Der Himmel

Quelle: Distrikt Österreich

Detail aus dem Deckengemälde im Stift Altenburg

Im Hochamt der Osternacht haben wir in der Lesung folgende Worte des hl. Apostel Paulus vernommen, die er in einem Brief an die Kolosser geschrieben hat: "Seid ihr auferstanden mit Christus, so sucht, was oben ist, wo Christus thront zur Rechten Gottes. Was oben ist, habt im Sinn, nicht was auf Erden ist." Nützen wir also die Osterzeit dazu, mehr an den Himmel zu denken, der unser Ziel ist und lassen wir uns dabei von dem leiten, was wir durch die Lehren der hl. Kirche über den Himmel wissen. 

 

Der Tod ist eine Realität, die wir zwar gerne aus unserem Leben verdrängen möchten, mit der wir aber doch immer wieder durch den Tod anderer konfrontiert werden. Aber ist die Auferstehung für uns auch eine Realität, ist der Himmel für uns eine Realität? Wie oft denken wir an den Himmel? Als Christen sollten wir das eigentlich ganz regelmäßig, ja täglich, tun. Gewissensfrage an Sie, lieber Leser: Haben Sie heute schon an den Himmel gedacht? Möglicherweise gar nicht. Und das ist leider sehr, sehr oft so. Man ist katholisch, man ist Priester oder Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, man geht oft oder sogar täglich in die Hl. Messe, man betet – aber denkt man auch an den Himmel? Der ist doch gar kein Thema! Wir sind mit den Dingen des Alltags so sehr beschäftigt, dass dabei der Gedanke an die Schönheit all dessen, was uns bevorsteht, die Größe, die Freude, verloren geht. Und der, der sich darüber sehr freut, ist der Teufel. Er freut sich sogar gewaltig darüber. 

Wir wollen uns dem Thema des Himmels anhand der Dogmatik der katholischen Kirche ein wenig nähern:

1. Was ist die wesentliche Seligkeit des Himmels?

Die Seelen der Gerechten, die im Augenblick des Todes von aller Sündenschuld und Sündenstrafe frei sind, gehen in den Himmel ein.  (Das ist ein Dogma!)

Der Himmel ist ein Ort und Zustand vollendeter übernatürlicher Glückseligkeit, die in der unmittelbaren Anschauung Gottes und der damit verbundenen vollkommenen Gottesliebe ihren Grund hat. 

Die modernen Theologen sehen das ein wenig anders: Für sie ist der Himmel ein „Zustand“, aber kein „Ort“. 

Papst Benedikt XII. verkündete im Jahr 1336 den dogmatischen Satz, dass „die ganz reinen Seelen in den Himmel eingehen und die göttliche Wesenheit unmittelbar und von Angesicht zu Angesicht schauen, in dem sich ihnen die göttliche Wesenheit unmittelbar, unverhüllt, klar und offen darbietet, und dass sie auf Grund dieser Schau und dieses Genusses wahrhaft glückselig sind und das ewige Leben und die ewige Ruhe haben.“

Schon im Alten Testament finden wir Offenbarungen über das ewige Leben, in den älteren Büchern noch unvollkommen, aber schon die Märtyrer der Makkabäerzeit schöpfen Trost aus der Hoffnung auf das ewige Leben, und im Buch der Weisheit lesen wir über das Glück und den Frieden der Seelen der Gerechten, die in der Hand Gottes ruhen und ewig bei ihm leben.

Als die Fülle der Offenbarung macht uns Christus die Seligkeit des Himmels unter dem Bild eines Hochzeitsmahles anschaulich. Die Bedingung für die Erlangung des ewigen Lebens ist die Erkenntnis Gottes und Jesu Christi: „Das ist das ewige Leben, dass sie dich erkennen, den einen wahren Gott und den du gesandt hast, Jesus Christus.“ (Joh 17,3). „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Mt 5,8)

Bedingung für das Eingehen in den Himmel ist das reine Herz! Nichts Unreines kann in den Himmel eingehen, bevor es nicht rein ist. Es ist unsere Aufgabe auf Erden, dass wir uns reinigen von der Sündenschuld durch die Reue und die Beichte und dass wir die Sündenstrafen durch die guten Werke mindern oder völlig tilgen. Wenn die Sünden und die Sündenstrafen völlig getilgt sind, ist kein Fegefeuer nötig. Wenn wir ein ganz reines Herz haben im Augenblick des Todes, dann gehen wir unmittelbar in den Himmel ein und wenn nicht, gibt es den Reinigungszustand des Fegefeuers, das etwas Zeitliches ist. 

Der hl. Paulus hebt den Geheimnischarakter der künftigen Seligkeit hervor: „Kein Auge hat gesehen, kein Ohr hat gehört und in keines Menschen Herz ist gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ Der Himmel wird alles dermaßen übertreffen, dass der hl. Paulus das so sagen musste! Der schönste Augenblick in unserem Leben ist nichts im Vergleich mit dem Himmel. Es wird alles so weit überstiegen werden an Glückseligkeit, an Freude, an Schönheit, an Liebe, dass wir uns das hier mit unserer menschlichen Phantasie, mit unserem menschlichen Gehirn überhaupt nicht vorstellen können. Die irdischen Vergleiche sind nur Vergleiche aus der Vergänglichkeit unseres Denkens, alles wird bei weitem in unvorstellbarer Weise übertroffen werden. Die Gerechten (=die Heiligen) empfangen als Lohn ewiges Leben und eine Herrlichkeit, die in keinem Verhältnis steht zu den Leiden dieser Welt. Alles, was wir hier auf Erden erlitten haben, was wir an Verdiensten erworben haben, das wird dermaßen übertroffen werden an Herrlichkeit und Lohn, dass das für uns absolut unvorstellbar ist. 

Die Apokalypse schildert das Glück der Seligen in der Gemeinschaft Gottes, in der Gemeinschaft des Lammes, des erhöhten Christus. Im Himmel sind sie allen physischen Übeln enthoben.

2. Akzidentielle Seligkeit des Himmels

Zu der wesentlichen Seligkeit des Himmels, die aus der unmittelbaren Gottesanschauung entspringt, kommt eine akzidentelle Seligkeit hinzu, die aus dem natürlichen Erkennen und Lieben geschaffener Güter hervorgeht. 

Die geschaffenen Güter haben ihren Ursprung in Gott, sie zu erkennen und zu lieben, bedeutet auch Glück, und dieses Glück bleibt auch im Himmel weiter bestehen. Auch die Fähigkeit zu lieben, wird uns im Himmel erhalten sein, ebenso die Freude über die Wiedervereinigung mit Angehörigen und Freunden aus der Zeit des Erdenlebens. Auch die Vereinigung der Seele mit dem verklärten Leib am Ende der Zeiten bedeutet eine Steigerung der Glückseligkeit und Freude. Wir sind nicht vollkommen, wenn wir nicht unseren Leib haben. Engeln fehlt nichts, weil sie keinen Leib besitzen, uns Menschen aber schon. Wenn unsere Seele vom Leib getrennt ist, fehlt der Leib. Der Mensch ist eine Zusammensetzung von Seele und Leib und die Auferstehung bedeutet, dass wir einen neuen Leib erhalten am Ende der Zeiten.

Nach der Lehre der Scholastik empfangen drei Klassen von Seligen, zu der wesentlichen Seligkeit hinzu, einen Sonderlohn für den von ihnen errungenen hervorragenden Sieg (Aureola genannt): Die Jungfrauen für ihren Sieg über das Fleisch, die Märtyrer für ihren Sieg über die Welt  und die Glaubenslehrer für ihren Sieg über den Teufel, den Vater der Lüge. 

3. Eigenschaften des Himmels 

a) Ewigkeit

Die himmlische Seligkeit dauert in alle Ewigkeit.

Papst Benedikt XII. erklärte: „Diese Schau und dieser Genuss (der göttlichen Wesenheit) besteht ohne Unterbrechung oder Verminderung des Schauens und Genießens fort und wird fortdauern bis zum Endgericht und von da an in alle Ewigkeit.“ 

Es wird nie eine Verminderung des Glücks im Himmel geben. Jesus vergleicht den Lohn für die guten Werke mit Schätzen im Himmel, die unverlierbar sind. Jedes gute Werk, das wir getan haben, wird mit einem unendlichen Schatz im Himmel belohnt werden. Hier sieht man den Wert der guten Werke, den Wert der Mühen. Wenn man sich nie mit dem Himmel befasst, ist das fast tödlich für das geistige Leben. Man schuftet und müht sich ab und fragt sich ständig, wofür tue ich das eigentlich? Man erhält keinen befriedigenden Dank hier auf Erden, weil das oft nicht möglich ist. Alle sind unzufrieden und jammern, niemanden passt etwas, manche Menschen kommen so der Verzweiflung nahe. 

Der Tod und die Auferstehung Jesu Christi haben das ganze Leben des Menschengeschlechtes vollkommen verändert. Diese Haltung der Frustration, der Verzweiflung, der Verdrossenheit, das ist das typische alttestamentliche Leben, das Leben der Aussichtslosigkeit. Im Irdischen können Dinge durchaus aussichtslos sein, aber der Blick auf die Ewigkeit ist ein anderer. Der hl. Paulus spricht vom „unvergänglichen Kranz der Herrlichkeit“. Die ewige Dauer des Himmels kommt aus der vollkommenen Glückseligkeit. Man kann nicht vollkommen glückselig sein, wenn dieser Zustand einmal aufhören würde, stellt der hl. Augustinus fest. Und er präzisiert weiter: Der Wille des Seligen wird durch die innige Vereinigung mit Gott in der Liebe so im Guten bestärkt, dass eine Trennung von Gott durch die Sünde moralisch unmöglich ist. Wir können moralisch nicht mehr sündigen im Himmel, weil unser Wille in der Gottesnähe so gefestigt ist im Guten, dass es unmöglich sein wird, zu sündigen. Die Freiheit aber wird uns im Himmel nicht genommen! 

b) Ungleichheit

Der Grad der himmlischen Seligkeit ist bei den einzelnen Seligen verschieden, je nach dem Grad ihrer Verdienste. (Das ist ein Dogma!)

Das Konzil von Florenz (1459) erklärte: „Die Seelen der vollendeten Gerechten schauen klar den dreieinigen und einen Gott, wie er ist, jedoch entsprechend der Verschiedenheit der Verdienste, der eine vollkommener als der andere“ Das Konzil von Trient definierte, dass der Gerechtfertigte durch gute Werke eine Vermehrung der Himmelsglorie verdient.

Alle im Himmel werden Gott schauen, aber der, der mehr Verdienste erworben hat im irdischen Leben, der, der mehr geliebt hat, der mehr gelitten hat im irdischen Leben, der wird noch mehr verkosten können von der Herrlichkeit Gottes. Der Protestantismus hat das geleugnet und meinte, die Werke hier auf Erden hätten keine Bedeutung. 

Unsere Leiden, unsere Anstrengungen, unsere Arbeiten auf Erden bewirken ganz klar einen höheren Grad der himmlischen Seligkeit. Das ist auch im Evangelium offenbart durch die Worte Jesu: „Er (der Menschensohn) wird einem jeden vergelten nach seinem Tun (Mt 16,27) Das sagt uns Gott selbst und mit diesen Worten kann man viele Menschen aufrichten in ihrem Leid und ihren Schmerzen. Alles hat seine Bedeutung für die Ewigkeit und das Leiden ist letzten Endes auch eine Gnade, wenn es gut getragen wird. 

Auch Paulus lehrt: „Jeder wird seinen Lohn empfangen gemäß seiner Arbeit (1 Kor 3,8) und „Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten, wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten.“ (2 Kor 9,6)

Die Großzügigkeit wird reich belohnt werden. Diejenigen, die sich aus Liebe bemüht haben, werden eine größere himmlische Seligkeit erlangen. Es geht aber nicht um Aktivismus, es geht um die Liebe! 

Die Kirchenväter legten das Wort Jesu von den vielen Wohnungen im Haus des Vaters auch in diese Richtung aus: „Wozu wären die vielen Wohnungen beim Vater, wenn nicht wegen der Verschiedenheit der Verdienste?“  bemerkt Tertullian. Der hl. Augustinus sieht in dem einen Denar, den alle Arbeiter im Weinberg erhalten, obwohl sie verschieden lange gearbeitet haben, das ewige Leben angedeutet, das für alle in gleicher Weise von ewiger Dauer ist; in den vielen Wohnungen im Haus des Vaters findet er die verschiedenen Grade der Seligkeit im ewigen Leben bezeichnet. „Es wird aber kein Neid sein wegen der ungleichen Herrlichkeit, weil in allen die Einheit der Liebe herrschen wird.“ Alle werden sich freuen über den Grad der Seligkeit des anderen, denn: Neid kann es im Himmel nicht mehr geben! 

Quelle: Grundriss der Dogmatik von Ludwig Ott