Die Gnadenstatue (Teil 2)

Quelle: Distrikt Österreich

Zur Geschichte der Gnadenstatue gehört es auch, dass sie zu Zeiten besondere Verehrung genoss wegen verschiedener Eigenschaften, die an ihr beobachtet wurden. Alte Schriftsteller berichten, dass von vielen Wallfahrern wahrgenommen wurde, wie sich die Augen der Statue bewegten, das Gesicht die Farbe wechselte und die Miene sich veränderte. Manche sahen die Gesichtszüge bald freundlich und lächelnd, bald streng und traurig. Manches davon mag subjektiv zu deuten sein und es werden solche und ähnliche Eigenschaften auch von anderen Gnadenbildern gemeldet. Wiederholt sah man auch die Statue von hellstem Licht umflossen. So im Jahre 1696, als ein ungarischer Piarist am Gnadenaltar für den verstorbenen Bischof Kada von Siebenbürgen die heilige Messe zelebrierte und zwar vom Offertorium bis nach der Kommunion. Eine ähnliche Lichterscheinung wird auch aus dem Jahre 1728 berichtet.

Als besonders auffällig wird auch erzählt, dass sich die Statue nicht nachbilden ließ, was sogar im Jahre 1707 acht Künstler veranlasste, zum Trotz, aber auch ohne Erfolg daran zu gehen, mit ihrer Kunst diese Meinung zu widerlegen. Als Zeuge dieses Versuches wird uns der berühmte Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach angeführt. Je länger die Bildhauer sich bemühten, eine Ähnlichkeit mit der Statue zu erzielen, desto weniger gelang ihnen dies und es ergriff sie ein solcher Schauder, daß sie den Meißel wegwarfen und ihr Vorhaben aufgaben. Es gibt auch tatsächlich keine Ab- oder Nachbildung, die eine entsprechende Ähnlichkeit aufwiese. Schließlich sei noch angefügt, dass man schon in alter Zeit die Wahrnehmung machte, es falle auf das Gesicht der Gnadenmutter und des Jesuleins kein Staub, auch nicht an den größten Wallfahrtstagen, wo doch sehr viel Staub aufgewirbelt wird. Es wird dies bis auf den heutigen Tag beobachtet und bezeugt.

Auch sonst ist die verhältnismäßig gute Erhaltung des Gnadenbildes dem besonderen überirdischen Schutze zugeschrieben worden. Die Statue ist auch frei vom Holzwurm und ein Morschsein des Holzes kann an keiner Stelle wahrgenommen werden. Deshalb hat schon im Jahre 1709 ein Jesuitenschriftsteller, P. Pettinati, über die Statue die Verse gemacht: „Weil vom verbotenen Baume niemals die Jungfrau gegessen, Schädigt kein Wurm ihr Bild, Fäulnis zerstöret es nie.“

Die eigentliche Gnadenstatue bekommt man nie ganz zu Gesicht, nur die Köpfe der Muttergottes und des Jesuskindes sind zu sehen. Sie ist nämlich stets bekleidet. Man mag diese Mode wohl zum Schmuck, vielleicht auch zum Schutze der Statue eingeführt haben. Sie geht gewiss schon bis ans Ende des Mittelalters zurück; denn das älteste Pilgerzeichen, das sich von Mariazell erhalten hat und schon aus etwa 1500 stammt, zeigt uns das Gnadenbild bereits in der geläufigen Form seiner Bekleidung. Trotzdem aber unterlag diese auch modischen Einflüssen, wie etwa im 17. Jahrhundert, aus dem wir Abbildungen (Kupferstiche, Beichtzettel) haben, die die Statue mit spanischen Halskrausen zeigen.

Der Mode unterlag natürlich auch der Stoff dieser Bekleidung, die man „Liebfrauenkleider“ nennt. Sie wurden zumeist vom Kaiserhaus oder vom hohen Adel gespendet, manchmal aus Brautkleidern umgearbeitet. Man sah da Kleider aus schweren Brokaten und phrygischen und damaskischen Weben, ja selbst aus geschlagenem Silber. Ein solches, mit orientalischen Edelsteinen besetzt, wurde von Gräfin Theresia von Pötting aus Dankbarkeit für erhaltene Gesundheit im Jahre 1728 gewidmet. 1758 ließ Graf von Martinitz ein zweites aus Silber herstellen, das 2000 Gulden kostete. Auch Brüsseler Spitzen wurden hiefür verwendet. In der Zeit von 1704 bis 1753 wurden vierzig Liebfrauenkleider gespendet.

Leider aber griff Kaiser Joseph II. auch da ein und verbot 1786 das weitere Bekleiden der Gnadenstatue. Die Kleider, die bereits 1785 von einem Grazer Schneider geschätzt worden waren, mussten nach einem weiteren Dekret vom Jahre 1792 veräußert werden. Dieser Zustand währte aber nicht lange, denn schon 1797 wurde von Kaiser Franz die Bekleidung der Gnadenstatue wieder erlaubt. Zugleich mit dem Verbot der Verwendung von Kleidern für die Statue erging auch ein solches betreffs der Schmückung der Statue mit Kronen. Solche trug die Statue schon im Mittelalter, man wollte dadurch Maria als die Himmelskönigin ehren. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Kronen gespendet. 1731 wurden solche aus Opfergegenständen der Schatzkammer angefertigt. Eine Anzahl Kronen mussten schon 1704 für Kriegszwecke abgeliefert werden, Kaiser Joseph II. verbot aber auch die Krönung der Statue überhaupt. Es waren damals neun silberne, sechs goldene und zwei seidene mit Perlen besetzte Kronen vorhanden. 1793 mussten auch diese abgeliefert werden.

Kaiser Franz ließ aber den alten Brauch wieder aufleben. Die wertvollsten Kronen, die seither wieder gespendet wurden, sind die des Kardinals Alexander Rudnay, Erzbischofs von Gran und Fürstprimas von Ungarn, vom Jahre 1821. Sie zieren jetzt die Statue und sollen sie auch für alle Zeiten schmücken, seit sie 1908 vom Heiligen Vater Papst Pius X. gesegnet und in seinem Auftrage der Gnadenstatue feierlichst aufgesetzt wurden. Die Krone des Jesuskindes trägt folgende lateinische, ins Deutsche übertragene Widmung, am Reifen: „Dem fleischgewordenen Wort, dem König und Gottmenschen als Bürgschaft ewigen Dienstes und dankbarer Gesinnung der Erzbischof von Gran in Ungarn“. Die Krone Mariens weist folgende Inschrift auf: „Der Königin Ungarns und der Zeller Gnadenquelle — Fürst von Rudnay“. In früheren Zeiten trug die Statue auch noch anderen Schmuck, z. B. Kreuze, Ordensauszeichnungen, Herzen und Ringe, Perlenschnüre, Ketten, Hals- und Armbänder, Gürtel und anderes. Solchen Schmuck, der bei vielen Gnadenstatuen in Überladenheit ausartet, trägt unsere Gnadenstatue heute nicht mehr.

8. Kapitel unserer Maiwallfahrt nach Mariazell, die Reihe wird fortgesetzt 

Quelle: Mariazeller Wallfahrtsbücher, Beschreibung der Mariazeller Sehenswürdigkeiten, von Dr. Othmar Wonisch