Der hl. Thomas Becket - Erzbischof von Canterbury

Thomas Becket - ein Märtyrer für die Freiheit der Kirche
Das Mittelalter kannte einen feierlichen und sehr eindrucksvollen Brauch: Wenn der König vor allem Volk dem Hochamt beiwohnte, trat ein Priester vor ihn hin, zündete ein kleines Bündel Werg (Flachsfasern von minderer Qualität) an und sprach in Stille die wenigen, aber inhaltsschweren Worte: „Durchlauchtigster König, so vergeht der Glanz der Welt! …sic transit gloria mundi!“ König und Volk sahen darin eine ernste Mahnung, über den zeitlichen Dingen nicht die ewigen zu vergessen. Das Schicksal des heiligen Thomas Becket zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, wohin ein Staat abgeleitet, wenn er das Symbol des Wergbündels vergisst und sich selbst zur letzten und obersten Autorität erklärt.
Am 29. Dezember gedenkt die Kirche des heiligen Erzbischofs Thomas Becket. Er starb an diesem Tage innerhalb der Oktav des hohen Weihnachtsfestes um der Freiheit der Kirche willen als Märtyrer.Thomas Becket wurde am Tage des heiligen Apostels Thomas (21. Dezember) im Jahre 1118 in London geboren und wohl noch am selben Tage getauft, so dass er den Namen des heiligen Apostels erhielt.
Nach seiner Ausbildung in Merton Abbey und dem Studium in Oxford und Paris wurde Thomas Becket Kleriker der hl. Kirche. Um 1141 trat er in den Dienst des Erzbischofs Theobald von Canterbury (1138 - 1161), der ihn zum Studium des Kirchenrechts nach Bologna und Auxerre sandte. 1154 empfing Thomas die Diakonenweihe. Er wirkte fortan als Archidiakon des Erzbischofs, bis König Heinrich II. Courtmantle (1154 - 1189) Thomas Becket 1155 zum Lordkanzler ernannte. Heinrich II. von England und Thomas waren zu jener Zeit „ein Herz und eine Seele“. Sogar die Erziehung seiner Kinder vertraute der König dem Kanzler an.
Der Erzbischof von Canterbury
Nachdem Erzbischof Theobald gestorben war, sorgte der König dafür, dass der ihm vertraute Thomas Becket 1162 dessen Nachfolger wurde. Gewiss glaubte er, mit dem neuen Oberhaupt der Kirche Englands nach Belieben verfahren zu können. Doch Heinrich II. hatte sich getäuscht. Thomas Becket nämlich begann, nachdem er das hohe Amt übernommen hatte, ein diesem entsprechendes Leben der Hingabe und der Abtötung zu führen. Auch legte er - gegen den Wunsch des Königs - sein Kanzleramt nieder. Thomas diente nur noch der hl. Kirche.
König Heinrichs II. zog die Einkünfte unbesetzter geistlicher Ämter ein und war deshalb darauf aus, Vakanzen möglichst lange hinzuziehen. Heinrichs weltliche Gerichtsbarkeit verhandelte widerrechtlich auch über Geistliche. Die Edelleute des Königs endlich versuchten immer wieder, der hl. Kirche Teile ihres Besitztums zu rauben. All dem trat der hl. Thomas Becket entschlossen entgegen.
Das nun folgende, gewalttätige Drängen Heinrichs II. gegen die englischen Bischöfe zielte darauf ab, sie der Krone gefügig zu machen. Der König hielt vor dem Parlament 1163 eine Rede, die erkennen ließ, dass er die Freiheit der katholischen Kirche in England beseitigen wollte. Thomas brachte die englischen Bischöfe dazu, Widerstand zu leisten. Schließlich allerdings wurde der Heilige durch ein gefälschtes, vorgeblich päpstliches Schreiben zur Nachgiebigkeit verleitet. Nachdem er aber den Betrug erkannt hatte, weigerte sich der hl. Thomas Becket, die königlichen Forderungen zu unterschreiben, die er mündlich anerkannt hatte. Daraufhin erhob Heinrich II. falsche Anklagen gegen den Erzbischof. Er sollte wegen Veruntreuung von Geldern während seiner Kanzlerschaft vor Gericht gestellt werden. Nach seiner Verurteilung floh St. Thomas Becket 1164 außer Landes und suchte Papst Alexander III. (1159 - 1181) auf, der zu jener Zeit in Frankreich weilte. Unterdessen drangsalierte Heinrich II. alle Verwandten des Erzbischofs.
Papst Alexander III. erkannte die Rechtmäßigkeit der Handlungen des hl. Thomas Becket ausdrücklich an. Dieser zog sich ins Zisterzienserkloster Pontigny zurück. Als aber König Heinrich II. damit drohte, alle Zisterzienser Englands auszuweisen, waren die Mönche von Pontigny damit einverstanden, dass der Heilige ihr Kloster wieder verließ. Der französische König Ludwig VII. (1137 - 1180) äußerte seine Bestürzung angesichts des mangelnden Mutes dieser Zisterzienser, die St. Thomas Becket nicht hätten fortgehen lassen dürfen. Er bot dem Heiligen an, ein anderes Kloster auszuwählen; dort sollte er von nun an einen sicheren Aufenthalt haben. Der Erzbischof entschied sich für die auf das 7. Jahrhundert zurückgehende Benediktinerabtei St. Columba bei Sens.
Thomas Becket wird am Altar ermordet
1170 schien Heinrich II. zur Versöhnung bereit zu sein, und Thomas Becket kehrte am 30. November desselben Jahres nach Canterbury zurück, jubelnd empfangen vom Volke. Doch Heinrich II. suchte nur nach einem Anlass für die Erneuerung seines Streites mit dem Oberhaupt der englischen Kirche. Als der hl. Thomas Becket in seiner Weihnachtspredigt Verleumder angriff, die sich zwischen ihn und den König stellten, da klagte dieser vor einigen seiner Gefolgsleute, was für feige Menschen ihn umgäben, die dem König durch den Pfaffen von Canterbury angetane Beleidigungen ruhig hinnähmen. So deutete Heinrich II. an, dass Thomas Becket zu töten sei. Daraufhin begaben sich vier Ritter nach Canterbury. Zur Zeit der Vesper drangen sie am 29. Dezember 1170 in die Kathedrale der Stadt ein und mordeten den hl. Thomas Becket, indem sie dem vor dem Altar Betenden das Haupt spalteten. Um ihre Grausamkeit ins Maßlose zu steigern, versprengten sie danach das Hirn des Getöteten auf dem Boden der Kathedrale.
Die öffentliche Buße des Königs
Vom Himmel aus aber ermahnte Thomas Becket den König zur Umkehr, die dieser im Sommer 1174 mit einer öffentlichen Buße am Grabe des im Jahre zuvor Heiliggesprochenen endlich vollzog: Zunächst war Heinrich II. während seiner Regentschaft von Triumph zu Triumph geeilt. 1157 unterwarf er die Fürsten von Wales. In demselben Jahre musste ihm Schottlands König Malcolm IV. (1153 - 1165), genannt die Jungfrau, den Huldigungseid leisten. 1172 schließlich bestätigte Papst Alexander III. Heinrichs Herrschaft über Irland. Anjou, Bretagne und Normandie unterstanden Heinrich II. Doch 1174 erhob sich gegen ihn eine Allianz der Könige Frankreichs und Schottlands im Bunde mit Prinz Heinrich dem Jüngeren von England (gest. 1183) sowie Teilen des englischen Adels. Heinrich II. flehte den hl. Thomas um dessen Fürsprache an, damit ihm sein Königreich erhalten bleibe. Am 13. Juni 1174 kam es zur Schlacht bei Alnwick, in der die Schotten nicht nur geschlagen wurden. Ihr König, Wilhelm I. der Löwe (1165 - 1214), geriet in englische Gefangenschaft und kam nur dadurch wieder frei, dass er die Oberhoheit Heinrichs II. über Schottland anerkannte. Am 7. Juli 1174 tat Heinrich II. öffentlich Buße; dabei ließ er sich von den Mönchen Canterburys geißeln.
Seit der Heiligsprechung am 21. Februar 1173 und der Übertragung der Reliquien nach Canterbury fanden Wallfahrten zum hl. Thomas Becket weite Verbreitung. Bereits ein Jahrhundert nach dem Martyrium berichtete man von zahlreichen Wundern, die sich durch die Fürsprache des hl. Thomas Becket ereignet hatten. In denen, die die Legenda aurea aufzählt, geht es oft darum, dass Menschen auf wunderbare Weise lernen, sich mit demjenigen zufrieden zu geben, was Gott ihnen zugeteilt hat.
Quelle: „Der Widerschein der Herrlichkeit“ von Ralf Oppermann, Begleitbuch zum Kirchenjahr im Alten Ritus.