Maria im Heilswerk
6. Teil der Adventbetrachtungen aus dem Buch "Auf dem Weg nach Bethlehem" (mit freundlicher Genehmigung des Autors, P. Michael Gurtner)
Die Bewahrung der Gottesmutter von der Erbschuld geschah im Hinblick auf unsere Befreiung von der Erbschuld. Sie war auserkoren, um am Erlösungswerk des Gottessohnes teilzunehmen. Dies tat sie einerseits durch ihr eigenes Lebensopfer, aber viel mehr noch ist ihre Teilnahme in ihrer Gottesmutterschaft gelegen, welche sie durch ihr fiat aktiv und in vollkommener Freiheit angenommen hat. Die Art der Teilhabe Mariens am Erlösungswerk ist jene einer collaboratio – eines bereitwilligen „Mitarbeitens“. Das deutet bereits auf den aktiven Charakter Mariens hin: sie wurde von Gott nicht passiv „benutzt“, sondern durch den Glauben und ihren absolut freien Gehorsam war und ist ihre Mitwirkung an unserer Erlösung eine aktive. Mitunter trifft man deshalb auch auf den Ausdruck der „Miterlösung“, in welcher diese collaboratio bestünde. Dieser Ausdruck hat wohl eine gewisse Verbreitung gefunden, bis hin zur Forderung, selbigen zu dogmatisieren. Von manchen wird in „Maria Miterlöserin“ auch als das letzte ausstehende Mariendogma gesehen. Dieser Ausdruck ist inhaltlich nicht unbedingt falsch, kann aber sehr leicht falsch verstanden werden und zu gefährlichen Irrtümern führen. Deswegen spricht man besser von einer Teilhabe oder einem Mitwirken der Allerseligsten Gottesmutter am Erlösungswerk ihres Sohnes.
Dieses gliedert sich in zwei Bereiche: die redemptio obiectiva bzw. die objektive Erlösung, sowie die redemptio subiectiva oder subjektive Erlösung. Erstere besteht im Kreuzesopfer Jesu Christi, welches sich prinzipiell auf alle Menschen erstreckte. Das Paradies wurde von daher allen Menschen geöffnet in dem Sinn, daß es niemand gibt, dem es grundsätzlich verschlossen blieb. Allerdings handelt es sich um keinen „Automatismus“: die Allerlösungstheorie, wonach gleichsam automatisch alle Seelen in den Himmel kommen ist eine Irrlehre. Die Früchte der objektiv für alle geleistete Sühne muß auf die einzelnen Individuen „angewandt“ werden. Dies geschieht in der subjektiven Erlösung. In dieser werden die Erlösungsfrüchte „ausgeteilt“. Es ist dabei am einzelnen Subjekt selbst gelegen, diese Früchte an sich wirksam werden zu lassen, indem er die verschiedenen und reichen Heilsmittel nutzt, welche Christus den Menschen in Seiner Kirche bereitstellt, speziell mittels der Priester, durch welche Er in den heiligen Sakramenten direkt an uns wirkt.
Die Allerseligste Gottesgebärerin hat sowohl an der objektiven, als auch an der subjektiven Erlösung mitwirkenden Anteil, speziell aber an der subjektiven. Ihre erste Teilnahme bestand hinsichtlich dessen, was sie im irdischen Leben bis zum Sühnetode ihres göttlichen Sohnes getan hat. Sie hat dem Heiland ihren Leib gegeben, sie hat Ihn großgezogen und alles getan, was einer Mutter an Aufgaben zukommt. Ja, ihre Sorge und Für-Sorge gingen noch über jene der anderen Mütter hinaus, weil sie eine an die Sendung ihres Sohnes gebundene war. Maria hat ihren Sohn das gesamte Leben hindurch begleitet und ist Ihm Hilfe in den irdischen Belangen gewesen. Diese erste Teilnahme ist also vor dem Erlösungsopfer verortet und auf die redemptio obiectiva hingeordnet.
Ihre zweite Teilnahme hingegen besteht in Bezug auf die subjektive Erlösung bzw. dem Austeilen der Kreuzesfrucht. Ihre Rolle ist dabei jene der Fürsprecherin für den Sünder, der zur Mutter seines Herrn flieht, um unter ihrem Schutzmantel Zuflucht zu finden. Die Muttergottes ist die Mittlerin aller Gnaden. Diese gehen zwar immer und ausschließlich von Gott aus, doch sind die Heiligen und ganz speziell die Madonna diejenigen, welche beim Richter für uns eintreten. Aus der Gnadenmittlerschaft Mariens darf man freilich nicht schließen, daß sie außerhalb der Gnade oder über dieser stünde, sondern sie ist selbst ganz von dieser erfüllt und von ihr abhängig. Sie wäre nicht, was sie ist, wenn Gott es nicht so gewollt und gefügt hätte. Die Allerseligste ist selbst erlösungsbedürftig gewesen, weil auch sie von Adam abstammte. Christus hat die Früchte Seines Erlösungsopfers bereits im Voraus und vollständig an Maria angewandt, noch bevor sie im Augenblick ihrer Zeugung von der Erbschuld betroffen werden konnte. Sie ist deshalb die vor- und vollerlöste Magd des Herrn.
In den Ereignissen bei der Hochzeit zu Kana sehen wir bereits ihre Rolle abgezeichnet, welche sie nach dem Tod ihres Sohnes einnehmen wird: sie tritt fürsprechend für die Hochzeitsgäste ein (Jo 2,1-11), bleibt dabei aber ganz auf ihren Sohn verwiesen. Sie kann den Wein nicht selber geben, aber sie kann erbitten, daß ihr Sohn interveniere:
„Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!“
Die für uns etwas rüde und abweisend erscheinende Anrede seiner Mutter mit „Frau“ ist einerseits ein Hinweis darauf, daß es sich bei Maria um jene „Frau“ handelt, welche bereits in der Genesis, genauerhin beim Sündenfall angekündigt und als Feindin des Teufels beschrieben wird. Durch die Bezeichnung „Frau“ verbindet Jesus Seine Mutter mit dem Protoevangelium (Gen 3,15): „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.“ In dieser Stelle der Genesis sehen wir, dass Gott es von Anfang an so geordnet hat, dass Maria mit dem Erlösungswerk ihres Sohnes auf das engste verbunden ist und an diesem teilnimmt.
Die Anrede „Frau“ ist gleichsam wie ein Art Amtstitel gebraucht, dessen Aufgabe im Kontext des fürsprechenden Eintretens sichtbar wird. Sie vermittelt dabei in ihrer Eigenschaft als Mutter, und das gleich in einer doppelten Hinsicht: als Mutter des Heilandes und zugleich als unsere Mutter.
Dass Maria als unsere Fürsprecherin fungiert, und zugleich dies so tut, als wären wir ihre eigenen Kinder, hat zum Begriff der geistigen Mutterschaft aller Lebenden und aller Erlösten geführt. Dies ist besonders deshalb angemessen, weil Eva als unsere Stamm-Mutter das Unheil der Sünde über uns brachte, während Maria in vielerlei Hinsicht das Gegenstück Evas ist. War Eva an unserem Unheil mitschuldig, so ist Maria an unserem Heil mitbeteiligt. Sie ist demnach schon allein aus Gründen des Parallelismus Eva-neue Eva in einem analogen Sinn unsere Mutter. Dieser analoge Sinn wird dann durch die konkreten Fakten noch in eine höhere, nämlich geistige Ebene übersteigert: es genügt nicht, zu sagen, Maria wäre in einem analogen Sinn unsere Mutter, sondern sie wurde es in einem überaus realen Sinne.
Maria hat es also gleichsam als „Amt“ inne, als unsere Mutter interzessorisch bei der Allerheiligsten Dreifaltigkeit für uns, ihre Kinder, einzutreten und uns so durch ihre Mittlerschaft Gnaden zuteil werden zu lassen. Das impliziert freilich, dass nicht Maria selbst Ursache der Gnade ist, sondern dass ihre Gnadenmittlerschaft eine moralische ist. Das Schwergewicht der Beteiligung Mariens am Erlösungswerk liegt somit sicherlich auf der Ebene der redemptio subiectiva: Maria ist mehr an der Verteilung der Erlösungsfrüchte beteiligt, als am sühnenden Erlösungsopfer selbst. An diesem hat sie keinen direkten, unmittelbaren aktiven Anteil: ihre Gnadenprivilegien sind ja selbst aus diesem Opfer herrührend, und als reines Geschöpf war sie außerstande eine dermaßen große Sühne zu leisten. Sehr wohl aber war ihre Beteiligung eine indirekte, aktive Beteiligung, indem sie bei der „Vorbereitung“ des Kreuzesopfers Anteil hatte, etwa als sie freiwillig diesem Auftrag zustimmte (sie übernahm die Gottesmutterschaft) und am Erlösungsopfer ihres Sohnes inneren Anteil nahm. Sie brachte so auf andere Weise ihr Opfer dar, ähnlich wie auch die Kirche und deren Gläubigen verschiedenartige Opfer bringen können und sich so in das eine Kreuzesopfer Christi einbringen. Schließlich nimmt sie noch indirekten Anteil daran, indem sie bei der Austeilung der durch Christus erworbenen Gnadenfrüchte Anteil hat.
Somit ist auch die Antwort auf den oft zu hörenden Einwand gegeben, dem zufolge Maria nicht Mittlerin aller Gnaden sein könne, weil nach 1 Tim 2,5ff. Christus allein der Mittler ist:
„Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle, ein Zeugnis zur vorherbestimmten Zeit“.
Dass es nicht zulässig ist daraus zu schließen, daß es keine Mitwirkung an der Mittlerschaft Christi geben kann, zeigt allein schon der Kontext in welchem dieser Satz steht bzw. die diesem Satz unmittelbar vorausgehenden Sätze (1 Tim 2,1ff.):
„Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und gefällt Gott, unserem Retter; Er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“.
Das fürbittende Gebet bzw. das Bitten selbst ist also ausdrücklich recht und Gott wohlgefällig. Maria tut letztlich genau dies, wenngleich in einer besonderen Form und mit einer gesteigerten „Wirksamkeit“. Vielfach wird sogar gesagt, dass es seit der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele keine Gnade gibt, welche nicht durch die Fürsprache Mariens bei Gott erwirkt worden wäre.
Gewiss hat dies nicht den Rang einer dogmatischen Gewissheit, weist allerdings durchaus seine Schlüssigkeit im der systematischen Reflektion auf und kann daher als theologische Wahrscheinlichkeit akzeptiert werden. Zum einen ist es die innere Beziehung Mariens zu ihrem Sohn, welche dies nahelegt: und zwar nicht bloß insofern sie Ihn geboren und großgezogen hat, sondern diese Beziehung muss tiefer verstanden sein, als jede andere normale Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind. Ihre enge Beziehung ist nämlich eine Beziehung auch zur Sendung ihres Sohnes, sie ist ob ihres Seelenstandes eine innigste Beziehung zu Gott und ob ihrer speziellen Auserwählung eine innigste Beziehung zum Erlösungswerk in welches sie eingebunden wurde, ganz speziell auch, was den Bereich der Austeilung der Kreuzesgnade anbelangt.
Dass Gott das fiat Mariens eingeholt hat, macht deutlich, dass Er den Menschen das Heil nicht gegen deren Willen aufzwängen wollte, sondern er wollte, dass es mit derselben Freiheit angenommen werde, mit welcher es zuvor abgewiesen wurde. Wie das Nein der Stammeltern zum Willen Gottes konstitutiv für die gesamte Menschheit war und bis heute ist, so ist es auch das Ja Mariens. Im Ungehorsam der Stammeltern ist ebenso das gesamte Menschengeschlecht vertreten, als auch im Gehorsam Mariens. Gott weist nicht einfach Heil und Unheil zu, sondern Er macht es abhängig vom Menschen selbst: im Allgemeinen (prinzipieller Heilszugang) wie auch im Besonderen (persönliches Heil und Unheil). Ihre aktive Zustimmung zum Heil der Welt bei der Verkündigung, welche sich mit ihrem Stehen unter dem Kreuz verbindet und sich bis in diese Situation hinein ungebrochen durchhält, lässt sie objektiv mit dem Erlösungsgeschehen verwachsen sein. Diese Verwachsung legt es spekulativ (d.h.: den Regeln der Logik zufolge) mehr als nahe, daß nicht nur „bei Gelegenheit“ am Erlösungswerk ihres Sohnes mitarbeitet, sondern daß es den tiefsten Sinn ihres Daseins ausmachte und nach wie vor ausmacht. Verstärkt wird diese spekulative Beobachtung besonders auch, wenn man weitere Merkmale beachtet und hinzunimmt, welche wir von Maria kennen: ihre Ganzhingabe, ihr Gnadenprivileg, die geistige Mutterschaft über alle Menschen, um nur einige exemplarisch zu benennen.
Es würde nicht in das Bild ihrer vorbehaltlosen Zustimmung und ihre Ganzhingabe passen, wenn sie nicht in allem den ihr möglichen Beitrag leisten würde, um am Erlösungswerk ihres Sohnes mitzuwirken. Deshalb muss es ihr ureigenstes Anliegen sein, möglichst viel dazu beizutragen, dass möglichst viele Menschen das Heil erlangen.
Zu diesen Überlegungen kommt hinzu, dass sie, die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen ist, das Lob und die Ehre Gottes fördert, wie es allen Kreaturen entspricht und besonders den Engeln und den übrigen Heiligen im Himmel zukommt. Dies ist einerseits passiv durch ihre bloße Existenz, aber darüber hinaus ist auch das aktive Lob gefordert. Dies besteht auch im Himmel aus Akten der geistigen Anbetung, aber ebenso auch der „aktiven“ Förderung des göttlichen Willens. Dieser besteht in erster Linie darin, daß möglichst wenige Seelen verlorengehen.
Der allerseligsten Gottesmutter kommt deshalb noch mehr als allen anderen Heiligen eine besondere Mittlerrolle zu, welche nicht in Konkurrenz zu ihrem Sohne steht, sondern andersgeartet ist, als diese und sich zu dieser hinzugesellt. Sie versucht aktiv, uns zu ihrem Sohn und damit zum Heil zu führen, und bittet Gott inständig um die Heilsgnaden, die dem Menschen dafür nötig sind. Denn ohne das Mittun des Menschen (Glaube, Werke, Gnadenleben in den Sakramenten) ist es diesem nicht möglich, sein ewiges Ziel zu erreichen.
Durch ihre Fürbitte tut sie ihren Kindern, den Menschen, also ebenso wohl, als sie auch den Willen Gotte größtmöglich zu fördern sucht. Je mehr Gnaden sie erbittet, desto mehr fördert sie die Ehre Gottes, Seinen Willen und das Wohl der Menschen. Ihre makellose Perfektion in jeder Hinsicht lässt uns schließlich zu dem Schluss kommen, dass seit ihrer Aufnahme in den Himmel alle Gnaden von Maria erbeten sind – was freilich nicht ausschließt, dass dieselbe Gnade durch mehrere Individuen – Engel, Heilige, Menschen – erbeten wird.
Abschließend wollen wir noch einen letzten Gedanken hinzufügen. Weil Maria von der Erbschuld bewahrt blieb, war sie auch innerlich frei von allen deren Folgen, von denen wir zuletzt gehandelt haben. Ihre Gottesliebe war (und ist) demnach vollkommen, und im Hinblick auf ihre Gottesmutterschaft wurde sie mit zahlreichen Privilegien ausgestattet: nicht weil es absolut notwendig war, d.h. es war nicht notwendig in dem Sinn, dass die Privilegierung Mariens eine conditio sine qua non für die Erlösung der Menschen dargestellt hätte. Sie war jedoch relativ notwendig, d.h. sie war in dem Sinne notwendig, dass diese Privilegierung dem Vorhaben Gottes entsprach, welches Er mit Maria hatte.
Man kann dies vergleichen mit der Notwendigkeit von Ehrungen und Ehrentiteln (im kirchlichen Bereich beispielsweise „Monsignore“, „Prälat“, „Protonotar“ etc). Diese Titel sind nicht in dem Sinne notwendig, dass sie dem Wesen des Priesters etwas hinzufügten, dieses verändern würden oder dass die Kirche ohne diesen Rängen etwas nicht ausführen könnte, was sie mit diesen Titeln ausführen kann. Es sind also keine absoluten Notwendigkeiten.
Sie sind aber dennoch relative Notwendigkeiten, insofern es sich bei Ehrentiteln um eine Realität handelt, mittels derer man in angemessener Weise einen Dank zum Ausdruck bringt, die großen Bemühungen und all das Gute auch öffentlich anerkennt, was eine Person für etwas oder jemanden getan hat und tut, und somit auch ein Signal setzt, dass es mindestens gewisse Bereiche gibt, in welchen man sich am so Geehrten ein Beispiel nehmen kann und soll.
Würden diese Dinge, welche sicher nicht der Wesenskern sind, eines Tages in Kirche, Staat, Heer oder sonstwo abgeschafft, so würde etwas verlorengehen, was seinen Wert, seine Bedeutung und vor allem auch seinen Nutzen hat. Es ist korrekt, Dienste und Verdienste zumindest im Zeitlichen bleibend anzuerkennen, besonders gegenüber dem, der besondere Verdienste erworben hat.
Ähnlich (wenngleich es freilich in manchen Punkten auch große Unterschiede gibt) verhält es sich bei den Privilegien, mit welchen Maria ausgestattet wurde. Sie waren nicht absolut notwendig, aber relativ notwendig, weil sie dem, was Maria war und dem wozu sie auserkoren war, angemessen waren – speziell ihrer Gottesmutterschaft. Die Privilegien Mariens sind von daher dreifach begründet: in ihrer vollkommenen Gottesliebe, in ihrer Würde der Gottesmutterschaft, sowie im Hinblick auf ihre Werke und Taten ihres Lebens, welche sie mit Hilfe ihrer Gnadenfülle vollbrachte, und um welche Gott bereits im Voraus wusste.
Wenn Maria daher prinzipiell Gnaden vermitteln kann, so ist es allein logisch, dass sie alle Gnaden vermittelt, welche zu vermitteln sie imstande ist, freilich innerhalb der von Gott gesetzten Gnadenordnung. (Maria ersetzt daher beispielsweise nicht die sakramentalen Gnaden, sondern bittet, dass diese an uns wirksam werden mögen und bereitet unsere Seelen für diese, so wir uns von ihr bereiten lassen).
Ebenso dürfen wir die universale Gnadenvermittlung Mariens nicht so verstehen, dass wir von guten Werken dispensiert wären, weil wir die Gnaden, die aus unseren Werken entstehen, ohnedies durch Maria bekämen: sie tritt niemals in Konkurrenz zur göttlichen Gnadenordnung, sondern wirkt an dieser mit! Wenn wir also keine guten Werke verrichten, dann ist es auch Maria unmöglich, uns die Gnaden zu erflehen. Sie kann nicht durch ihre Fürbitte unsere guten Werke ersetzen oder unsere Sündhaftigkeit und Bösartigkeit „wegbitten“. Aber bereits bevor wir unsere guten Werke verrichten um deren Gnadenfrüchte zu verkosten, tritt sie bittend bei Gott für uns ein, damit wir die rechten aktuellen Gnaden erhalten, welchen den guten Werken vorgehen und uns bereit machen, diese auch zu verrichten, damit wir dann auch deren Nutzen auf uns anwenden können (oder sie für andere wirksam werden lassen).
Von daher hat die Madonna eine besondere Stellung inne, weil sie am Erlösungswerk ihres Sohnes, wegen welchem Er Mensch wurde, aktiv mitwirkt, besonders als Gnadenmittlerin, ohne jedoch in Konkurrenz zu diesem zu treten oder die göttliche Heils- und Gnadenordnung zu durchbrechen. Viel mehr ist sie selbst Teil derselben.