Das Heilige Grab und die Auferstehung - Zum Osterfest 2024

Quelle: Distrikt Österreich

Grabeskirche in Jerusalem

Hochwürdige Mitbrüder, ehrwürdige Brüder und Schwestern im Ordensstand, liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter! 

In der Mitte der sogenannten Anastasis, wie die Griechen die Rotunde des Grabesdomes zu Jerusalem nennen, steht die Kapelle des Heiligen Grabes, direkt bestrahlt von dem vollen Lichtstrom, der aus dem einzigen, kreisrunden Fenster im Zentrum der Kuppel herniederflutet. Wie freuten wir uns als kleine Kinder alljährlich, in unseren Kirchen die Heiligen Gräber zu besuchen, wie bewunderten wir die in weißen Schleier gehüllte Monstranz mit dem Allerheiligsten, die anbetenden Engel, die vielen Kerzen und Blumen, wie freuten wir uns auf die Auferstehungsprozession. Es ist eine große Gnade für jeden Priester, nicht nur das wirkliche Heilige Grab in Jerusalem zu betreten und sich zum Gebet niederzuknien, manche haben sogar die Gelegenheit, am Ort der Auferstehung selbst das Heilige Messopfer zu feiern, natürlich das immer noch bestehende Privileg nutzend, die Messe vom Ostersonntag zu zelebrieren. Nach altem Recht dürfen die Katholiken drei Heilige Messen pro Tag in der Kapelle des Heiligen Grabes zelebrieren, die Armenier und die Griechen können jeweils einen Gottesdienst feiern nach uralter Gewohnheit. Ein Gedanke erfüllt hier die Seele eines jeden Pilgers, der Gedanke, den der Engel ausgesprochen hat mit den jubelnden Worten: „Er ist auferstanden!“ (Mk 16,6) 

Die Kapelle des Heiligen Grabes in Jerusalem 

Durch eine Vorkammer gelangt man ins Heilige Grab, dieser Raum, Engelskapelle genannt, umschließt ein Bruchstück jenes Steines, der den Grabeingang verschloss und auf dem der Engel saß, als die heiligen Frauen kamen. Durch einen Engel des Himmels lässt der Herr die Frauen trösten, die kommen, Seinen Hochheiligen Leib zu salben. Wie vergilt der Herr so reich die leiblichen Werke der Barmherzigkeit!  

Um ins Heilige Grab zu kommen, muss man sich tief beugen, durch einen engen, niederen Spalt eintreten. Die Grabkammer ist 2,7 m lang, 1, 93 cm breit und in weißen Marmor gekleidet, viele kostbare Lampen brennen. Das Grab selbst erhebt sich 65 cm über dem Boden und ist 1,89 cm lang, 93 cm breit und ebenfalls mit Marmor umkleidet. Die Marmorbekleidung hat den Zweck, den Fels vor „übereifrigen“ Pilgern zu schützen. Ein Gesims läuft herum, auf das ein tragbarer Altar gestellt werden kann über dem Heiligen Grab selbst. Drei kostbare Darstellungen der Auferstehung zieren die Rückwand, es sind die Darstellungen der Griechen, der Armenier und der Franziskaner. „Sein Grab wird glorreich sein!“ (Jes 11,10) Wie wunderbar hat sich diese Prophetie erfüllt! Erstens war das Grab wunderschön gelegen, in einem blühenden Garten, der einen ganzen Frühling von Blumenduft um die in Stein gehauene Gruft verbreitete. Der Leichnam des Herrn lag regungslos da, voll Wunden, aber diese gingen nicht in Fäulnis über. Die Spezereien und Blütenbüsche hauchten herrlichen Duft aus. Die Gottheit, die nie vom Leibe wich, machte den Raum zum großen Heiligtum. Gott hat es so gefügt, dass der Ewige Hohepriester Jesus Christus den Zustand des Todes, also die Trennung von Leib und Seele, erfuhr. Während der Zeit, die Jesus im Grab verbrachte, blieben sowohl Sein Leib als auch Seine Seele, die der Tod voneinander getrennt hatte, mit Seiner göttlichen Person verbunden. Weil der tote Leib Christi weiterhin der göttlichen Person gehörte, ist er im Grab nicht verwest. Das Grab des Herrn war auch glorreich, wegen der Liebe und Hochachtung der Apostel, der heiligen Frauen, in besonderer Weise der Gottesmutter und letztlich der gesamten Christenheit. Das Grab des Herrn ist aber auch glorreich durch die Furcht und Angst der Feinde, die selbst mit ausgesuchtem Scharfsinn für die Unumstößlichkeit des Wunders der Auferstehung sorgten, indem sie das Grab versiegelten und eine Ehrenwache als unverfälschliche Zeugen für das hinstellten, was sie mit aller Gewalt verhindern wollten. 

Hier ist Christus auferstanden: Scimus Christus surrexisse a mortuis vere - Wir wissen, Christus ist wahrhaft auferstanden von den Toten (vgl. Missale Romanum, Sequenz des Ostersonntags). Welch eine Freude, in Jerusalem das Heilige Grab zu besuchen, an diesem Ort knien zu dürfen: In resurrectione tua, Christe, coeli et terra laetantur – Ob Deiner Auferstehung, Christus, freuen sich Himmel und Erde (vgl. Breviarium Romanum). Das ist Ostern! 

Zeremonien der Grablegung 

Die verschiedenen überlieferten Diözesanritualien unterscheiden sich. In den Diözesen Mitteleuropas von Bayern bis Polen, von Böhmen bis Kroatien finden wir aber in etwa die gleichen Zeremonien für die Grablegungsfeier, die immer direkt nach der eigentlichen Karfreitagsliturgie stattfindet. Am Gründonnerstag wird eine zusätzliche große Hostie konsekriert, die in der Karfreitagsliturgie zum Hochaltar übertragen wird und am Ende in der verschleierten Monstranz ausgesetzt ist. Nach der Inzensation beginnt die Grablegung, eine theophorische Prozession mit dem Allerheiligsten, die der Priester im schwarzen Pluviale mit weißem Schultervelum trägt, wenn möglich unter dem Baldachin, der Klerus trägt brennende Kerzen, die Ministranten verwenden statt den Glocken die sogenannten Klappern, zwei Rauchfassträger inzensieren ohne Unterbrechung, bis man in der Grabkapelle oder an einem, in größter Blumen- und Kerzenpracht („quam plurimis luminibus ornato“ sagen viele Ritualien!) vorbereiteten, Seitenaltar der Kirche ankommt, wo das Allerheiligste zur Anbetung bis zu Osternacht ausgesetzt wird. Während der Prozession wird klassischerweise das Responsorium gesungen: Ecce quomodo moritur iustus und am Altar angekommen das Tenebrae factae sunt, im gregorianischen Choral oder auch in einer der schönen klassischen Vertonungen, wie von Michael Haydn oder Anton Bruckner. Es existieren, falls dies nicht möglich ist, auch sehr schöne und erbauliche Volksgesänge zur Grablegung. Nach den Gebeten des Priesters beginnt die Anbetung des gläubigen Volkes am Heiligen Grab, die sogenannte Grabwache, wenn möglich bis zum Abend des Karsamstags. Für jeden Katholiken war es früher selbstverständlich sowohl am Karfreitag als auch am Karsamstag einige Stunden dem stillen Gebet, der Anbetung am Heiligen Grab zu widmen. 

Die Auferstehungsprozession 

Die glaubensfeindliche Aufklärung des 18. Jahrhunderts, der Josephinismus, die liturgische Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts, die Reformer der Karwoche in den 50er Jahren und die nachkonziliare Reform haben alle immer wieder versucht, die zusätzlichen Zeremonien des Triduum Sacrum zu zerstören. Es ist nicht gelungen. Diese zusätzlichen Zeremonien gehören zwar nicht zur eigentlichen römischen Liturgie, sie sind aber wirklich altehrwürdig und die Kirche hat sie immer gutgeheißen und gefördert. Papst Pius VI. hat bei seinem Besuch in Wien 1792 am Karfreitag die Heiligen Gräber besucht, nachdem er am Gründonnerstag zuvor, wie universalkirchlich üblich, die Anbetung nach der Gründonnerstagliturgie gehalten hat. Wenngleich sehr selten geworden, gibt es auch die Auferstehungsprozession, die immer nach der Ostervigil stattfindet, auch in vielen Pfarreien unseres Landes immer noch. Das gläubige Volk hat sich das nicht nehmen lassen. Ostern ohne Auferstehungsprozession ist nicht Ostern, so konnte man es gerade am Land immer wieder hören. Wenn die Leute früher sagten: „Wir gehen in die Auferstehung“, so meinte man eigentlich die Auferstehungsprozession. Nachdem man in Stille das Allerheiligste in der verschleierten Monstranz angebetet hat, wird der Schleier nun abgenommen und es setzt sich, mit allerhöchster Feierlichkeit, die man aufbieten kann, die Prozession mit dem Allerheiligsten in Bewegung, wenigstens durch die Kirche, oft aber auch ins Freie. Am Ende wird das Te Deum vor dem Allerheiligsten gesungen, der Segen erteilt.  

Bedeutung der traditionellen Frömmigkeit 

Warum schildere ich Ihnen das auch heuer wieder? In den letzten Jahrzehnten sind sehr viele Schätze unseres religiösen Lebens verloren gegangen. Die Seelen brauchen eine gute Nahrung. Sonst entsteht ein Vakuum, das sich bald mit anderen Dingen füllt, die nicht echter kirchlicher Gesinnung sind. Die Kirche gibt uns allen die gute Nahrung durch die heilige Liturgie, ganz besonders in den Tagen der Karwoche. Neben den gottesdienstlichen Handlungen des Missales, des Stundengebetes (denken wir an die Trauermetten!) sind es vor allem auch die Zeremonien des Rituales, dann die Volksfrömmigkeit, die sich je nach Land unterschiedlich ausgeprägt hat. Denken Sie etwa an die großen Karwochenprozessionen im Süden Spaniens oder in Italien.

Es ist mir ein großes Anliegen, dass die Gläubigen diese Schätze nach und nach wiederentdecken, die Verarmung des religiösen Lebens überwinden und auch aus dem Minimalismus herauskommen. Freilich wird es vielerorts noch nicht möglich sein, die Karwoche so zu feiern, wie ich es Ihnen geschildert habe, die Kirchenkrise, der Notstand unserer Tage fordert uns auf, uns auch einzuschränken. Aber es ist von großer Wichtigkeit, dass wir das Glaubensleben, die religiöse Praxis unserer Väter gut kennen. Geizen wir nicht, wenn es um den Kult geht, wenn es um das Allerheiligste geht. Es wäre schön, wenn es überall in den Ländern unseres Distrikts das Heilige Grab mit großem Kerzen- und Blumenschmuck bald wieder gibt, dass die Gläubigen zahlreich zur stillen Anbetung kommen. 

Ein großes Herz haben für Jesus 

Seien wir großzügig in der Hingabe, seien wir großzügig, wenn es um das Messopfer, den eucharistischen Kult geht. Wenn Jesus hier unsere aufrichtige Liebe, unsere Feinfühligkeit sieht, unsere Großherzigkeit, dann wird Er uns reich segnen in unserem Leben. Tragen wir alle Sorge, dass unsere Kirchen und Kapellen immer sauber sind, schön geschmückt, dass die Kirchenwäsche von Sauberkeit strahlt. Es sind dies verborgene Dienste für Jesus allein, die sehr kostbar sind im Leben des Katholiken.  

Ich wünsche Ihnen eine gnadenreiche restliche Fastenzeit und Karwoche und vor allem frohe und gesegnete Ostern. „Die Auferstehung des Herrn ist unsere Hoffnung“, so sagte es der hl. Augustinus. Bereiten wir uns vor allem innerlich, durch unser Gebetsleben, die Betrachtung, die verschiedenen Andachten (Kreuzweg, Ölbergandachten etc.), schließlich auch durch die gute Osterbeichte, auf das Freudenfest der Auferstehung vor. 

Mit meinem priesterlichen Segen! 

P. Johannes Regele
Jaidhof, am 1. März 2024