Kirchenkrise: Priester, Familien und Berufungen

Quelle: Distrikt Deutschland

Ein Interview von Pater Massimo Sbicego mit Pater du Chalard

Pater Emmanuel du Chalard de Taveau wurde 1976 von Msgr. Marcel Lefebvre zum katholischen Priester geweiht. Der Erzbischof sandte ihn nach Italien, wo „Don Emmanuele“ seitdem in der Seelsorge wirkt, publizistisch tätig ist und seit fast dreißig Jahren die diskrete Verbindung der Bruderschaft zum Vatikan gewährleistet. Er ist auch geistlicher Begleiter der „Trösterinnen des heiligsten Herzens Jesu“, einer kleinen Frauenkongregation in Vigne bei Terni (Umbrien), die ein Missionswaisenhaus in Indien unterhält.

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, ein Interview mit Pater Emmanuel du Chalard zu führen und ihm einige Fragen, die noch immer von großem Interesse sind, zu stellen: über Erzbischof Lefebvre und der Priesterschaft; die Krise der Männer der Kirche; die Franziskaner der Immaculata und der weibliche Zweig des gleichen Ordens. Aber auch über die Mission in Asien und das traditionelle religiöse Leben. Ich möchte michbei ihm für seine Großzügigkeit bei der Beantwortung meiner Fragen bedanken, obwohl er zum Zeitpunkt des Interviews kurz vor der Abreise nach Indien war.

Pater Massimo Sbicego: Pater Chalard, Sie waren von Anfang an einer der engsten Mitarbeiter von Erzbischof Lefebvre. Ich habe Sie persönlich getroffen, als Sie Priesterexerzitien in Ecône predigten, und Sie haben mich gelehrt, den Geist unserer Position zu schätzen. Was war Idee des Priestertums im Denken unseres Gründers, was war ein Priester für ihn?

Pater Emmanuel du Chalard: Zunächst einmal würde ich nicht sagen, dass ich ein „enger Mitarbeiter“ von Erzbischof Marcel Lefebvre war. Es stimmt, dass ich ihn praktisch von Anfang an, seit der Gründung der Priesterbruderschaft kannte, seit ich im September 1970 in das neu eröffnete Seminar in Ecône eintrat. Danach war ich regelmäßig  mit ihm in Kontakt, da er regelmäßig nach Rom kam, mehrmals im Jahr, und auch, weil er sehr daran interessiert war, was in Rom vor sich ging. Mehr nicht.

Wenn man von Erzbischof Lefebvre spricht, ist es dasselbe, als wenn man vom Priestertumspricht. Der Erzbischof war nicht nur ein Beispiel für das vollkommene Priestertum (das heißt das Bischofsamt), er war auch, wie schon geschrieben wurde, „ein Lehrer“ oder „Lehrmeister“ zum Priestertum. So viele Predigten, so viele Konferenzen, so viele Exerzitien hat er über dieses Thema gehalten! Er hatte eine große Liebe für das katholische Priestertum und betrachtete es als großes Geschenk des Herrn.

Wir wissen sehr wohl, dass er nicht über das Priestertum sprechen konnte, ohne über die Heilige Messe zu sprechen. Er liebte es, stets zu wiederholen: „Es gibt keine Messe ohne den Priester, und es gibt keinen Priester ohne die Messe.“ Die heilige Messe, weil sie die Vergegenwärtigung des Opfers des Herrn auf dem Altar ist, weil sie die erneute Realisierung des Werks der Erlösung ist, jedes Mal, auch heute noch. Und „Erlösung“ bedeutet: das Heil der Seelen, das Heil der Welt.

Unser Gründer, ein großer Missionar, wollte sagen, dass die Heilige Messe und die würdig gefeierte Liturgie wesentlich missionarisch sind. Die Heilige Messe ist der größte Schatz der Kirche. Wenn sie ihre Bedeutung verliert, dann ist alles verloren. Alles begann in der Kirche auseinanderzufallen, als der Sinn der Messe verloren ging, und das ist es, was mit der Liturgiereform [dem Novus Ordo] passierte.

Eine echte Liturgiereform sollte den wahren Sinn der Messe wiederfinden, zusammen mit dem unendlichen Reichtum der Liturgie. Darin liegt der ganze Erfolg des Wirkens von Erzbischof Lefebvre.

Pater Massimo Sbicego: Wir beobachten oft, dass die gegenwärtige Krise in der Kirche vor allem eine Krise der „Männer der Kirche“ ist und vor allem ihrer Priester. Einige sind orientierungslos, andere viel zu „originell“, viele sind „banal“, aber alle zerbrechen unter der gemeinsamen Denkweise. Mit einem Wort, sie sind „weltlich“. Was sind die „Schmerzzentren“ der gegenwärtigen Krise des Priestertums?

Pater Emmanuel du Chalard: Der Hauptgrund für die Krise des Priestertums ist der Verlust der priesterlichen Identität. Viele Priester wissen nicht, „was sie sind, oder warum sie Priester sind“. Es ist die Folge der Tatsache, dass sie nicht wissen, was die Heilige Messe ist.

Jeder, der auch ein wenig das Geheimnis des Altars betrachtet, versteht notwendigerweise die Größe und Bedeutung des Priestertums. Der Pontifikale [d. h. das Pontificale Romanum, das Ritualbuch für Bischöfe], das traditionelle Pontifikale, ist sehr klar in den Anweisungen, die es dem Bischof bei der Weihezeremonie gibt: der Priester wird geweiht, um die Heilige Messe für die Lebenden und die Verstorbenen zu feiern.

Ich erinnere mich an einen Tag vor einem Treffen befreundeter Priester, als ich eine Ordensfrau fragte, was diese Priester benötigen. Ihre Antwort kam sofort: „Erklären Sie ihnen, was das Priestertum ist, weil sie es nicht wissen.“ Diese Episode hat mich getroffen und zur gleichen Zeit wurde mir klar, dass diese Priester, und es ist nicht ihre Schuld, einer wahren Priesterausbildung beraubt wurden.

Sie kennen das Buch „Priesterliche Heiligkeit“, mit Texten von Erzbischof Marcel Lefebvre. Viele Priester und Prälaten haben es gelesen und ein Prälat, der in den 1970er Jahren zum Priester geweiht worden war, vertraute mir mit großer Trauer an: „Aber warum hat man uns diese Wahrheiten nicht[M1]  erklärt?“

Pater Massimo Sbicego: Die jungen Priester von heute sind manchmal unvorsichtig in der pastoralen Arbeit: sie sind sehr „jung“, aber manchmal haben sie keine Anleitung. Aber sie suchen oft eine Richtung in der Tradition. Was können wir für den jungen Klerus erhoffen?

Pater Emmanuel du Chalard: Ich würde nicht zu streng sein mit den jungen Geistlichen, die an der Tradition interessiert sind. Viele von ihnen studieren und lesen gute Bücher. Sie üben ihren Dienst für die Seelen im besten Wissen aus. Sie tun, was sie können. Andere könnten vielleicht mehr tun. Ihre Hindernisse bestehen nicht in ihrem Mangel an Großzügigkeit, sondern in einem Mangel an Bildung. Sie kennen einfach nicht alle notwendigen Mittel, um das Beste aus der Seele herauszuholen.

Im Priesterseminar wurde ihnen beigebracht, dass das erste Mittel der Heiligung darin bestehe, sich in ihr Apostolat zu werfen, wie es auch in dem Codex des kanonischen Rechtes von 1983 geschrieben steht. Und es fehlt ihnen das wahre spirituelle Leben, das sie brauchen, um in der Lage zu sein, dies zu tun. Nach der Tradition und nach dem ganzen Lehramt der Kirche ist der Priester vor allem ein Mann des Gebets, mit den Verpflichtungen, die sehr gut im Codex des kanonischen Rechtes von 1917 ausgedrückt werden; das Apostolat kommt danach.

Ein Apostolat ohne Gebet ist wie eine „Windmühle“: vieleBemühungen, viel Agitation, aber keine echten Früchte. Der heilige Pius X. erklärt dies in seinem Apostolischen Schreiben Haerent animo sehr gut.

Immer mehr junge Seminaristen und Priester in der ganzen Welt interessieren sich für die Tradition. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn der Herr diese Tendenz inspiriert und zulässt, dies zweifellos das Feld für eine Rückkehr zur Tradition vorbereitet.

Pater Massimo Sbicego: Die Kongregation der Franziskaner der Immaculata hatte Hoffnungen geweckt. Ihnen wurde mehrfach „Krypto-Lefebvrismus“ vorgeworfen. Und doch sind ihre Positionen zur Messe, zum Konzil und zur Situation der Kirche ganz andere als die unsrigen. Was denken Sie?

Pater Emmanuel du Chalard: Mehr noch als die Frage der Heiligen Messe oder des Konzils, so scheint mir, wird von der vatikanischen Kongregation für das gottgeweihte Leben das traditionelle Ordensleben, so wie es seit Jahrhunderten in allen religiösen Gemeinschaften gelebt wurde, nicht mehr akzeptiert oder auch nur geduldet.

Liest man verschiedene Interviews und Artikel von Verantwortlichen im Vatikan, so ist dies deutlich zu erkennen. Für sie scheint das einzige wirkliche Problem die Anhänglichkeit und Treue zur überlieferten Form des Ordenslebens zu sein.

Diese Neuerer scheinen nicht besorgt um die persönliche Heiligung, die Achtung der Gelübde oder um ein Leben des Gebetes und der Demut. Doch sind das die Grundlagen für jedes ernsthafte religiöse Leben.

Was die Franziskaner der Immaculata betrifft: Die Tatsache, dass sie Papst Benedikts Motu proprio zu Gunsten der traditionellen Heiligen Messe begrüßten und dass sie Artikel veröffentlichten, die die Bedeutung der Autorität des Zweiten Vatikanischen Konzils relativierten, war ein Anlass, um sie zu zerschlagen.

Letztendlich war ihr vorbildliches religiöses Leben nicht akzeptabel, ihre Ernsthaftigkeit und Treue zur Regel, die einen impliziten Vorwurf an andere religiöse Orden in der Nachkonzilszeit darstellten, vor allem an die Söhne des heiligen Franziskus in den anderen Ordenszweigen (Minoriten, Franziskaner, Kapuziner).

Es gab möglicherweise Probleme aus einer anderen Richtung. Ich weiß davon nichts.

Aber welche Ordensgemeinschaft hat keine Probleme? Das ist menschlich. In solchen Fällen korrigiert die Autorität, aber sie zerstört nicht!

Am Ende sind die Franziskaner der Immaculata eine Art „absoluter Beweis“, ein Beweis für das Scheitern der Konzilsreformen. Dieser Orden, der in wahrhafter Armut ein Leben des intensiven Gebets und der ernsthaften Buße lebte, war das Gegenteil dieser vorgeblichen Reformen. Die nachkonziliaren Orden suchen lieber ein leichteres Leben, das mehr Offenheit für die Welt zeigt.

Die Franziskaner der Immaculata hatten viele Berufungen; ja noch mehr, als sie eine gewisse Sympathie für die traditionelle Heilige Messe zeigten.

Diejenigen, die die Tradition verurteilen, gehen in Richtung Sterilität. Diejenigen, die zur Tradition zurückkehren, sind fruchtbar. Unser Herr sagte, dass der Baum nach seinen Früchten beurteilt werden soll. Aber anstatt in diesen Ordensleuten ein Zeichen der Vorsehung zu sehen, um dieser Krise des gottgeweihten Lebens zu entkommen, zogen gewisse Leute im Vatikan es vor, sie zu zerstören... wie unser Herr im Evangelium sagt: wie das Volk Israel im Alten Testament die wahren Propheten tötete, die es dazu aufriefen, auf den rechten Weg zurückzukehren.

Das Mindeste, was wir sagen können, ist, dass diejenigen Franziskanerbrüder, die an dieser Zerstörung von innen teilnahmen, die Komplizen einer satanischen Meisterstücks waren.

Pater Massimo Sbicego: Dennoch gibt es etwas Merkwürdiges in ihrer vollständigen Unterwerfung unter die Kontrolle eines Kommissars. In einer Zeit, die zumindest in der Öffentlichkeit immer Barmherzigkeit predigt. Was können Sie dazu sagen?

Pater Emmanuel du Chalard: Ich habe nicht alles, was geschehen ist, von Anfang an genau verfolgt. Aber es ist offensichtlich, dass die Härte der getroffenen Maßnahmen und die Methoden alles andere als barmherzig waren, auch wenn man bedenkt, dass es Fehler waren, aber auch, dass diese Maßnahmen weit entfernt von der Achtung vor der Person sind, die doch durch das Konzil und das Kirchenrecht von 1983 so stark betont werden.

Leider ist diese Methode keine Ausnahme von Seiten der Kongregation für die Ordensleute. Es gibt so viele andere Fälle, dass sie, wenn man sie den Gläubigen offenlegen würde, einen echten Skandal provozieren könnten und Schande über diese „Männer der Kirche“ bringen würden, die ihre Macht gegen alle Gerechtigkeit gebrauchen.

Pater Massimo Sbicego: Was die Nonnen betrifft, haben mich die Indiskretionen über die „Visitation“, die die Öffentlichkeit erreicht haben, persönlich schockiert: es heißt dort, dass „die Schwestern zu viel beten und zu viel Buße tun“, und dass die Kontemplation „zu klösterlich“ sei, dass sie dringend ein „Umerziehungsprogramm nach den Kriterien des Zweiten Vatikanischen Konzils“ benötigten. Klöster der Zwangsumerziehung: Ist das das religiöse Leben?

Pater Emmanuel du Chalard: Ich kann Ihnen nichts direkt über diese Angelegenheit sagen. Ich kann nur sagen, dass seit Jahren das strenge Ordensleben, insbesondere das kontemplative Leben, nicht mehr geschätzt wird. Viele Bischöfe üben Druck auf Klausurschwestern aus, damit sie „offener“ werden, damit sie Gruppen empfangen, Schulgruppen, Gebetsgruppen, um die Gläubigen zu hören, etc... Seit Jahren – schon vor dem Konzil begann das – wurde das Eheleben überhöht, bis zu dem Punkt, dass zumindest implizit das geweihte Leben und die Jungfräulichkeit verachtet wurden. In Wirklichkeit ist das geweihte Leben der Ehe überlegen.

Für manche Progressisten sollen Mann und Frau ihre echte und vollständige Verwirklichung im Eheleben finden. Als ob die geweihte Jungfräulichkeit ein Hindernis für die Verwirklichung des vollen Mannseins oder Frauseins ist. Es ist absurd! Und am Ende hat dies nicht nur das geweihte Leben, sondern auch die Ehe selbst, wie Gott sie wollte, zerstört.

Wir wissen nicht, was das vom Papst ausgerufene „Jahr des Ordenslebens“ für die kontemplativen Orden bereithält, aber es gibt Grund, sich ernsthaft zu fürchten. Diese Klausur-Klöster sind wirklich die Leuchttürme und Blitzableiter der Kirche; ihre Zerstörung würde die Kirche in die Vernichtung stürzen.

Pater Massimo Sbicego: Lassen Sie uns das Thema wechseln. In den vergangenen drei Jahren haben wir die Gründung eines „Vorseminars“ der Bruderschaft im Priorat von Albano (bei Rom) gesehen haben. Einige hochherzige junge Männer sind gekommen und haben es ausprobiert. Einige haben beschlossen, in das Priesterseminar einzutreten. Können Sie ein paar Worte über diese Berufungen sagen?

Pater Emmanuel du Chalard: Auch wenn die Wege des Herrn unergründlich sind, ist die natürliche Wiege für Berufungen in der Regel die katholische Familie, dann das Beispiel der wahren und heiligen Priester in der Pfarrei. Liturgische Dienste als Ministranten spielen auch eine entscheidende Rolle, wodurch die Jungen in die Nähe des Altars und zu einem tiefen Respekt vor dem Heiligen geführt werden. Die überlieferte Liturgie vermittelte einen Sinn für das Geheimnis und das Heilige. Heute existiert so etwas für viele nicht mehr. Das Ideal der katholischen Familie war eine große Familie, die immer als eine Ehre für die Kirche betrachtet wurde. Kinderreiche Familien sind daher in der Regel eine Quelle für viele Berufungen. In der Priesterbruderschaft gibt es viele Beispiele dieser Art. Man könnte fragen, warum diese Verbindung zwischen Großfamilien und Berufungen besteht.

Eine große Familie erfordert von den Eltern einen Geist der Großzügigkeit und des Opfers und von den Kindern die Bereitschaft, zu teilen, zu verzichten. Sie können nicht als Egoisten leben. Die Älteren müssen den Jüngeren helfen. Gibt es einen besseren Weg, um ein Kind in einem Geist der Opferbereitschaft und des Dienens zu erziehen?

Eine Berufung ist vor allem eine Antwort auf den Ruf Gottes, sich selbst hinzugeben, alle Dinge zu verlassen und dem Herrn zu folgen. Derjenige, der nicht zum Opfer bereit ist, wird eine harte Zeit haben, Seinem Ruf zu antworten. Außerdem ist das Seminarleben ein geregeltes Gemeinschaftsleben. Wenn jemand das nicht gewöhnt ist, kann es sehr schwierig und fast unmöglich werden.

Aus all diesen Gründen werden mehr und mehr „Vorseminare“von der Priesterbruderschaft eröffnet, um Berufungen zu prüfen und zu festigen, aber auch um nach und nach die Haltung eines geregelten Gemeinschaftslebens zu schaffen.

Pater Massimo Sbicego: Der Herr kann im Guten nicht übertroffen werden: Was kann man den jungen Männern sagen, die darüber nachdenken, ob sie eine Berufung haben?

Pater Emmanuel du Chalard: Wie Erzbischof Lefebvre zu sagen pflegte: Italien ist ein Land der Berufungen. Ich selbst bin davon überzeugt, aus vielen Gründen. Vor allem aber ist eine Berufung das Werk des Herrn.

Viele dieser jungen Menschen kommen nicht aus der Tradition. Eine große Vielfalt von Wegen führt zum Seminar. Es sind wahre Wunder Gottes! Das priesterliche Leben ist das schönste Leben, das auf der Erde existieren kann. Es ist das Leben, das uns vollste Erfüllung geben kann. Was gibt es Schöneres oder Größeres, als jeden Tag das heilige Opfer zu feiern und so zum Instrument der Erlösung und Heiligung der Seelen zu werden, durch die Sakramente und die Verkündigung? In der Tat ist niemand würdig, niemand kann behaupten, dass er dies tun könne. Es ist wirklich ein Ruf Gottes, der Ruf des Herrn.

Pater Massimo Sbicego: Betrachtet man die jüngsten Episoden in der Kirche, die außerordentliche Synode, die unglücklichen Aussagen einiger Bischöfe, fühlen wir uns manchmal, von einem menschlichen Standpunkt aus betrachtet, verblüfft, verwirrt und verbittert. Aber die Zeit zeigt uns die Wirkungen der göttlichen Vorsehung.

Pater Emmanuel du Chalard: Die zwei Wochen der Synode waren dramatische Tage für die Kirche: diese dunklen und schmerzhafte Tage, in denen die Kirche vor aller Welt gedemütigt wurde.

Wir haben die Nachfolger der Apostel nicht nur im Zweifel an den Lehren unseres Herrn gesehen, sondern auch, dass sie dem Evangelium ausdrücklich widersprechen. Das sind keine komplexen Lehrfragen, sondern eine klare und einfache Lehre, die jeder verstehen kann. Bestimmte Aspekte betreffen das Naturrecht, das wir allein durch unsere Vernunft erkennen und sogar akzeptieren können. In der Tat, viele, auch nicht praktizierende Personen, waren von der Synode verunsichert.

Gott steht über den Ereignissen dieser armseligen Welt. Er steht über dem Verrat so vieler Männer der Kirche. Egal, was auch passiert, niemand kann Ihn daran hindern, das Beste für die Seelen zu tun, und Gott kann sogar Gutes aus großem Übel hervorbringen.

Auf der anderen Seite der Medaille steht, dass die Synode eine Gelegenheit für einige mutige Prälaten war, sich zu erheben und sich in der Verteidigung der guten Lehre zu verbinden und zu vereinigen. Das war ein großer Trost für mich. Die Tatsache, dass sie aufstanden, war eine große Ermutigung für viele Katholiken, die noch richtig denken und unter gewissen Abweichungen leiden, auch wenn sie es nicht offen zeigen.

Sehr positiv ist auch, dass wir in der Lage sind zu sehen, dass viele gute Menschen, vor allem junge Menschen, die Wahrheit und ein authentisches christliches Leben suchen.

Je verzweifelter die Situation scheint, desto mehr suchen diese Seelen, wie wir gesehen haben, nach der wahren Lehre. Die Tradition ist für sie ein sicherer Leuchtturm.

Pater Massimo Sbicego: Sie sind persönlich an der Mission der Bruderschaft in Indien beteiligt und wir führen unser Interview via Internet, während Sie dort sind. Wie ist Indien, welche Hoffnung gibt es für den Katholizismus in dem großen indischen Kontinent?

Pater Emmanuel du Chalard: Indien ist gewaltig mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern. Die Katholiken bilden einen winzigen Prozentsatz: 1,5%. Menschlich gesprochen, unter den Bedingungen, unter denen die Kirche heute steht, könnte man jede Hoffnung aufgeben: Der Modernismus ist im Klerus ebenso gegenwärtig wie fast überall in der Welt, so dass den Geistlichen jeder missionarische Eifer fehlt.

Das ist umso trauriger, als die Inder eine angeborene, natürliche religiöse Dimension haben, die Bekehrungen einfach macht. Was bedeutender ist, ist die Armut (was nicht Elend bedeutet, auch wenn es Armut gibt), die ein Vorteil für den Glauben ist. Wir sehen in unseren Ländern, wie Reichtum und ein übertriebener Wohlstand nicht den Glauben, sondern die Aufgabe des Glaubens fördern.

Pater Massimo Sbicego: Was macht das religiöse Leben „unserer Schwestern“, von der Kongregation der Trösterinnen des heiligsten Herzens Jesu, in Indien aus? Was ist ihre Aufgabe, ihr Tagesablauf? Was fällt ihnen in ihrem Gott und dem Nächsten geweihten Leben am schwersten?

Pater Emmanuel du Chalard: In einer sehr heidnischen Welt ist es erbaulich, eine wirklich katholische Arbeit zu sehen. Das Waisenhaus, das von den Schwestern vom Heiligsten Herzen geführt wird, befindet sich ganz im Süden von Indien, nur zehn Minuten von einem  Priorat der Priesterbruderschaft entfernt.

Es gibt drei Profess-Schwestern, zwei Novizen, eine Postulantin, drei Mitarbeiterinnen, 50 Mädchen, 12 ältere oder behinderte Personen sowie weiteres Personal für die Küche, die Reinigung und ... fünf Kühe und Kälber.

Insgesamt sind rund 80 Menschen voll in der Obhut der Schwestern, nicht nur für die Unterkunft, sondern auch für die Gesundheit, da es keine Gesundheitsfürsorge gibt. Sie sorgen auch für die Studien der Mädchen und den Unterhalt der gesamten Struktur. Es gibt keine Staatshilfen; diese Arbeit ist ganz in den Händen der göttlichen Vorsehung. Es ist ein ständiges Wunder, dank der Großzügigkeit unserer Freunde, Wohltäter und Online-Leser.

Aber der erbaulichste Aspekt ist das tägliche Leben der Schwestern und ihrer Internatsschüler, das nicht nur mit Nächstenliebe, sondern auch mit dem Gebet erfüllt ist, einem Gebet, an dem sich alle, die im Haus leben, beteiligen, insbesondere an der Heiligen Messe und dem täglichen Rosenkranz.

Die Mädchen und die Alten, die in dieser Struktur leben, sind umso bewundernswerter, wenn wir wissen, dass sie nicht unbedingt katholisch sind; sie werden von den Schwestern wegen ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse begrüßt, mehr als wegen moralischer oder sozialer Schwierigkeiten. Zurzeit sind mehrere Internatsschüler noch Hindus, aber Sie sollten sehen, wie sie beten und wie sie der Heiligen Messe folgen. Am Ende bitten fast alle um die Taufe.

Das Leben dieser Schwestern ist ein Beispiel für alle: sie sind der geistige und materielle Motor des Hauses.

Pater Massimo Sbicego: Herzlichen Dank für das Interview.