Brief an die Katholische Jugendbewegung
Darstellung des hl. Franziskus in der Wiener Minoritenkirche (15./16. Jh.)
Der hl. Franziskus strahlte wie ein Stern, er leuchtete im Dunkel der Nacht
Liebe Jugendliche!
Vor einigen Wochen, Ende Oktober 2023, konnten wir uns alle in Wien beim großen Christkönigstreffen der Katholischen Jugendbewegung kennenlernen. Es war ein wunderbares Ereignis für Wien und darüber hinaus. P. Elias Stolz, seit letztem Jahr Rektor der Minoritenkirche in Wien, hat den Vorschlag gemacht, dass wir uns für das kommende Jahr intensiv mit dem hl. Franz von Assisi befassen. Dem habe ich gerne zugestimmt. Das Jahresmotto für 2024 lautet also: „Wo Hass, da lass mich Liebe spenden, Streit lass mich durch Verzeihen enden.“ Dazu möchte ich einen ersten Anstoß geben und Eure Seelsorger vor Ort, vor allem aber der KJB-Priester, werden das Thema mit Euch ganz besonders vertiefen.
Wieso feiert man diesen Heiligen so gerne und ganz besonders in diesem und in den kommenden Jahren, wo es so viele 800-Jahr-Jubiläen dieses Heiligen gibt? Die Antwort ist sehr einfach und leicht zu geben: Kaum ein Heiliger hat so stark auf die gesamte Christenheit eingewirkt und so viele echte, wahre und gute Reformen der Kirche bewirkt, wie der hl. Franziskus.
Die Liebe zu Christus, die Liebe zu Seiner Kirche, war damals fast ganz verschwunden, sie war dermaßen schwach geworden, dass man annehmen konnte, sie sei vollständig erloschen. Italien war zu einer rauhen Gegend verkommen, Bürgerkriege durchzogen das ganze Land. Mord, Blutvergießen war an der Tagesordnung und vom übrigen sittlichen Leben brauchen wir hier nicht näher zu schreiben. Es gab ein unersättliches Streben nach materiellen Dingen, nach irdischem Reichtum, nach einem schönen Leben auf Erden. Und doch wurden die Menschen, vielleicht gerade dadurch, zu wilden Bestien des Egoismus. Mit der anderen Seite, nämlich mit Armut, Krankheit und Leid wollte man nichts zu tun haben. Die Religiosität erlosch zusehends, die Liebe zu Gott und zum Mitmenschen erkaltete. Die wahre Ordnung der Liebe wurde ins Gegenteil verkehrt: Ich, die anderen, Gott! Das aber ist grundfalsch, damals wie heute. Selbst in der Kirche, unter den Priestern und in den Klöstern herrschte die Verweltlichung.
Gott hat in diese Finsternis der damaligen Welt, die der heutigen in vielen Zügen durchaus sehr ähnlich war, auf einmal ein ganz besonderes Licht gesandt. Die Sonne ging wieder auf, wie der große Meister der italienischen Dichtung, Dante Alighieri, es treffend formulierte. Der erste Biograph des hl. Franz von Assisi, Thomas von Celano schrieb, dass Franziskus wie ein Stern strahlte und das Dunkel der Nacht erleuchtete.
Geboren wurde unser Heilige 1181 oder 1182 als Giovanni di Pietro di Bernardone. Sein Vater, der zu dieser Zeit gerade auf einer beruflichen Reise in Frankreich unterwegs war, nannte diesen Sohn immer Francesco, kleiner Franzose. Franz von Assisi wuchs heran und wurde ein gutaussehender, leidenschaftlicher junger Mann, von übersprudelndem Gemüt. Der Sohn des reichen Kaufmanns Bernardone, hatte eine Vorliebe für üppige Feste im Kreis seiner Freunde und zog mit diesen gerne herum. Er war ein normaler Jugendlicher in vielerlei Hinsicht, aber er kannte doch klar die sittlichen Grenzen und versuchte, sie gut einzuhalten. Nach einigen einschneidenden Ereignissen, die aber im Bereich des Gewöhnlichen lagen, bemerkte Franziskus eine innere Umwandlung und versuchte, sich Gott zu entziehen. Ein sehr klares Zeichen für eine Berufung!
Franziskus versuchte, sich abzulenken und zog von zu Hause weg. Aber er erhielt nun die klare Weisung Gottes, nach Assisi zurückzukehren. In Assisi wird er nun erfahren, was der Wille Gottes ist, wie es in seinem Leben weitergehen soll.
Liebe Jugendliche, hier wollen wir in der Lebensgeschichte des Heiligen, über die man dicke Bücher schreiben kann, innehalten. Wir wollen eine Anwendung machen auf das eigene Leben.
Für Franziskus sind Armut und Demut das entscheidende Fundament im Leben, um wirklich ein liebender Mensch zu werden und in der Gottes- und Nächstenliebe aufzusteigen. „Die heilige Armut beschämt alle Begehrlichkeit, Habsucht und ängstliche Sorge um die weltlichen Dinge. Die heilige Demut beschämt den Stolz und alle Menschen dieser Welt und alles, was in der Welt ist!“, so schrieb unser Heiliger einmal selbst.
Armut heißt nicht unbedingt, nichts zu besitzen, wenn man von der Tugend spricht. Die Armut als Tugend bedeutet noch nicht das Gelübde der Armut bei den Ordensleuten. Es ist das, was Jesus in der Bergpredigt an erster Stelle anspricht: „Selig die Armen …“
Sind das nicht die alltäglichen Probleme? Ja, eigentlich hat Franziskus völlig recht, auch in unserem Fall. Die falsche Begehrlichkeit, die Habsucht, also der zwanghafte Drang, immer mehr haben zu wollen, ohne Rücksicht auf andere und unabhängig vom Nutzen und damit verbunden auch die ständige Angst um meine materiellen und auch geistigen Güter, meine Ideen, meine Sachen ... hier haben auch wir sehr oft ein Problem. Dann der Stolz mit all seinen Blüten, wie Eitelkeit, Ehrsucht und Herrschsucht.
Franziskus möchte, dass wir uns zu Gott erheben, dass wir übernatürliche Menschen sind. Er möchte aber auch unser ganzes geistiges Leben läutern, dass wir aufhören, Minimalisten zu sein, die es nicht verstehen, sich hinzugeben und zu lieben, die ein kleines Herz haben, die keine großen und kühnen Pläne für eine gute Zukunft haben, die sich nicht für die Kirche und die Gesellschaft einsetzen wollen, unter Umständen mit dem ganzen Leben.
Beim hl. Franziskus ist kein Platz für die Egoisten, die Feiglinge, die Indiskreten, die Pessimisten, die Lauen, die Unvernünftigen, die Faulen, die Ängstlichen und die Leichtsinnigen. Der hl. Franziskus braucht junge Menschen, die ein großes Herz haben, auch wenn ihre Schwächen einmal groß waren, Menschen, die fähig sind zur Hingabe des Herzens und des Verstandes, Menschen, die dem Ruf Gottes auch antworten und sich nicht gleich in einem neuen Anfall von Egoismus wieder verkriechen. Und wo steht Ihr, liebe Jugendliche? Habt Ihr ein großes Herz, das brennt aus Liebe zu Gott und zum Nächsten? Seid Ihr junge, starke Leute, die fähig sind zur Hingabe? Fähig sind, eine gute Familie zu gründen? Fähig, wenn Gott ruft, auch alles zu verlassen und Priester zu werden oder in einen Orden einzutreten und dann nicht mehr zurückzublicken, sondern vorwärtszugehen und in der Liebe Tag für Tag zu wachsen, vor allem auch in der Liebe zur Kirche?
Am letzten Christkönigsfest erzählte ich vom hl. Franz von Assisi, dass er sich als "Herold des großen Königs" sah. Habt Ihr das ein wenig verinnerlicht? Regiert Jesus wirklich in Eurem Herzen in Eurem Alltag, dort wo ihr seid, in der Familie, in der Schule, in der Lehre, an der Universität, am Arbeitsplatz? Um den Willen unseres Königs Jesus Christus zu erfüllen, ist es notwendig, dass ihr ein gutes inneres Leben habt: dass ihr Seelen des Gebets seid, vor allem auch, dass Ihr immer mehr begreift und beherzigt, aus der Eucharistie zu leben, hier ist die große Kraftquelle! Ich bitte die Priester, gerade das in der Jugendarbeit immer vor Augen zu haben.
Mein Wunsch an Euch in diesem Jahr: Lasst Euch vom Feuer des hl. Franziskus, das ein Feuer der Liebe zu Gott und zum Nächsten ist, wirklich anstecken, die Kirche braucht mutige und kühne junge Männer und Frauen, die wirklich bereit sind, Gott und dem Nächsten zu dienen, auch in den oft großen Schwierigkeiten unserer Zeit. Das ist es auch, was Euch wirklich erfüllen und glücklich machen wird, schon hier auf Erden. Habt den Schwung, den Eifer des hl. Franziskus, seine große Liebe zur Kirche! Möge durch die Katholische Jugendbewegung wieder die Sonne aufgehen in der Kirche in unserem Land, möget ihr alle leuchtende Sterne sein, wie Franziskus im Dunkel unserer Zeit, durch Euer Leben, Eure Hingabe, Eure Liebe!
Ich bete für Euch und segne Euch!
P. Johannes Regele
Jaidhof, am 6. Jänner 2024