochenen Kommentare, allen voran sein immer wiederkehrender Spruch: „Ich war zwei Jahre in Paris, aber das ist mir noch nicht passiert“. Beide Bediensteten krönen ihre Darstellung mit einem Chanson. Überhaupt wird das Stück hier ganz den Vorstellungen Raimunds gerecht, denn auch Eva-Maria Jeindl singt in der Rolle des Malchens ein wunderschönes Liebeslied auf ihren August, die Alpengeister singen beim ersten Auftritt, die Dienstboten singen alle gemeinsam ein Protestlied und Salchen singt in der Köhlerhütte: wahrlich ein Zaubermärchen mit Gesang! Aber wer ist Salchen? Da sieht sich der Zuschauer schon wieder in den Wald entführt, denn Rappelkopf hat in einem Wutanfall alle Möbel zerschlagen und ist von zu Hause geflohen. Habakuk, seine Diener, hatte ein Messer bei sich, und deswegen war er der Meinung, seine Frau wolle ihn ermorden lassen. Salchen nun, lieblich dargestellt von Julia Weigersdorfer, ist die Tochter des Köhlers (Christoph Mayr) und seiner Frau (Magdalena Kislinger). Rappelkopf wirft die ganze Familie mitsamt den Kindern (Manfred Stubitsch, Nikolaus Walus und Heribert Gerstner) hinaus, indem er ihnen für die alte Köhlerhütte einen Menge Geld vor die Füße wirft.
Nun greift der Alpenkönig ein und beginnt ihn an die Grenzen seines Egoismus zu führen: Ein Blick in die Vergangenheit lässt Rappelkopfs frühere Frauen erscheinen, Blitze durchzucken die Bühne, Wolken und Gewitter grollen, so dass der Exzentriker in höchster Not – kurz vor dem Ertrinken – schwört, sich zu bessern. Die Ton und Lichteffekte sind so realistisch, dass man glaubt, die Bühne gehe im Wasser unter. Zeitgenau gesteuert werden sie vom Brüderpaar Alexander und Stefan Schlösser hinter den Mischpulten für Licht und Ton.
Der Plan ist schnell geschmiedet: Rappelkopf darf sich selber einmal von außen sehen, sozusagen wie man sich selbst in einem Videofilm sehen könnte. Das Mittel dazu ist ein Zauber des Alpenkönigs: Rappelkopf wird in die Gestalt seines Schwagers (Christoph Mayr) verwandelt, der zuvor auf seiner Reise vom Alpengeist Linarius (Nikolaus Walus) gefesselt wird, und sich natürlich tierisch über diesen Spuk ärgert.
Rappelkopf – in der Gestalt des Schwagers – bleibt zunächst derselbe, nur dass ihn in seinem eigenen Haus niemand erkennt. So spielt sich im zweiten Akt eine köstliche und humorvolle Komödie ab, die aber eine wirksame Lehre enthält: Erkenne dich selbst!
Denn als nun der Alpenkönig in der Gestalt des Rappelkopf auf die Bühne stürzt und alles und jeden tyrannisiert, da erkennt der eigentliche Rappelkopf, was er wirklich ist: „Ich seh‘s ja ein, ich war ein unvernünftig Tier“. Der Höhepunkt ist ein Duell zwischen ihm und dem Alpenkönig. Doch kurz vor dem Schuss fällt der Vorhang, der Spuk ist beendet und Rappelkopf geheilt: „Kinder, ich bin ein pensionierter Menschenfeind!“ Ein Schlusschor fasst die Aussage zusammen und tosender Applaus erwartet die Mimen, als der Vorhang sich zur Verneigung öffnet.
Erwähnt werden sollen an dieser Stelle unbedingt auch all jene, die im Hintergrund zum Gelingen beigetragen haben: Theresia Weissensteiner hat zwei herausragende Bühnenbilder gemalt, dazu haben Josef und Maria Knap die Köhlerhütte gezimmert, Christine Pfatschbacher und Anastasia Jeindl halfen den Schauspielern als Souffleusen, Magdalena Kislinger stand als Regieassistenz zu Seite und Julia Weigerstorfer kreierte die Kostüme. Engelbert Jeindl half in der Bühnenassistenz.
Ein großes Stück von zwei Stunden und fünfzehn Minuten Dauer geht zu Ende. Viele Besucher werfen noch einen Blick in die Kirche und gehen zufrieden nach Hause: Der Besuch hat sich gelohnt. Das Sommertheater hat somit einen mehrfachen Nutzen: Es ist Werbung für die St. Thomaskirche. Nachbarn, Verwandte, Besucher kommen zum Theater und lernen so die Kirche kennen. Wenn die Berührungsängste und Vorurteile abgebaut werden, ist das der erste Schritt. Als nächstes folgt vielleicht der Besuch einer Maiandacht, des Adventskonzertes und schließlich – mit der Gnade Gottes – die Sonntagsmesse.
Der zweite Nutzen des Theaters ist die Jugend. Jugendarbeit besteht darin, zu FORMEN. Die Jesuiten und die Salesianer des hl. Don Bosco haben das schon gewusst. Eine der besten Methoden zur Formung des jugendlichen Charakters ist das Theater.