Der katholische Priestertum und die Not der Kirche

Quelle: Distrikt Deutschland

Predigt von Bischof Bernard Fellay zu den Priesterweihen am 20. Dezember 2014 im Seminar Maria Miterlöserin, La Reja, Argentinien

Anlässlich der Priesterweihen im argentinischen Priesterseminar der Priesterbruderschaft St. Pius X. hielt der Generalobere der FSSPX eine bisher unveröffentlichte Predigt. Die Predigt wurde für pius.info übersetzt und wird in zwei Teilen veröffentlicht. Bischof Bernard Fellay spricht unter anderem von seinen Begegnungen mit Papst Benedikt XVI. und einem Gespräch über den Notstand der Kirche.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Liebe Mitbrüder im Priesteramt, liebe Weihekandidaten, liebe Seminaristen, Schwestern, Brüder, liebe Gläubige:

Wir stehen in der Quatemberzeit, in der Woche, die uns direkt auf das Fest vorbereitet, in welchem die Fleischwerdung unseres Herrn in Seiner Geburt geschah und das Geheimnis der Erlösung der Welt sichtbar wurde, das Geheimnis der Menschwerdung unseres Herrn. Lassen Sie uns dieses Geheimnis betrachten und, indem wir es bedenken, auch das Geheimnis dieser Weihen betrachten. Es gibt nämlich sicherlich eine Beziehung und eine sehr wichtige Verbindung zwischen den beiden, zwischen der Menschwerdung unseres Herrn und der Priester- sowie der Diakonenweihe.

 

Die Menschwerdung ist ein Vorbild des Priestertums

Was geschieht bei der Menschwerdung? Bei der Menschwerdung nimmt Gott – das Wort Gottes –, die zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, eine menschliche Natur an. Dieses Geheimnis kann als bloßes theologisches Problem angesehen werden, es ist aber mehr: es ist eine Wahrheit und eine Tatsache. Es ist Wirklichkeit geworden, es ist etwas sehr Konkretes. Es ist so konkret, dass Gott sich eine ganz konkrete Frau ausgewählt hat, um diese einzigartige menschliche Gestalt anzunehmen, die allerseligste Jungfrau Maria. Und er hat sehr konkrete historische Umstände ausgewählt. O ja, die Menschwerdung ist etwas sehr Konkretes! Und das können wir auch von der Priesterweihe sagen.

Man kann auf eine recht theoretische Weise vom Priestertum reden, so wie wir es in der Theologie tun. Man kann, soweit das möglich ist, dieses große Geheimnis der Priesterweihe erklären. Aber man darf nicht vergessen, dass die Weihe, durch die ein Mann zum Priester unseres Herrn wird, etwas sehr Konkretes ist, das sich auch unter konkreten historischen Bedingungen verwirklicht. Es ist wichtig, gerade im Rahmen dieser Priester- und Diakonenweihe zu sehen, dass mit diesen so wertvollen Tatsachen genau das geschieht, was von der Kirche durch die Jahrhunderte gewollt wird: die Handauflegung durch den Bischof und die Form der Weihe, ganz konkrete Dinge wie auch die Materie – weil Gott mit diesen sehr konkreten Elementen die Weitergabe seines Priestertums verbunden hat. Wir wollen diesen, wie der hl. Paulus sagt, von Gott auserwählten  Männern sein Priestertum, das Priestertum unseres Herrn und die Teilhabe daran weitergeben.

 

Der Ruf der Kirche ist notwendig

Nicht sie selbst haben sich auserwählt, die Weihen zu empfangen. Sie haben den Ruf Gottes durch die Kirche vernommen, denn es ist die Kirche, welche sie im Namen Gottes zum Priestertum ruft. Nein, kein Mensch kann sich aus eigener Überlegung heraus berufen fühlen. Es ist ein Ruf Gottes. Wir sprechen von konkreten Umständen. Der erste ist, dass die Kirche will, dass die Priesterweihe gewissermaßen als Fleischwerdung des Priestertums immer innerhalb ihrer selbst stattfindet. Die Kirche erlaubt nicht, dass diese wertvollsten Güter außerhalb ihrer selbst gespendet werden, und daher ist es notwendig, dass der Priester – wie man es nennt – inkardiniert sein muss; die Inkardination ist eine Einbindung oder eine Verwurzelung in der Kirche, in den mystischen Leib. Die Kirche hat die Nichtbefolgung dieser Bestimmungen, sei es durch den Bischof, sei es durch die Kandidaten, mit schweren Strafen belegt. Der lateinische Begriff lautet „vagus“: man braucht diese Bindung an die Kirche; ein „vagus“ ist jemand, der sich frei in jegliche Richtung bewegen kann, und das will und erlaubt die Kirche nicht.

Nun, genau das ist es, was die heutigen römischen Autoritäten vorgeben und sagen, nämlich dass das, was wir tun, irregulär sei; es wird gesagt, die Priesterbruderschaft existiere nicht und dass deshalb diese Einbindung in die Kirche durch die Priesterbruderschaft ebensowenig existiere. Und wir erklären, dass wir starke Argumente haben, um zu sagen, dass, wie man sehen kann, die Priesterbruderschaft sehr wohl existiert; dass sie als eine Gemeinschaft der Kirche existiert, im Gegensatz zu so vielen in der Kirche, welche das Gegenteil behaupten. Diese rein kirchenrechtliche Frage hat nur geringe Bedeutung. Es gibt sehr konkrete Umstände, welche das rechtfertigen, was wir vollziehen werden, und es gibt viele, die diese Umstände als Notstand qualifizieren und beschreiben.

 

Der Notstand

Was nun ist der Notstand? Welches sind die Umstände, welches sind darüber hinaus die Folgen dieses Notstandes? Wenn man von einem Notstand spricht, betrifft das eine Gesellschaft; meistens ist es die bürgerliche Gesellschaft, es kann auch ein Land sein, eine Stadt, eine Provinz – ein gewisser Teil der Gesellschaftsordnung, das heißt, des Zusammenlebens der Menschen, der wegen verschiedener Umstände wie einer Katastrophe, eines Krieges oder anderer Störungen, die den Organisationen dieser Gesellschaft ihre Arbeit unmöglich machen, nicht mehr funktioniert. Wenn zum Beispiel ein Erdbeben eine Stadt zur Hälfte zerstört hat und die Polizei die Situation nicht mehr unter Kontrolle hat, wenn die Kranken nicht mehr versorgt werden können, die Feuerwehr nicht mehr ausrücken kann, dann funktioniert die Gesellschaft nicht mehr normal. In diesem Zustand gibt der Staat als ganz außergewöhnliche Ausnahme einige von seinen Kompetenzen ab – auf völlig außergewöhnliche Weise –, um zu überleben, um sicherzustellen, dass das Leben in dieser Gesellschaft weitergeht, um das Überleben zu sichern.

 

Ein Beispiel

Stellen wir uns vor: es brennt. Normalerweise ist es die Aufgabe der Feuerwehr, sich um dieses Feuer zu kümmern; aber wer wäre so verrückt, zu sagen: „Ach nein, bleiben wir ruhig, warten wir auf die Feuerwehr!“ Nein: jeder wird verstehen, dass ein jeder alles tun muss, um dieses Feuer, diesen Brand zu löschen. Dasselbe gilt für den Straßenverkehr: Wenn die Ampeln ausfallen und keine Polizei vor Ort ist, wer wird denn dann sagen: „Ach nein, bleiben wir ruhig, bis die Ampeln wieder funktionieren!“ Nein, es ist klar, dass die Situation so gut geregelt werden muss, wie es möglich ist, ohne auf die zu warten, die nicht kommen und ihrer Verantwortung nicht mehr nachkommen. Nun gut, wir sagen, dass in der katholischen Kirche – und nicht nur in einer speziellen Weise, das heißt in einer Region oder Diözese, sondern in der ganzen Kirche – allgemein ein Notstand herrscht. Das ist nichts Theoretisches, sondern etwas sehr Konkretes, das sind Tatsachen. Die Verantwortlichen, die kompetenten Persönlichkeiten, jene, die das innehaben, was man die Jurisdiktion nennt, sind in einer solchen Lage, dass sie ihre Gewalt nicht auf normale Weise ausüben. Und das richtet in den Seelen einen maßlosen Schaden an.

 

Benedikt XVI. hat den Notstand anerkannt

Dass ein Notstand vorliegt, liebe Brüder, habe ich direkt von Papst Benedikt selbst. Das war folgendermaßen: es war während der Audienz, die er mir im Jahre 2005 gewährte. Während dieser Audienz sagte er mir:

„Sie (das heißt, die Bruderschaft, also wir) rechtfertigen Ihr apostolisches Handeln in der Kirche mit dem Notstand. Das wissen wir in Rom sehr wohl.“ Und dann fuhr er fort: „Aber, nein, Sie können das nicht tun, denn ich arbeite an der Lösung der Probleme, ich arbeite an der Lösung der Probleme“.

Also, zunächst einmal, es gibt Probleme.

Zweitens gibt es eine Absicht, diese Probleme zu lösen, und wenn es einen Versuch gibt, dann  bedeutet das, dass es noch keine Lösung gibt, es gibt vielleicht einen ersten Schritt. Und doch, aus dem Munde des Papstes selbst, in dem Moment, als er uns sagt, dass wir uns nicht darauf stützen können, sagt er es selbst. Und in diesem Augenblick dachte ich:

– „Vielen Dank, Heiliger Vater, Sie haben es gesagt!“

Und er fuhr fort – es war ein Monolog, denn es gab unsererseits keine Einmischung und keine Fragen –:

– „Gut, man kann sich fragen, ob nicht ein Notstand besteht in Frankreich und in Deutschland...“

Und so dachte ich wieder bei mir selbst:

– „Nun, aber warum sollte es einen Unterschied zwischen Deutschland, Frankreich und den anderen Ländern geben? Es ist doch mehr oder weniger dasselbe.“

Verstehen wir das richtig: In demselben Augenblick, in dem der Heilige Vater unsere Position angreift, welche besagt, dass es einen Notstand gibt, sagt er am Ende selbst, dass es sehr wohl möglich ist, dass es einen solchen Notstand gibt.

Und es gibt, wie Sie ja wissen, ein juristisches Gesetz: „in dubia libertas“: Wenn es eine Unschlüssigkeit gibt, nicht Gewissheit, sondern eine Unschlüssigkeit, dass es einen Notstand gibt, dann reicht diese Unschlüssigkeit aus, um eine Handlung zu begründen. Darüber hinaus ist das auch durch das Kirchenrecht vorgesehen. Man nennt das den „error communis“, einen „allgemeinen Irrtum“. Es gibt eine Unschlüssigkeit, einen Zweifel, das heißt einen allgemeinen Rechtsirrtum, nicht nur über Tatsachen, sondern über das Recht. Es gibt eine Rechtfertigung durch das Gesetz selbst, das ist wichtig. Warum? Weil das bedeutet, dass die Kirche, wenn die zuständigen Autoritäten ihrer Aufgabe nicht nachkommen, zum Heile der Seelen auch gegen die von ihr vorgesehenen Wege eine Ergänzung gewährt: „Ecclesia supplet“, also eine ergänzende, zusätzliche Jurisdiktion, um diese Seelen in höchster Gefahr zu erreichen.

Und warum ist das so? Das ist etwas strikt Juristisches: „suprema lex salus animarum“: das oberste Gesetz der Kirche, das Gesetz, welches alle Gesetze der Kirche leitet und begründet; ein Gesetz, das alle und jede ihm widersprechende Anordnung und Bestimmung außer Kraft setzt. Es ist das oberste, das Grundgesetz der Kirche: „lex suprema salus animarum“, das Heil der Seelen. Wenn also Bedingungen herrschen – das ist selten, aber es kommt vor –, unter denen es sich wegen dieser Bedingungen unter genauer Beachtung der Gesetze der Kirche verbietet oder als schwierig oder gar unmöglich erweist, eine Seele zu retten, dann, so sagt die Kirche, muss man die Gesetze ignorieren, dann muss man sie außer Kraft setzen und dieses Gesetz praktisch nicht beachten.

 

Ein weiteres und sehr konkretes Beispiel

Lassen Sie uns nun ein sehr passendes Beispiel hören: Die Kirche sagt uns, dass ein exkommunizierter oder suspendierter Priester – aber nehmen wir hier den Fall eines exkommunizierten – sein Priesteramt nicht ausüben kann, denn er ist wie in einem spirituellen Gefängnis gefangen. Die Kirche erlaubt diesem Priester nicht, die Sakramente zu spenden, noch erlaubt sie den Gläubigen, ihn darum zu bitten. Nun denn, stellen wir uns jetzt vor, dass jemand auf der Straße in Todesgefahr ist, dass er stirbt: ein Unfall, ein Sturz auf die Straße, er liegt im Sterben. Es wird ein Priester gesucht, und man findet einen Orthodoxen – einen Nichtkatholiken, einen Schismatiker und möglicherweise Häretiker, jedoch einen wirklichen Priester, der jedoch völlig und absolut exkommuniziert ist. Die Kirche sagt uns, dass es in einem solchen Fall erlaubt ist, diesen nichtkatholischen Priester um die Sakramente zu bitten, um die Letzte Ölung, die Beichte, alles was nötig ist, um die Seele zu läutern, damit sie in den Himmel kann. Daran können wir sehen, bis zu welchem Punkt die Kirche zu gehen bereit ist, um ihrer Aufgabe – die Rettung der Seelen – nachzukommen, so weit, dass sie einem Nichtkatholiken, einem Häretiker, einem Schismatiker erlaubt, zu Hilfe zu kommen, damit das oberste Gesetz erfüllt werden kann, das heißt die Rettung der Seelen. Das sieht man hier deutlich. Gut, das ist ein besonderer Fall, aber es ist eine Anwendung dieses Prinzips, das wir den Notstand nennen.

Und wir, das sage ich nun nochmals, tun alles, was wir tun, innerhalb der Kirche. Wir erlauben es den Leuten oder den Bischöfen nicht, zu sagen, wir stünden außerhalb. Das ist nicht die Wahrheit. Wir sind Katholiken, und Punkt. Ob sie uns das mit Brief und Siegel bestätigen oder nicht, ist egal. Wenn wir das sagen, dann heißt das nicht, dass das nicht wichtig wäre, nein; das Siegel ist schon wichtig; wenn sie aber im Namen eines falschen Ökumenismus falsche Bedingungen stellen, damit wir dieses Siegel bekommen, dann können wir das nicht. Das ist schon seit Jahrzehnten dieselbe Geschichte, und das muss man richtig verstehen. Unglücklicherweise sind einige fortgegangen und haben uns verlassen, weil sie nicht klar verstanden haben, was wir tun. Was wir tun, ist, am Prinzip, an den Grundlagen festzuhalten, ja, wir sind katholisch; und somit ist es richtig und normal, von der höchsten sichtbaren, offiziellen Autorität der katholischen Kirche dieses Siegel zu verlangen. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, wenn sie uns dieses Siegel gibt.

 

Unser Widerstand gegen Konzil und neue Messe

Nun gut, das sind Sachverhalte; es geht nicht um Prinzipien, es sind nur Sachverhalte: Sachverhalte, die, solange sie andauern, den Erhalt dieses Siegels unmöglich machen. Einfach unmöglich. Solange die römischen Autoritäten von uns verlangen, dass wir, damit man uns die rechtliche Regularisierung gibt, das II. Vatikanum als gültigen Teil der Tradition annehmen, das heißt anerkennen, dass das Konzil traditionell sei und dass somit auch die neue Messe gut sei, ist unsere Antwort an Rom: „Entschuldigung, aber das nicht, das können wir nicht sagen, weil es nicht die Wahrheit ist“. Es ist schlichtweg nicht unsere Entscheidung, sondern hier spricht die Wirklichkeit, und sie redet eindeutig. Dieses Konzil hat das Leben der Kirche tatsächlich verändert, es hat Prinzipien in das Leben der Kirche eingeführt, die der Kirche fremd sind, die ihr feindlich sind; die Resultate sind eindeutig zu sehen. Sich einer Welt annähern, von der schon unser Herr sagte, als er zu seinen Jüngern sprach, dass sie sich nicht wundern sollten, wenn die Welt sie hasst. Es ist nämlich so: es gibt einen Hass der Welt gegen die Jünger Christi, weil die Welt zuerst unseren Herrn gehasst hat. Die Welt ist wie eine praktische Verwirklichung des Teufels; sie ist die Zusammenfassung aller Versuche und Versuchungen des Teufels, genauer gesagt, um hier auf Erden die Kirche daran zu hindern, ihre Arbeit zur Rettung der Seelen zu tun, indem er auf Prinzipien, Taten und Tatsachen setzt, die sündhaft sind und in die Hölle führen. Und heute wollen sie die Freunde der Welt sein.

 

Im Gespräch mit Rom

Während der letzten Gespräche und Kontakte, die wir mit Rom hatten, insbesondere im September, konzentrierte sich diese sehr eindeutige Situation auf einen konkreten Punkt, und das ist der des katholischen Staates. Er ist ein Teil des Problems der Religionsfreiheit. Wir sagen – wie die Kirche es seit dem Ende der Verfolgungszeit und infolgedessen von der Zeit des römischen Reiches  und der Antike bis heute immer gesagt hat – und die Kirche hat immer gesagt, dass, wenn der Staat, das heißt die Zivilgesellschaft, sich im Einklang mit den Gesetzen und Geboten Gottes befindet, sich mit dem Ziel der Kirche im Einklang befindet, also mit der Rettung der Seelen – dass dies die normale und gerechte Situation der menschlichen Gesellschaft ist.[M1]  Es gibt keine Autonomie im Sinne der Unabhängigkeit der Zivilgesellschaft. Es sind dieselben Menschen, welche Mitglieder der Zivilgesellschaft und der Kirche sind; weil sie Mitglieder der Zivilgesellschaft sind; als Mitglieder der Zivilgesellschaft sind sie verpflichtet, die Gebote Gottes zu halten, um schließlich zu ihrem Ziel zu gelangen, und das ist der Himmel. Von daher ist es sehr logisch und offensichtlich, dass dieser Einklang notwendig ist, und ebenso diese Unterordnung des Staates – der menschlichen Gesellschaft – unter die Weisungen der Kirche über all das, was die Moral anbetrifft.

Nun denn, in Rom hat man diese Vorstellung aufgegeben, und zwar seit dem Konzil. Mit der Erklärung „Dignitatis humanae“ hat man die Vorstellung aufgegeben, die menschliche Gesellschaft zu christianisieren. Man hat aufgegeben, zu sagen, dass es einen König gibt, nämlich Christus, den König der Könige. Man hat die praktische Durchsetzung der Königsherrschaft unseres Herrn aufgegeben. Das akzeptiert man als eine Theorie, als eine These: „Ja, im Katechismus lernen wir, dass unser Herr, weil er Gott ist, alle Macht in Seinen Händen hält, aber die Situation ist so, dass Staaten nicht nur nicht katholisch sind, sondern feindlich; sie kennen den Glauben nicht, das ist die Wirklichkeit. So ist es unmöglich, mehr zu verlangen...“ Man hat die Vorstellung völlig aufgegeben, die Gesellschaft für unseren Herrn anzumahnen und zurückzuerobern. Man kann uns nicht anklagen, aber man verspottet uns: „Nun, wenn Sie es wollen, dann tun Sie das, aber das werden Sie nicht schaffen.“... Man hält das für unmöglich; man hat die Vorstellung aufgegeben, die Gesellschaft für unseren Herrn zu erobern.

Das ist ein „kleiner“, ein entlarvender Teil der Kirchenkrise, die eine Glaubenskrise ist. Ein Glaube, der bei vielen verlorengegangen ist. Sie kennen ihn zum Teil, aber sie kennen ihn nur theoretisch. Sie lernen diese Dinge aus dem Katechismus, sie legen die Prüfung ab, aber eine Konkretisierung dieses Glaubens im Leben selbst findet nicht statt.

Man sieht das sehr gut beim Heiligen Vater. Er kennt seinen Glauben, er sagt das sehr oft in seinen Predigten in Santa Marta. Aber dann, in seinen Taten, da handelt er so, als ob dieser Glaube nicht existierte. In seinen Beziehungen zu den anderen Religionen handelt er so, als ob es keine Fortdauer dieses Glaubens gebe. Das ist für uns ein äußerst großes Ärgernis, ja. Aber Vorsicht, liebe Gläubige, man soll nicht zulassen, so empört zu sein, dass man sagt: „Mit diesen Leuten wollen wir nichts zu tun haben“. Genau das ist die Gefahr. – „Das sind Ungläubige“. – Nun gut, soweit wir sie (ihn?)[M2]  anerkennen müssen, so weit müssen wir sie (ihn?)[M3]  anerkennen, und dann erkennen wir auch ihr (sein?) Amt an; wir beten für sie (ihn?), damit er seine Pflicht als Stellvertreter Christi erfüllt (sic!!). Aber sobald etwas gesagt wird, das gegen den Glauben anstößig ist und Verwirrung stiftet, in diesem Moment sagen wir: „Nein, nein, da gehen wir nicht mit“.

 

An den künftigen Diakon: Kraft und Stärke zur Verkündigung des Glaubens

Gut, lieber zukünftiger Diakon. Dem Diakon wird das Evangelium übergeben, es wird ihm anvertraut, so ist es, er wird damit beauftragt, zu predigen und den Glauben weiterzugeben. Es ist sehr interessant, höchst interessant, zu sehen, welches die Punkte sind, welche die Kirche für diese Diakonenweihe verlangt. Betrachten wir die Form des Sakramentes: Was sagt sie uns? Was sehen wir? Wir sehen den Kampf gegen den Teufel und die Notwendigkeit, den Heiligen Geist zur Stärkung zu empfangen, denn es braucht sehr viel Kraft, den Glauben weiterzugeben. So viele, so viele Zeugen mussten ihr Leben für die Verkündigung des Glaubens hingeben! Und die Materie: man sieht ganz eindeutig, dass die Kirche auf den Glauben schaut, wenn sie dem Diakon das Evangelium anvertraut; man sieht ganz eindeutig, dass sie den Diakon wie ein Schaf zu den Wölfen schickt, dass sie ihn in die Schlacht, in den Kampf schickt, in den Kampf des Glaubens. In einen Kampf, der nicht so sehr gegen Menschen geht, sondern gegen die bösen Geister, gegen den Teufel, wie der hl. Paulus sagt.

 

An die künftigen Priester: die Heilige Messe

Und die Priester haben – mehr noch als der Diakon – diese Aufgabe, zu allen Völkern zu gehen, ohne Grenzen, um ihnen den Glauben zu bringen, welcher rettet; es handelt sich, liebe Priester, um etwas Tieferes und Kostbareres, es handelt sich um die Messe. Was ist die Messe?

Wenn man heute die Modernen fragt, was denn die Messe sei, dann bemerkt man ganz klar den Unterschied. Dann erfasst man sofort, warum man sagen kann, dass es einen Notstand gibt. Wenn sie von der Messe reden, dann sagen sie, es sei die Versammlung des Volkes Gottes; sie sagen, es sei ein Fest, sie sagen, es sei ein Mahl; sie sagen, es sei ein Gedenken, vielleicht an das Letzte Abendmahl. Das ist eine sehr verkürzte und materielle Beschreibung. Das sind alles Teile, die es so gibt, die aber weder wichtig noch wesentlich sind.

Das Wesentliche an der Messe ist das Kreuzesopfer unseres Herrn Jesus Christus, das auf dem Altar erneuert und vergegenwärtigt wird; ein wirkliches Opfer, ein angemessenes, reales und identisches Opfer, nichts anderes als dasselbe Opfer unseres Herrn am Kreuz. Ja, liebe Gläubige, jedes Mal, wenn wir an der Messe teilnehmen, sind wir auf dem Kalvarienberg, stehen wir unter dem Kreuz; und der wahre handelnde Priester – jener, der handelt und der das Opfer und den hauptsächlichen Handelnden darbringt – ist nicht der Priester, den wir sehen, sondern unser Herr selbst, so, als ob der Herr in seinem Opfer mit seinem Priester eins wird. Sie bilden eine Einheit, und man kann sie nicht unterscheiden, so sehr, dass der Priester sagt: „Das“ – er spricht von dem Stück Brot, von der Hostie, die er in der Hand hält – „ist Mein Leib“ – und diese Worte werden wahr.

Wie kann das sein? Wir wissen natürlich, dass es nicht der Leib des Priesters sein wird. In Wahrheit ist es der Herr, der genau im Augenblick der Wandlung diese Worte spricht. Der Herr ist wahrhaftig gegenwärtig, nicht erst seit der Wandlung der Hostie, sondern wahrhaftig gegenwärtig in Seinem Priester als Priester. Der Herr bedient sich Seines Priesters als Seines Werkzeugs, um den Seelen die Gnaden vom Kalvarienberg weiterhin und immerwährend zukommen zu lassen.

Wenn Sie einmal Priester sind, werden Sie nicht mehr wie die übrigen Menschen sein. Wenn man das sagen würde, wäre das falsch. Ja, es stimmt: rein materiell bleibt der Priester weiterhin ein Mensch mit allen seinen Tugenden und Fehlern, mit seinem Charakter und all dem anderen, denn darin ändert die Weihe nichts – man soll nicht erwarten, dass man nach der Weihe einen Heiligenschein trägt, nein. Aber man wird durch die Weihe geheiligt, und als Mensch muss das mit dem eigenen Leben übereinstimmen. Das sagt der Bischof: „Imitamini quod tractatis“, man muss in seinem Leben nach Übereinstimmung mit dem trachten, was man tut. Nach dieser Wirklichkeit muss man streben und ihr entsprechen. Wir können die Macht und die Wirkkraft der Messe gar nicht erkennen. Sie wissen aber, liebe Gläubige, dass der mächtigste Mann der Welt der Priester ist, er, der mehr und das Beste für die Menschheit tun kann; er, der das schlimmste Übel der Welt abwenden und verhindern kann. Er, der vieles wiedergutmachen kann und der den Seelen wirklich helfen kann, ihr Ziel zu erreichen, welches der Himmel ist, das ist der Priester.

Und ich sage es hier nochmals: es geht hier nicht um Theorien. Vom Augenblick der Weihe an wird das hier, vor unseren Augen, zur Wirklichkeit.

Ja, gehen wir in dieser Vorweihnachtszeit zur Mutter Jesu, zur Mutter des Priesters. Erbitten wir von ihr alle Gnaden, die wir brauchen, um wirkliche Priester zu sein, in der Nachfolge ihres Sohnes, unseres Herrn. Übereignen Sie ihr, der Mutter des Priestertums, Ihr Priestertum, all Ihr priesterliches Wirken, all Ihr missionarisches und apostolisches Tun; alle jene Seelen, die Ihnen anvertraut werden.

Bitten wir sie heute, dass sie über Sie wache und Sie beschütze, dass sie Ihnen die Fülle der priesterlichen Gnaden erlange, damit Sie – in der Ausübung des Priestertums – immer mehr Priester und immer mehr Jesus werden, zu Ihrer eigenen Rettung, zur Ehre Gottes und der Kirche und zur Rettung der Seelen.

 

Amen.