Fest der Bekehrung des hl. Paulus

Quelle: Distrikt Österreich

"Bekehrung des Saulus" in der Kirche St. Paul vor den Mauern in Rom

Eine Reise von Jerusalem nach Damaskus überbrückt eine Entfernung von ca. 220 km Luftlinie. Was in der Antike in etwa acht Tagen mehr oder weniger problemlos zu Fuß zu bewältigen war, ist heute aufgrund des jahrzehntelang schwelenden Nahostkonfliktes praktisch unmöglich geworden.

Auf diesem Weg, knapp vor dem Reiseziel, fast schon vor den Toren der Stadt Damaskus, hatte ein Mann, der mehrere Briefe und Vollmachten mit sich trug, eine Begegnung, die die Weltgeschichte für immer verändern sollte. Die Sonne stand hoch am Himmel an diesem Tag, die genaue Jahreszahl, als dies geschah, kennen wir nicht, aber es muss gegen Ende des vierten Jahrzehnts unserer Zeitrechnung geschehen sein: Saulus von Tarsus, der hochgebildete Pharisäer und erbitterte Verfolger der Christen, begegnet dem auferstandenen und verherrlichten Jesus Christus und hört Seine Stimme: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du Mich?“ Saulus aber bringt mühsam nur wenige Worte hervor: „Wer bist du, Herr?“  

Diese Gottesbegegnung ist so überwältigend, dass die Füße des künftigen Apostels nachgeben und er zu Boden stürzt und auch alle seine Reisegefährten stürzen zu Boden, als sie die Stimme hören. Die anderen sahen nichts, aber Saulus erblickte die Herrlichkeit Jesu Christi und seine Augen erblindeten von dem hellen Licht, in das der Auferstandene getaucht war und das kein Sterblicher ertragen kann. Saulus muss die vorübergehende Erblindung ertragen, damit sein Geist frei wird für die Offenbarung der ganzen Wahrheit, die ihn wie ein gewaltiger Blitzschlag trifft: Jesus Christus, den er verhöhnt und dessen Anhänger er so erbittert und hasserfüllt verfolgt hatte, ist der Sohn Gottes! In diesem einzigen Augenblick offenbart sich ihm alles, worüber er später in Wort und Schrift der ganzen Welt erzählen wird.  

Der, der sich nach einiger Zeit vom Boden erhebt, völlig auf die Hilfe seiner Reisegefährten angewiesen („Sie nahmen ihn an der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein“), ist zu einem Anderen geworden: Der Pharisäer Saulus blieb am Boden liegend zurück, erhoben hat sich der Völkerapostel Paulus. Denn aus dieser Begegnung und der tiefen Erkenntnis heraus, die ihm zuteil wurde, kann er gar nicht anders: Er muss der ganzen Welt den Auferstandenen verkünden bis zu seinem Tod, mit dem er für seinen Herrn und Heiland Zeugnis ablegen wird.

Heute befindet sich an der Stelle, wo diese so einschneidende Begegnung stattfand, an der alten Römerstraße, knapp 20 km südwestlich der Altstadt von Damaskus ein orthodoxes Kloster. Der Hügel hinter dem Kloster heißt seit undenklichen Zeiten „Paulushügel“, hier fand man bei Ausgrabungen die Überreste einer byzantinischen Kirche als Beweis, dass diesem Ort schon lange Zeit besondere Verehrung zuteil wurde.

Damaskus lag damals in der römischen Großprovinz Syrien und eigentlich hätte Saulus hier keine Amtsgewalt gehabt, jedoch verfügten die Juden im gesamten römischen Reich schon seit der Zeit von Julius Cäsar über einige Privilegien. Dazu gehörte auch das Recht, falls unter den Juden über jüdische Gesetze oder Einrichtungen ein Streit ausbricht, der Hohepriester selbständig Entscheidungen treffen durfte. In der Apostelgeschichte lesen wir: „Er (Paulus) ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe an die Synagogen von Damaskus …“ (Apg 9,2)

An drei Stellen des Neuen Testaments lesen wir über die Bekehrung des Saulus: Die berühmteste Stelle ist die in Apg 9,1-23, wo der hl. Evangelist Lukas das Bekehrungserlebnis sachlich schildert, so wie es seinem, ihm eigenen Schreibstil, entspricht: „Schon war er auf seiner Reise in die Nähe von Damaskus gekommen, da umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel…“

Der zweite Bericht stammt vom hl. Paulus selbst: In seiner Verteidigungsrede, die er im Jahre 57 an die Juden richtete, als man ihn im Tempel von Jerusalem verhaftete, schildert er die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn vor Damaskus (Apg 22, 1-21).  Und auch der dritte Bericht entstammt einer Rede des Völkerapostels Paulus im Jahr 59, die er in Gegenwart des Königs Agrippa und seiner Frau Bernike vor dem römischen Gerichtshof und dem Statthalter Festus in der Hafenstadt Caesarea hielt, kurz bevor er als Gefangener nach Rom geschickt wurde. Hier erzählt er auch, was er den Christen vor seiner Bekehrung angetan hatte. Da diese Rede, welche sich gegen Ende der Apostelgeschichte findet (Apg 26,1-22) weniger bekannt ist, wollen wir sie hier teilweise wiedergeben:

„Ich hatte mir eingebildet, ich müsse viel Feindseliges verüben wider den Namen Jesu, des Nazareners. Das tat ich denn auch in Jerusalem. Viele der Heiligen ließ ich in die Gefängnisse werfen, wozu ich von den Oberpriestern Vollmacht hatte. Und wenn sie hingerichtet wurden, stimmte ich dafür. In allen Synagogen suchte ich sie oft durch Bestrafung zur Lästerung zu zwingen, und in meiner maßlosen Wut verfolgte ich sie selbst bis in die auswärtigen Städte. So ging ich nach Damaskus mit Vollmacht und Auftrag der Oberpriester. Da sah ich am Mittag auf dem Wege, vom Himmel her ein Licht, glänzender als die Sonne, das mich und meine Gefährten umstrahlte. Wir stürzten alle zu Boden. Dann hörte ich eine Stimme in hebräischer Sprache zu mir sagen: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich? Schwer ist es dir, gegen den Stachel auszuschlagen.“ Ich aber fragte: „Herr, wer bist Du?“ Der Herr antwortete: „Ich bin Jesus, den du verfolgst. Doch steh auf und stell dich auf deine Füße. Denn dazu bin Ich dir erschienen, dich zu bestellen zum Diener und Zeugen dessen, was du gesehen hast und was Ich dir noch offenbaren werde. Ich errette dich aus dem Volke und den Heiden, zu denen Ich dich sende. Du sollst ihnen die Augen öffnen, dass sie sich bekehren aus der Finsternis zum Lichte, von der Macht Satans zu Gott. So sollen sie Sündenvergebung empfangen und Erbteil unter denen, die geheiligt sind durch den Glauben an Mich“.

Nie wieder ließ den Apostel diese Erfahrung los, sie war die Zäsur, nach der sich in seinem Leben alles änderte. Alle seine künftigen Taten, Worte und Schriften standen mit dieser Offenbarung im Zusammenhang, für sie musste er unendlich viele Mühen und Leiden ertragen und schließlich auch das Leben hingeben. „Ich weiß, wem ich geglaubt habe!“ schreibt er unbeirrt im Jahr 65 als Gefangener in Rom an seinen Gefährten Timotheus, den er als Bischof von Ephesus eingesetzt hatte. Den nahenden Tod vor Augen, gilt dem Auferstandenen,  dem er begegnet war, seine ganze Sehnsucht und so schreibt er im Brief an die Philipper: „Ihn will ich erkennen und die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit Seinem Leiden, und Ihm möchte ich im Tode ähnlich werden, um so zur Auferstehung von den Toten zu gelangen.“

„Ich weiß, wem ich geglaubt habe“ – so beginnt auch die Hl. Messe am Festtag der Bekehrung des Völkerapostels Paulus, am 25. Januar. Unser Herr und Heiland erteilte Seinem erwählten Werkzeug diesen Auftrag: „Du sollst ihnen die Augen öffnen, dass sie sich bekehren aus der Finsternis zum Lichte, von der Macht Satans zu Gott.“ Ist das nicht auch ein Auftrag an uns, uns die Augen öffnen zu lassen, heute und hier in unserer dunklen Zeit, indem wir die Briefe des hl. Apostels öfters lesen und betrachten sollten?

der apostel paulus vor könig agrippa

"Der Apostel Paulus vor König Agrippa" - Tapisserie im Wiener Kunsthistorischen Museum