Ordnung der Schöpfung als Machterweis des Schöpfers

Quelle: Distrikt Österreich

Kein Lernender vermag zu begreifen, wie groß die Macht des Schöpfers ist; er kann nicht ermessen, was dieser schuf, noch was er zu erschaffen imstande ist. Denn diese Geschöpfe, die er schuf, und diese Werke, die er wirkte, machen nicht die Ganze Macht des Schöpfers aus. Nicht deshalb, weil er es nicht könnte, will er nicht mehr erschaffen. Sein Wille ist unbeschränkt: wenn er wollte, könnte er tagtäglich erschaffen; allein dann entstünde ein Wirrwarr. Wenn die Geschöpfe immer mehr würden, dann würden sie wegen ihrer Unzahl einander gar nicht mehr kennenzulernen vermögen. Obwohl er ihnen allen gewachsen bliebe, würden sie doch sich nicht gewachsen sein. Zu welchem Nutzen würde er sie dann erschaffen haben, wenn sie doch einander fremd bleiben müssten? Was auch immer der Schöpfer erschuf: es geschah nicht, um sich selbst größer zu machen; denn er war nicht kleiner, bevor er schuf, noch wurde er größer, nachdem er erschaffen hatte. Seine Werke wollte er groß machen; darum schuf er mit Maß. Wohl hätte er diese Schöpfung unendlich groß machen können; allein dann wären ihre Bewohner in Verwirrung geraten, und mit der Verwirrung wäre Schaden verbunden gewesen.

Der Schöpfer erschafft also nicht, soviel er kann. Er schafft nicht so viel, als er kann, sondern so viel, als es sich geziemt. Würde er in einem fort erschaffen und sein Wirken nicht beschränken, so wäre dies ein maßloses Gebaren, das der Klugheit entbehren würde. Er würde einem Brunnen gleichen, der immerfort ohne Beschränkung fließt. Der Schöpfer wäre eine Quelle, die durch ihre Natur gebunden ist und daher ihren Lauf nicht hemmen kann; denn er hätte keine Gewalt über seinen Willen. Wie er uns nur dadurch, dass er (seiner Schöpfermacht) freien Lauf lässt, seinen Willen offenbart, so kann er uns nur dadurch seine Macht zeigen, dass er sie zurückhält. Er beginnt (zu erschaffen), um Geschöpfe aufzustellen; er hört auf, um Ordnung herzustellen. Wenn er täglich Himmel und Erde und Geschöpfe erschaffen würde, so wäre sein Wirken eine Verwirrung ohne Ordnung, und er wäre im Wirken nicht groß, weil er an Weisheit klein wäre. Es muss ja auch der redende Mund nach einer gewissen Ordnung reden. Muss er denn nicht, obwohl er reden kann, auch wieder zu reden aufhören? Das Reden fällt aber dem Mund nicht so leicht wie das Schaffen dem Schöpfer. Die Schöpfungen sind für den Schöpfer viel leichter als die Worte für die Redenden; aber deshalb weil er schaffen könnte, erschafft er doch nicht immerfort Neues. Er gibt dem Menschen beim Reden Ordnung; um so mehr wird er maßhalten, obwohl er stündlich erschaffen könnte. Er hörte also zu schaffen auf, um zu ordnen, was er geschaffen hat.

Wer wäre imstande, anzugeben, wieviel er hätte schaffen können? Viel ist es, was er schuf; viel auch, was er zu schaffen unterließ. Was er erschaffen hat, ist unermesslich, und was er unerschaffen ließ, ist unerforschlich. Alles, was er durch seinen Wink hervorbringt, ist aus nichts. Es ist dem Forschen gänzlich verborgen, mag es sichtbar oder unsichtbar sein. Du erkennst nicht, wieviel er gemacht hat, noch wieviel er machen kann. Nur der Eingeborene, der in seinem Schoß verborgen ist, kennt das Wie und das Wieviel.

Der Syrer Ephräm: Über den Glauben 2,4-5