Der hl. Stephan, König von Ungarn

Quelle: Distrikt Österreich

Darstellung des hl. Stephan in der Abtei Pannonhalma, Ungarn

Die Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955 (in der Nähe des heutigen Augsburg) brachte eine entscheidende Wende für das Ostfrankenreich, sie beendete die seit 60 Jahren andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Magyaren, welche in dieser Schlacht vernichtend geschlagen wurden. Der Sieger, Otto I., „der Große“ wurde zum Retter der Christenheit, im Jahr 962 krönte ihn Papst Johannes XII. zum römisch-deutschen Kaiser. 

Ungarn aber eröffnete diese entscheidende Schlacht den endgültigen Zugang zum Christentum, das dieses Land im Laufe der folgenden Jahrzehnte von Grund auf umgestalten und erneuern sollte. Mit der Christianisierung des Landes ist untrennbar der Name des ersten ungarischen Königs, Stephan I. verbunden.

Stephan wurde im Jahr 969 in Gran (Esztergom) als Sohn des Arpadenfürsten Geza geboren. Dieser erkannte die christliche Lehre neben den heidnischen Götterkulturen zwar an, war aber noch tief im Heidentum verwurzelt. Von Stephans Vater ist der Ausspruch überliefert: „Ich bin reich genug, den Göttern zu opfern und zugleich dem Christengott zu dienen“. Er gelangte fünfzehn Jahre nach der Lechfeldschlacht an die Macht und er hielt nicht viel von Glaubensthesen, wohl aber von einer himmlischen Unterstützung seiner Arbeit.

Der hl. Adalbert als Erzieher

Eine entscheidende Rolle in der Erziehung und Formung des jungen Stephan hatte der Bischof von Prag, der hl. Adalbert, dieser hielt sich wiederholt in Ungarn auf.  Er war es, der dem jungen Stephan das wahre Christentum lehrte, ihn taufte und auch die Firmung spendete und damit eine entscheidende Wende im Leben des jungen Mannes, aber auch in der Entwicklung seines Heimatlandes bewirkte. Der hl. Adalbert wurde später zum „Apostel der Ungarn“ ernannt und als Stephan bereits König war, ließ er die Kathedrale in Gran zu Ehren Adalberts weihen, wodurch Adalbert zum Patron der ungarischen Kirche wurde.

Im Jahr 995 heiratete Stephan die Prinzessin Gisela von Bayern, eine Schwester Kaiser Heinrichs II., des Heiligen. Sie brachte in ihrem Gefolge viele Ritter, Priester und Mönche an den ungarischen Hof und sie wurde zu Stephans Helferin und Beraterin beim Aufbau eines christlichen Ungarnreiches. Stephans Vater starb Anfang des Jahres 997, Stephan sollte ihm als ungarischer Großfürst folgen. Aber schon bald kam es zu einem Aufstand, die Rolle als Thronfolger Gezas wurde ihm streitig gemacht. Nach Auffassung der Reiternomaden war Koppany, ein Cousin des ungarischen Großfürsten Geza, der das Gebiet südlich des Plattensees beherrschte, allein berechtigt, das Erbe anzutreten. Koppany forderte die Herrschaft über Ungarn nach dem Senioratsprinzip der Arpaden, wonach das älteste männliche Mitglied des Clans der Anführer sei. Er verlangte, die Witwe Gezas zu heiraten und sammelte seine Reiternomaden zum Kampf gegen seinen Neffen Stephan.

Machtkämpfe

Stephan sammelte seine Streitkräfte und in Gran fand eine Einsetzungszeremonie nach westlichem Brauch statt: der junge Großfürst wurde in der Kirche mit einem geweihten Schwert umgürtet. Stephan erflehte die Hilfe der Gottesmutter und schickte seine Truppen mit der Fahne des hl. Martin, der aus Pannonien stammte, in den Kampf. In der Schlacht bei Veszprem im Jahr 998 unterlag Koppany und wurde noch am Schlachtfeld hingerichtet.

Stephan‘s Macht war nun gesichert und niemand konnte ihm mehr die Großfürstenwürde streitig machen.  Er begann, konsequent an der Christianierung seines Landes zu arbeiten, aber auch an der Vertiefung seines eigenen Glaubens.  Sein Vater hatte bereits mit der Ansiedlung der Benediktiner auf dem Heiligen Berg Pannoniens (Pannonhalma, Martinsberg) den Grundstock für die Missionsarbeit gesetzt. Stephan war es, der das Kloster zur Erzabtei erhob, die zu diesem Anlass ausgestellte Urkunde ist bis heute das wertvollste Schriftdokument in Pannonhalma. Seit damals gilt dieses Stift als Zentrum des Benediktinerordens in Ungarn.

Die Christianisierung des Landes schreitet voran

Mit Hilfe der Schüler des hl. Adalberts begann Stephan den Bau von Kirchen und die Organisation von Pfarren und Diözesen. Veszprem und Gran wurden die ersten Bischofssitze Ungarns. Der Gehorsam des Volkes war anfangs eher auf Furcht, als auf Zuneigung zum Herrscher gegründet. Die Menschen ließen sich taufen, verehrten aber insgeheim weiter ihre Naturgottheiten. Nur langsam erkannten sie, dass Stephan in allen Dingen nur das Wohl des Volkes im Auge hatte und nur langsam wurde ihnen die alleinige Wahrheit der christlichen Religion bewusst. Stephan ließ seinem Volk Zeit für diesen Prozess, er rief Priester aus Italien und Deutschland, die als Lehrer seines Volkes wirkten. Über das ganze Land hinweg gründete er Klöster und Schulen. Er war festen Willens, auch mit den letzten Resten des Heidentums in seinem Land aufzuräumen.

Krönung zum König von Ungarn

Gegen Ende des Jahres 1000 schickte Stephan den Abt Ascherich (mit Mönchsnamen Anastasius) nach Rom, wo Papst Silvester II. und Kaiser Otto III., die Vertreter der beiden höchsten Gewalten der abendländischen Christenheit, residierten. Stephans Ziel war es, die Königswürde verliehen zu bekommen. Der christliche König jener Zeit galt nicht nur als Beschützer der Christenheit, sondern hatte als Stellvertreter Christi auf Erden auch eine hohe religiös-erzieherische Aufgabe. Um diese hohe moralische Pflicht erfüllen zu können, bedurfte es der besonderen Gnade Gottes, die ihm durch die Königsweihe zuteil wurde. Die politische Souveränität, die diese Würde mit sich brachte, stand für Stephan im Hintergrund, als seine eigentliche Aufgabe betrachtete er die Verbreitung des Christentums in seinem Reich. Papst Silvester II. war hoch erfreut über die zunehmende Christianisierung Ungarns und sandte ihm eine goldene Krone, die „Stephanskrone“ und verlieh ihm den Titel „Apostolischer König“. Am 1. Januar 1001 wurde Stephan feierlich zum König gekrönt. Im darauffolgenden April wurde Gran (Esztergom) durch ein päpstliches Schreiben zum Erzbistum erhoben.

Stephan erwies sich als guter und gerechter Herrscher. Mehrere Aufstände schlug er mit Erfolg nieder und besiegte innere und äußere Feinde, die sich ihm und seinem Ansinnen, aus ganz Ungarn ein christliches Land machen zu wollen, entgegenstellten. Diese Kriege zu führen, war ihm zutiefst zuwider, aber ihn leitete ein höheres Ziel: sein Reich sollte ein christliches Reich sein, das in Frieden leben konnte. Und es kam der Zeitpunkt, dass die Kriegsführung gegenüber den friedlichen Mitteln der Belehrung und Erziehung in den Hintergrund treten konnte: Stephan hatte das Land der Ungarn unter sich vereint. Als Kaiser Otto III. im Januar 1002 starb, bestieg Stephans bayrischer Schwager, Heinrich II., den Thron. Im Sommer 1002 schickte der Kaiser einen Urkundenschreiber seiner Kanzlei nach Ungarn, um die wichtigsten Rechtsakte des jungen Königs schriftlich niederzulegen, die wir heute wohl als Verfassung des Landes bezeichnen würden. Man bedenke, dass in jener Zeit nur die geistliche Elite lesen und schreiben konnte.

Der König ließ durch Briefe und Boten im Westen verkünden, dass er zur Verbreitung des Evangeliums Mitarbeiter im Weinberg des Herrn brauche und zahlreiche Äbte, Mönche und Priester brachen nach Ungarn auf, um unter dem Schutz des Königs Klöster zu gründen und nach ihren Regeln zu leben. Unter der Herrschaft Stephans wurde Ungarn das wichtigste Bindeglied zwischen Westeuropa und dem christlichen Orient. Im Gegensatz zu Westeuropa, wo ständig verheerende Kriege wüteten, herrschte in König Stephans Reich Sicherheit und Ordnung.

Kaiser Heinrich II. starb im Jahr 1024, sein Nachfolger Konrad verstand seine Regentschaft anders als sein Vorgänger, er wollte das Imperium als ein reales Staatengebilde umstrukturieren. Auch die Herzöge von Böhmen und Polen wie auch König Stephan von Ungarn sollten ihm den Vasalleneid leisten. König Stephan geriet in eine schwierige Lage. Er ordnete im ganzen Land Beten und Fasten an und flehte zur Gottesmutter, ihr Sohn möge nicht die unschuldigen Schafe bestrafen, sondern ihn, den schuldigen Hirten – so erzählt es uns eine der Lebensbeschreibungen (Legenda maior). Konrads Truppen scheiterten an der Verteidigungstaktik des östlichen Nachbarn, von Hunger bedroht und demoralisiert desertierten sie. Voll von Dankbarkeit schenkte der König im Jahr 1031 der von ihm erbauten Liebfrauenkirche von Stuhlweißenburg eine überaus prächtige Kasel, die als Krönungsmantel der ungarischen Könige erhalten geblieben ist. Über Vermittlung Bayerns kam es zum Friedensschluss mit dem Kaiser.

Der Tod des Thronfolgers

Nun aber traf König Stephan der schwerste Schicksalsschlag seines Lebens: Sein einziger Sohn und Thronerbe, Emmerich, starb im Jahr 1031 in jugendlichem Alter bei der Jagd, vermutlich infolge des Angriffes eines wütenden Ebers. Stephans Zukunftspläne und Hoffnungen waren dahin. Sorgfältig hatte er seinen Sohn auf die Übernahme der Regentschaft vorbereitet, auch hatte er ihm eine sehr religiös geprägte Erziehung zukommen lassen. Um das Jahr 1015 verfasste er ein Büchlein mit „Ermahnungen“ für seinen Sohn, der damals knapp zehn Jahre alt gewesen sein mag. Neben grundsätzlichen Feststellungen und moralischen Anweisungen lesen wir: „Mein liebster Sohn, Süßigkeit meines Herzens, Hoffnung künftiger Nachkommenschaft….. Solltest du zornig, hochmütig, unfriedlich zu den Untertanen und Adeligen sein, so wird die Stärke der Bewaffneten zur Verderbnis deiner königlichen Würde und dein Königtum wird auf andere übertragen werden.“

Nach dem Tod Emmerichs lastete die Sorge um sein Land schwer auf Stephan, sein Lebenswerk schien gefährdet, aber nichtsdestotrotz widmete er sich vermehrt den Armen und oft schenkte er ihnen seine eigenen Kleider. Seine Boten suchten die Klöster, sogar im Ausland, mit seinen Gaben auf, und diese verteilten sie an die arme Bevölkerung.

Regelung der Nachfolge

Stephans Cousin Vaszoly, war nach ihm das älteste Mitglied des Arpadenhauses, war aber mit seiner Familie noch heidnisch orientiert, was klar aufzeigt, dass Stephan jeden direkten Zwang zur Missionierung ablehnte. Für seine Nachfolge aber schied dieser Cousin aus. So fiel seine Wahl auf Peter Orseolo, den Sohn seiner Schwester, den er zum Befehlshaber der königlichen Streitmacht ernannte. Mit diesem Schritt bestimmte er Peter praktisch schon zum Thronfolger. Der durch Krankheiten geschwächte König hatte trotzdem noch große Auseinandersetzungen wegen seines Nachfolgers auszufechten, um die sich verschiedene Legenden ranken.

Als er seinen Tod nahen sah, beherrschte ihn ein sehnlicher Wunsch: Er möge am Fest Mariä Himmelfahrt sterben, er hoffte auf die Gnade, an der Hand der Gottesmutter in den Himmel aufsteigen zu dürfen. Und tatsächlich ging sein Wunsch in Erfüllung: Er starb am 15. August 1038 und seine letzte Ruhestätte fand er, seinem Wunsche gemäß, in der Marienkirche in Stuhlweißenburg (heute: Szekesfehervar) neben seinem Sohn Emmerich. Der Sterbeort ist uns nicht überliefert. Seine rechte Hand ist heute noch unversehrt und wird als Reliquie in der Stephansbasilika in Budapest aufbewahrt und verehrt.  

Sein Leben ist uns in drei Lebensbeschreibungen überliefert, die innerhalb weniger Jahrzehnte nach seinem Tod entstanden. In ihnen werden zahlreiche Heilungen an Stephans Grab detailgenau geschildert. Hier wird auch erklärt, warum die rechte Hand des Königs nicht verweste: „Zu Recht wurde die Rechte des Heiligen von keinerlei Fäulnis ergriffen, da sie immer in der Blüte der Frömmigkeit stand, bei der Hilfe für die Armen nie leer war, nie ohne die erbetenen Gaben. Er kam denen zu Hilfe, die in Not waren, befreite die Unterdrückten vom Joch der Knechtschaft, gab dem Fremdling Mantel und Herberge…“ Nur wenige Tage nach seinem Tod, am 20. August 1083, wurde König Stephan, gemeinsam mit seinem Sohn Emmerich, heiliggesprochen.

Der hl. König Stephan von Ungarn heute?

Tausend Jahre trennen uns von diesem vorbildlichen Herrscher für sein Volk, der es aus dem Dunkel des Heidentums in das helle Licht des wahren christlichen Glaubens führte. Was kann der heilige König uns heute noch sagen? Welche Bedeutung könnte sein Leben für unsere Zeit haben? Der hl. Stephan stellte sich von seinen Jugendtagen an ganz unter die Führung Gottes und unter den Schutz und die Fürsprache der Gottesmutter. Aus seinem Glauben bezog er die Kraft, ein zuvor heidnisches Land in einer schwierigen Zeit dem katholischen Glauben zu öffnen, und das in den wenigen Jahrzehnten seiner Lebenszeit. Er könnte uns ein mächtiger Fürsprecher sein, um gute, weise und vor allem gläubige Politiker, die ihr Handeln aus dem Auftrag Gottes heraus verstehen und nicht das ihnen anvertraute Volk der Verwirrung, dem sittlichen Verfall und einem Neuheidentum preisgeben.  

 

Festtag: 2. September

In Ungarn wird der Tag seiner Heiligsprechung, der 20. August, bis heute als Nationalfeiertag begangen.

Tagesgebet am 2. September:

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott: gewähre Deiner Kirche die Gnade, an Deinem hl. Bekenner Stephan, der sie als König auf Erden ausbreitete, einen glorreichen Vorkämpfer im Himmel zu haben. 

 

Quellen:

„Die heiligen Könige“ von Thomas Bogyay

„Stephanus Rex“ von Thomas von Bogyay

„Helden und Heilige“ von Hans Hümmeler

„Das große Buch der Heiligen“ von Erna und Hans Melchers

„Heiligenlegende“ von Ludwig Auer