Vor 1700 Jahren: Kreuzauffindung durch die hl. Helena

Quelle: Distrikt Österreich

Aus einem byzantinischen Manuskript aus dem 9. Jahrhundert

Seit dem 7. Jahrhundert feiert die Kirche am 3. Mai das Fest der Kreuzauffindung. Auch wenn dieses Fest der Liturgiereform in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Opfer fiel, hält die überlieferte Liturgie daran fest. In diesem Jahr dürfen wir nun aber ein besonderes Jubiläum feiern,  denn es war im Jahr 325 n. Chr., als die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, die hl. Helena, zu einer Reise in das Heilige Land aufbrach, um das wahre Kreuz Christi zu finden. Zahlreiche historische Quellen bestätigen es: Sie fand nicht nur das Grab, sondern auch das wahre Kreuz Christi. Erstmals berichtet der hl. Ambrosius, Bischof von Mailand, im Jahr 395 über die Auffindung des Kreuzes, also nur 70 Jahre – ein Menschenalter - später. Wir dürfen also im Heiligen Jahr 2025 auch das 1700jährige Jubiläum der Kreuzauffindung feiern!

Aus diesem Anlass möchten wir Ihnen einen besonderen Schatz der alten syrischen Liturgie vorlegen, es ist ein Preisgebet für das Fest der Kreuzauffindung, das höchstwahrscheinlich auf das 4. bzw. 5. Jahrhundert zurückgeht und aus „Festkränze aus Libanons Gärten“ stammt, in dem P. Pius Zingerle den Text im Jahr 1843 erstmals ins Deutsche übersetzt hat. Der Stil erinnert an das Exsultet (Lobgesang der Osterkerze), das wir ja erst vor kurzem in der Osternacht gehört haben, dieses stammt – wie wir wissen - ebenfalls aus dem 4. oder 5. Jahrhundert. 

 

PREISGEBET FÜR DAS FEST DER KREUZAUFFINDUNG

Unaussprechliche Lobpreisungen und unendliche Verherrlichungen und reine glorreiche Jubellieder mögen wir gewürdigt werden, dem Erlöser darzubringen, der Sein Kreuz zu einer unüberwindlichen Mauer für Seine Herde machte, und es Seinem Erbe als Schild des Heiles gab, und dadurch das Horn Seiner Kirche erhöhte, und Seine Schäflein beschützte, und das Ihn verleugnende Volk zu Schanden machte, und die an Ihn glaubenden Völker erfreute: denn Ihm gebührt Preis.

Bei der herrlichen Feier des lieblichen Gedächtnisses des Kreuzes erkennen wir mit geschärften Geistesaugen voll Bewunderung die an ihm haftenden Schönheiten und feiern seine glorwürdige Erneuerung mit Lobgesängen, Verherrlichungen und Preisliedern, voll Erstaunen über die allzeit in ihm beschlossenen Güter. Denn Heilungen und Wunderwirkungen erlangen wir von ihm für die inneren und äußern Leiden, und gewinnen von ihm auch Kraft und Sieg. Darum freuen wir uns über die hehren und unaussprechlichen Mysterien des erlösenden Kreuzes. An sein Siegel nämlich ist der Sieg gegen die Feinde geheftet, und Ruhm und Erhebung ist darin für seine Verehrer, Schande aber und Beschämung für seine Verächter und die Spötter seiner Verehrer.

Ruhm gebührt heute der hl. Helena, denn durch ihre Hand ward das Andenken des Kreuzes erneuert. Heute sollen Constantins und aller gläubigen Fürsten Gebeine vor Freude und Frohlocken tanzen, denn durchs Kreuz errangen sie Sieg und Triumphe über die Gegner.

Heute sollen die Propheten sich freuen wegen ihrer geheimnisvollen Aussprüche; denn dass uns durchs Kreuz Erlösung werde, haben sie vorausgesagt. Heute sollen die Apostel frohlocken und mit Paulus rufen: „Wir wollen uns in Nichts rühmen, außer im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus; denn dies ist das Zeichen des Heiles. Heute sollen sich die Märtyrer und Bekenner ergötzen; denn Der ans Kreuz gehängt und geheftet ward, ist die Ursache ihrer Kämpfe. Heute singe Abraham, der Völker Vater, Preislieder; denn jenes Lamm, das er im Gebüsche sah, bildete die Geheimnisse Christi vor.

Heute frohlocke und juble Isaak, der Verheißung Sohn; denn durch jenes Lamm, das ans Holz gehängt ward, ist er vom Opfertod durchs Messer befreit worden. Heute feiere Moses, der Propheten Haupt, ein freudiges Fest, weil die verborgene Bedeutung seiner Händeausstreckung offenbar worden ist; denn ein Vorbild des hl. Kreuzes zeigte er, indes Aaron und Hor seine Arme stützten, und so gewann er den Sieg über Amalek. Heute freue sich und hüpfe der Prophet Elisa, denn durch jenes Holz, das er ins Wasser warf und das hinab sinkend das Eisen heraufschwimmen machte, hat er die Emporhebung unseres durch die Sünde beschwerten Geschlechtes durch Jenen, Der ans Holz gehängt wurde, voraus angezeigt.

Heute soll die hl. Kirche als Königin zur Rechten (Psalm 44, 10) ein Fest feiern ihrem Verlobten; denn durch Sein Kreuz ist sie erlöst und ihr Gewand mit gutem Golde geschmückt. Heute wollen wir alle festlich jubelnd die Feier des erlösenden Kreuzes ehren, durch dessen Leiden wir erlöst sind, voll Ehrfurcht vor ihm uns neigend und die an ihm gereihten Mysterien verkündend, indem wir sprechen: Das Kreuz ist unsere Erhöhung, macht uns vollkommen und behütet uns. Das Kreuz ist das Zeichen, welches dem Teufel furchtbar ist und die Dämonen zittern macht. Das Kreuz ist Tilger der Sünden und Nachlasser der Schulden. Das Kreuz ist die Gemeinschaft mit dem Vater und dem hl. Geiste; es ist der Grund aller Schöpfung, der Anfang und die Säule der bewohnten Welt. Durch das Kreuz sind die Weissagungen der Propheten bestätigt und die Apostel mit dem heilbringenden Evangelium gerüstet worden. Durch das Kreuz kämpften die Märtyrer gegen die grausamen Könige und besiegten die mächtigen Verfolger.

Durch das Kreuz kreuzigten die Einsiedler und Mönche sich selbst der Welt, und die Welt ward für sie gekreuzigt. Durch das Kreuz ist alle Gewalt des Widersachers vereitelt und vernichtet. Durch das Kreuz sind die Bewohner der Höhe und Tiefe verbunden und vereint worden. Durch das Kreuz wurden die Völker von der Götzenverehrung abgeführt und lernten im Geist und in der Wahrheit anbeten.

Deswegen verehren auch wir niederfallend das Kreuz und preisen unsern Herrn Jesus Christus, der daran geheftet worden war, und erheben den anbetungswürdigen allseligen Vater und benedeien Seinen lebendigen hl. Geist, jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.

 

Sei gegrüßt, o Kreuz, unsere einzige Hoffnung!