Freuen sollen wir uns zu Ehren des Hl. Geistes!

Quelle: Distrikt Österreich

Die Herabkunft des hl. Geistes - dargestellt in der Basilika Mondsee, Oberösterreich

Der hl. Leo, der Große,  geboren um 400, gestorben am 10. November 461 war 21 Jahre lang Bischof von Rom und Papst (Leo I.) Entschieden verteidigte er die Lehre der katholischen Kirche gegen Irrgläubige. Lesen Sie hier eine seiner Predigten zum Pfingstfest. 

 

1. Geliebteste! Alle Katholiken wissen, dass das heutige Fest als eines der wichtigsten gefeiert werden muss, und alle sind sich darüber im Klaren, welch große Verehrung man diesem Tag schuldet, den der Hl. Geist durch ein so erhabenes Gnadenwunder geheiligt hat. Seitdem der Herr über alle Himmelshöhen emporstieg, um Seinen Platz zur Rechten des Vaters zu nehmen, ist dies der zehnte Tag. Seit Seiner Auferstehung aber ist heute am Ausgangstag des Festes der fünfzigste Tag für uns angebrochen. Große Geheimnisse des Alten und Neuen Bundes birgt er in sich. Diese offenbaren aufs deutlichste, dass die Gnade durch das Gesetz vorher verkündet wurde und das Gesetz erst durch die Gnade seine Erfüllung fand. 

Am fünfzigsten Tag war einst dem von den Ägyptern befreiten Volk der Hebräer nach der Schlachtung des Osterlammes das Gesetz auf dem Berg Sinai gegeben worden. Ebenso kam auch nach dem Leiden Christi, durch welches das wahre Lamm Gottes getötet wurde, am fünfzigsten Tag seit Seiner Auferstehung der Hl. Geist über die Apostel und die Schar der Gläubigen herab. Daraus kann der aufmerksame Christ unschwer ersehen, dass der Anfang des Alten Bundes ein Vorbild des Beginns des Evangeliums war, dass der zweite Bund von demselben Geist gegründet wurde, von dem auch der erste aufgerichtet worden ist. 

2. In der Apostelgeschichte steht geschrieben: “Als der Tag des Pfingstfestes gekommen und alle Jünger an demselben Ort einmütig beisammen waren, entstand plötzlich vom Himmel herab ein Brausen, gleich dem eines gewaltig daher fahrenden Windes und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und es ließ sich auf einen jeden von ihnen nieder. Und alle wurden erfüllt vom Hl. Geist und fingen an, in fremden Sprachen zu reden, so wie es der Hl. Geist ihnen zu sprechen eingab“. Wie schnell wirkt doch das Wort der Weisheit! Wie rasch erfasst man da, was man lernen soll, so Gott selbst der Lehrer ist! Da braucht es keinen Dolmetscher zum Verstehen, keine Übung zum Sprechen und keine Zeit zur Vervollkommnung. Es wehte der Geist der Wahrheit, wo er wollte, und die jedem Volk eigentümliche Sprache wurde zu einem gegenseitigen Verständigungsmittel im Munde der Kirche. Von diesem Tag an ertönte der Posaunenruf der evangelischen Predigt. Seit diesem Tage befruchtete der Tau der Gnade und reichlich fließender Segen jedes öde und dürre Land; denn um das Antlitz der Erde zu erneuern, “schwebte der Geist Gottes über den Wassern“. Um die alte Finsternis zu verscheuchen, brach ein neuer Lichtstrahl hervor. Beim Glanz flammender Zungen vernahm man das klare Wort des Herrn und Seine gluthauchende Lehre, der die Kraft innewohnte, zu erleuchten und wie Feuer auf die Seele zu brennen, damit die Erkenntnis geweckt wird und die Sünde getilgt würde. 

3. Obwohl die Art und Weise jenes Vorgangs, Geliebteste, überaus wunderbar war, und es keinem Zweifel unterliegt, dass sich in jener plötzlich zutage tretenden Fähigkeit, die Sprachen aller Völker zu sprechen, die majestätische Macht des Hl. Geistes offenbarte, so möge doch niemand glauben, dass sich in dem, was man mit leiblichen Augen sah, Sein göttliches Wesen gezeigt habe! Seine unsichtbare Natur, die Er mit dem Vater und dem Sohn teilt, hat damit nur einer besonderen Wirkung ihrer Gnade, so wie es ihr beliebte, durch ein sinnlich wahrnehmbares Zeichen Ausdruck verliehen, während sie das ihr eigene Wesen unter ihrer Gottheit verborgen hielt. Weder den Vater noch den Sohn noch den Hl. Geist vermag der Mensch zu schauen; denn in der göttlichen Dreieinigkeit ist nichts unähnlich, nichts ungleich. Alle Vorstellungen, die man sich von ihrem Wesen machen kann, laufen auf dieselbe Kraft, Majestät und Ewigkeit hinaus. Wenn auch als Person betrachtet der Vater ein anderer ist als der Sohn und der Hl. Geist, so ist doch ihre Gottheit, ihre Natur die gleiche. Wenn auch der eingeborene Sohn vom Vater stammt, und der Hl. Geist der Geist des Vaters und des Sohnes ist, so ist Er dies doch nicht im Sinn all der Geschöpfe, die der Vater und der Sohn geschaffen haben, sondern im Sinn eines zusammen mit beiden lebenden und regierenden Wesens. Seit Ewigkeit ist Seine Natur die nämliche wie die des Vaters und des Sohnes. Darum sprach auch der Herr, als Er am Tag vor Seinem Leiden Seinen Jüngern die Ankunft des Hl. Geistes verhieß: “Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht fassen. Wenn aber jener Geist der Wahrheit kommt, so wird er euch die ganze Wahrheit lehren; denn er wird nicht von sich selber reden, sondern alles, was er hört, wird er reden und das Zukünftige wird er euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein. Darum habe ich euch gesagt, dass er von dem Meinigen nehmen und euch verkünden wird“. Dem Vater ist also nichts anderes eigen als dem Sohn und dem Hl. Geist. Alles, was der eine besitzt, besitzen auch die anderen. Von jeher bestand bei der Dreieinigkeit diese Gemeinschaft; denn bei ihr deckt sich dieses gemeinsame, “alles umfassende Haben“ mit ihrem “ewigen Sein“. Nicht darf man bei ihr an Alter, Rang oder sonstige Unterschiede denken. Wenn schon niemand erklären kann, was Gott ist, so soll auch niemand zu behaupten wagen, was Er nicht ist; denn entschuldbarer wäre es, sich über das unerklärliche Wesen der Dreieinigkeit in ungebührender Weise zu äußern, als ihr Eigenschaften anzudichten, die mit ihr im Widerspruch stehen! Was also fromme Herzen von der ewigen und unveränderlichen Herrlichkeit des Vaters zu fassen vermögen, das sollen sie ohne allen Unterschied zugleich auch vom Sohn und vom Hl. Geist glauben! Gerade deshalb bezeichnen wir ja die hl. Dreieinigkeit als “einen“ Gott, weil es in ihren drei Personen keine Verschiedenheit des Wesens, der Macht, des Wollens oder des Wirkens gibt. 

4. Wie wir demgemäß die Anhänger des Arius verabscheuen, die zwischen Vater und Sohn einen gewissen Unterschied gemacht wissen wollen, ebenso verwahren wir uns gegen die des Macedonius. Diese weisen zwar dem Vater und dem Sohn die gleiche Natur zu, halten jedoch den Hl. Geist für ein niedrigeres Wesen. Dabei bedenken sie nicht, daß sie sich dadurch einer Gotteslästerung schuldig machen, die weder hier auf Erden noch beim künftigen Gericht Gnade finden soll, nach dem Ausspruch des Herrn: “Wer immer ein Wort redet gegen den Menschensohn, dem wird vergeben werden: wer aber gegen den Hl. Geist redet, dem wird nicht vergeben werden, weder in dieser Welt noch in der zukünftigen“ Wer also bei dieser gottlosen Irrlehre verharrt, der erlangt keine Verzeihung, weil er sich von dem abgewandt hat, durch den er zu einem Bekenntnis hätte kommen können. Nie wird der durch Vergebung Heilung finden, der keinen Anwalt als schützenden Fürsprecher zur Seite hat. Gerade vom Hl. Geist geht es ja aus, wenn wir zum Vater rufen. Durch Ihn kommen die Tränen der Reumütigen, durch Ihn die Seufzer der um Verzeihung Bittenden. “Und keiner kann sagen: ‚Herr Jesus‘, außer im Hl. Geist“. Dass dieser aber die Allmacht mit dem Vater und dem Sohn teilt, und die Gottheit nur eine ist, das spricht der Apostel ganz deutlich aus, wenn er schreibt: “Es sind zwar verschiedene Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist. Es sind zwar verschiedene Ämter, aber es ist derselbe Herr. Und es sind verschiedene Wirkungsweisen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allem schafft“. 

5. Durch diese und andere Aussprüche, durch welche die göttliche Lehre an unzähligen Stellen so deutlich zu uns spricht, sollen wir, Geliebteste, zur einmütigen Verehrung des Pfingstfestes angefeuert werden! Freuen sollen wir uns zu Ehren des Hl. Geistes, der die ganze katholische Kirche mit Seiner Heiligkeit erfüllt und zu jeder nach Weisheit strebenden Seele kommt, der uns den Glauben einhaucht und alles Wissen lehrt, der die Quelle der Liebe, das Siegel der Keuschheit und der Urgrund jeglicher Tugend ist! Freuen sollen sich die Herzen der Gläubigen, dass sich auf der ganzen Welt die Zungen aller zu dem “einen“ Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Hl. Geist bekennen und Ihn preisen! Freuen sollen sie sich, dass jene Erscheinung der feurigen Zungen in ihren Wirkungen wie in ihren Gnadengaben auch noch weiterhin fortdauert; denn der Geist der Wahrheit erfüllt selbst mit seinem glänzenden Licht das Haus Seiner Herrlichkeit. In seinem Tempel duldet Er weder irgendwelche Finsternis noch irgendeine Lauheit. Seine hilfreiche Gnade und Unterweisung hat uns auch die Reinigung durch Fasten und Almosen gebracht: Diesem verehrungswürdigen Tag folgt ja der Brauch, jene überaus heilsamen Werke zu üben, deren großen Nutzen alle Heiligen immer wieder an sich erfahren haben. Als treubesorgter Hirte ermahne ich euch, sie eifrig zu pflegen, damit die Zucht des Fastens und hingebende Nächstenliebe die Fehler beseitigen, in die ihr vielleicht durch achtlose Nachlässigkeit in den letzten Tagen geraten seid. So wollen wir denn am Mittwoch und Freitag fasten (Anm.: Quatemberfasten!) am Samstag aber zu demselben Zweck in gewohnter Andacht die Vigilien feiern durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit dem Vater und dem Hl. Geist als „ein“ Gott lebt und waltet in Ewigkeit! Amen.