Das Hostienwunder von Seefeld

Quelle: Distrikt Österreich

Heute lesen wir von einem weiteren eucharistischen Wunder, das in unserem Land geschehen ist:

Der Ritter Oswald Milser, der auf dem Schlossberg bei Seefeld in Tirol herrschte, war ein gefürchteter Mann, er war bekannt dafür, dass er Reisenden, die sein Land durchquerten, das Geld abknöpfte, und wenn sie nicht zahlen konnten, sperrte er sie ein, ohne ihnen Wasser und Nahrung zu geben, bis sie starben. Die Familie der Milser hatte im Lauf der Jahrzehnte viele Besitzungen in Nord- und Südtirol erworben und stand in enger Beziehung zum Landesherren der Grafschaft Tirol. Infolge eines politischen Konflikts, in dem sich der Abt von Wilten auf die Seite der Bayern stellte, überfiel Milser, der getreue Gefolgsmann des Tiroler Landesfürsten, mit mehreren Bewaffneten das Kloster Wilten, nahm den Abt Konrad Speiser gefangen und entführte ihn auf seine Burg. Dort stand der Abt einige Wochen unter Hausarrest. Für diese Tat wurde über Oswald Milser die Exkommunikation ausgesprochen, die erst acht Jahre später wieder aufgehoben wurde. 

In den persönlichen Hintergrund dieses Ritters, der offenbar ein ausgesprochen stolzer, überheblicher und sehr von sich eingenommener Mann war, fügt sich das wundersame Geschehen am Gründonnerstag des Jahre 1384. An diesem Tag kam der Ritter in die Pfarrkirche St. Oswald in Seefeld, begleitet von bewaffneten Männern, und forderte vom örtlichen Pfarrer, ihm bei der Kommunionspendung die große Hostie zu geben, die sonst dem zelebrierenden Priester vorbehalten war. Den Priester, der die Geschichte dieses Mannes sicher kannte, befiel große Angst und er gab nach. Der Ritter weigerte sich auch, sich zum Kommunionempfang hinzuknien. Aber schon bald nach dem Empfang der Hostie sank die mächtige Gestalt des Ritters von selbst auf die Knie, denn unter seinen Füßen gab der Steinboden wie Treibsand nach. Verzweifelt versuchte er, sich am Altar festzuhalten, aber der steinerne Altar schmolz unter seinen Fingern wie heiße Butter. Entsetzt und hilflos schrie der Ritter um Gnade und bat den Priester, die Hostie, die er unwürdig empfangen hatte, aus seinem Mund zu entfernen. Kaum war der Priester dieser Aufforderung nachgekommen, war der Boden wieder stabil. Viele, die in der Kirche anwesend waren, sahen, wie sich die Hostie rot verfärbte und wie Blut von ihr tropfte. 

Oswald Milser war zu Tode erschrocken, aber es war eine heilsame Angst, die ihn befiel. Er bereute seinen Stolz zutiefst und begab sich in das nahegelegene Kloster von Stams, wo er zwei Jahre lang strenge Buße für seine Sünden verrichtete, bevor er starb. 

In der Seefelder Kirche finden wir auch heute noch Darstellungen dieses Wunders: Im Tympanon des Südportals wird das Hostienwunder mit dem sündigen Oswald dem Märtyrertod des heiligen Oswald (Seefelder Kirchenpatron) gegenüber gestellt (um 1470 erbaut). Gegenüber dem Altar hängt ein Bild, gestiftet von Kaiser Maximilian I. Der Künstler malte hier, 120 Jahre nach dem Hostienwunder, Oswald Milser beim Empfang der großen Hostie und sein Versinken im Boden. Im Begleittext wird der Name erwähnt, sowie die Jahreszahl 1384. Noch heute sieht man die Fuß- und Fingerabdrücke des Ritters auf dem Altar und im Boden in der Kirche. 

Die Nachricht von dem Wunder verbreitete sich in Windeseile und ein Pilgerstrom setzte ein, sogar eine Herberge wurde erbaut. Ritter Parzival von Weineck stiftete die vergoldete Monstranz, die auch noch heute die Wunderhostie enthält. Bald schon wurde die Kirche zu klein und Herzog Friedrich IV. von Österreich ließ eine größere Kirche errichten. Der Wallfahrtsort war ganz besonders bei Maximilian I., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sowie bei Erzherzog Ferdinand II. von Österreich beliebt. Ersterer ließ auch ein Kloster nahe der Kirche im Jahr 1516 errichten, das erst von Erzherzog Maximilian vollendet und den Augustinermönchen übergeben wurde.  Später unterstützte auch Kaiserin Maria Theresia die Wallfahrt und das Kloster, unter der Regierung von Josef II. aber musste das Kloster im Jahr 1785 aufgehoben und geräumt werden. Heute befindet sich im ehemaligen Kloster ein Hotel. Die Wallfahrt zum Heiligen Blut blieb bis zum ersten Weltkrieg beliebt, danach aber erlosch sie weitgehend. 

Der stolze Ritter Oswald Milser wurde durch diesen übernatürlichen Eingriff zum einfachen Büßer, der seinen Frevel zutiefst bereute. Der Schrecken, der ihm zugemutet wurde, heilte ihn von seinem Stolz. Was aber geschah mit dem Priester, der sich aus Angst zu etwas hinreißen ließ, was ihm nicht erlaubt war? Er hatte sich einschüchtern lassen, von einem Weltmann, der seine Macht missbraucht hatte, noch dazu am Gründonnerstag, dem Tag der Einsetzung der Eucharistie. Wir können davon ausgehen, dass auch er an diesem Abend begriff, dass er als Priester niemals dem Zeitgeist und seinen Machtansprüchen nachgeben darf, denn er steht ausschließlich und immer im Dienst einer höheren Macht. Ganz sicher war dieses Wunder auch für den Priester heilsam.